"Der andere Liebhaber": Sex-Therapie mit dem Zwillingsbruder

Wer ist wer? Marine Vacth und Jérémie Renier in "Der andere Liebhaber"
Attraktiver Erotik-Thriller von François Ozon.

Man findet ihn heute nur noch selten, den Erotikthriller, doch François Ozon hat ein rares Genre aufleben lassen. Wo sich die Amerikaner mit "Fifty Shades of Grey" erregen, macht der Franzose zwischen Zwillingshorror und Sex-Therapie am Rande der Gewaltgrenze genüsslich Ernst. Brian De Palma stand eindeutig Pate in einem an visuellen Doppelungen interessierten, elegant-kühlen Psycho-Drama mit kaum verhehltem Hang zum B-Movie.

Die direkte Verbindung zwischen Geschlecht und Auge – oder Sex und Voyeurismus – behauptet Ozon gleich in seiner zweiten Szene: Bevor wir noch bis drei zählen können, ertappen wir uns dabei, wie wir mit dem Auge der Gynäkologin in eine Vagina hinein schauen. Ein milder Schockeffekt beim Blick in das Innere einer jungen Frau, deren Äußeres sich bald in vielen Spiegelbildern zu brechen beginnt. Die 25-jährige Chloé leidet an Bauchschmerzen – eine Beschwerde, die psychosomatisch motiviert scheint.

Sie wird zuerst die Patientin, dann die Geliebte eines feschen Psychiaters – doch die Krämpfe wollen trotzdem nicht aufhören, zumal sich Chloé einbildet, dass ihr Freund ein düsteres Geheimnis vor ihr verborgen hält.

Ozon ließ sich lose von dem Roman "Der Andere" von Joyce Carol Oates inspirieren und treibt seine schöne Protagonistin in die Arme des Zwillingsbruders ihres Freundes. Beide Brüder – der eine lieb und zärtlich, der andere arrogant und scharf im Bett – verschmelzen sich in der Fantasie der jungen Frau zum erotischen Krimi.

Ozon hält die Spannung zwischen moderner Beziehungskrise, sexueller Eskapade und plakativem Psycho-Horror zügig über weite Strecken attraktiv. Doch wenn sich die Geheimnisse dann zu lösen beginnen und Erklärungen finden, stellt sich enttäuschende Erschlaffung ein.

INFO: F/BL 2017. 104 Min. Von François Ozon. Mit Marine Vacth, Jérémie Renier.

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