David Gilmour in Wien: Gitarrenglück und eine Tasse Tee

David Gilmour zeigte im Juni in Wien, dass er mit 70 noch in Hochform ist.
Der Pink-Floyd-Gitarrist gastierte bei seinem Wiener Solo-Debüt vor Schloss Schönbrunn
  • David Gilmour, Gitarrist der legendären Band Pink Floyd, ist am Montagabend vor Schloss Schönbrunn aufgetreten.
  • Er spielte 22 Songs, 13 davon waren von Pink Floyd, u.a. Wish You Were Here, Shine On You Crazy Diamond, Sorrow, Comfortably Numb.
  • Vor der imperialen Kulisse gab es eine aufwändige Lichtshow und fantastischen, kristallklaren Sound.
  • Gilmour zeigte sich als Gitarrist auf der Höhe seines Schaffens: So außergewöhnlich spielt kein anderer Rockgitarrist.
  • Für das zweite Wien-Konzert am heutigen Dienstag gibt es noch Karten

Die (Nacht-)Kritik, nicht nur des Konzerts:

Es ist ja ganz wunderbar leicht, bei der Musik von Pink Floyd zugleich der Begeisterung und der Melancholie zu verfallen: Die Ausnahmeband machte damals, als Großbritannien gerade frisch zur heutigen EU gestoßen war, auf zumindest drei Jahrhundertalben dezidiert unfröhliche Nachdenkmusik für die schwierigen Momente im Gefühlshaushalt, wenn man das Leben, das Universum und den ganzen Rest gerade mit fragendem Blick anschaut.

Am Montagabend nun gab es noch eine Zusatz-Dosis Melancholie, als der Mann, der den Pink-Floyd-Sound entscheidend mitprägte, viele der beliebtesten Songs der Band (und einige neuere eigene) vor die imperialste unter den imperialen Kulissen Wiens brachte: Die ikonenhafte kreisrunde Leinwand, die die Floyd-Shows seit eh und je prägt, stand erstmals vor Schloss Schönbrunn.

In den Kulissen der ehemaligen Donau-Großmacht trug David Gilmour dann das Vermächtnis von Pink Floyd vor. Und da durfte sich, bei aller musikalische Begeisterung und fantastischer Show, Abschiedsstimmung breit machen: Mit “Comfortably Numb”, „Shine On You Crazy Diamond“ oder auch dem ein wenig mittelsuper gelungenen „Wish You Were Here“ erklangen Echos einer anderen, großen, versunkenen Zeit, die dieser Tage ihre letzten Live-Ehrenrunden dreht.

David Gilmour in Wien: Gitarrenglück und eine Tasse Tee
ABD0058_20160627 - WIEN - ÖSTERREICH: Der Musiker David Gilmour am Montag, 27. Juni 2016, während eines Konzert vor dem Schloss Schönbrunn in Wien. - FOTO: APA/GEORG HOCHMUTH
Es sind, so wurde auch da wieder klar, die letzten Tage der Rockheit angebrochen; die großen Bands der großen Zeit bringen rasch noch die Herbsternte ein; und zum schwarzen Bandleiberl passt der weiße Haarschopf erfreulicher Weise gut. Gestochen scharf sind die Bilder aus dem Markenhandy zum Mitnachhausenehmen und den Enkerln zeigen. Und damals in den 1980ern wussten wir noch nicht, dass wir dereinst einen hochgezüchteten Taschencomputer dazu verwenden würden, ein Selfie mit einem klitzekleinen David Gilmour im Hintergrund zu machen.

Ist der lieb!

Und Gitarrespielen kann der immer noch. Alleine, um diese hohe instrumentale Kunst noch einmal zu erleben, lohnt sich der Besuch (fürs zweite Wien-Konzert am heutigen Dienstag gibt es noch Restkarten). Gilmour hat – dieser Superlativ schreibt sich ohne Zögern hin - das kultivierteste Vibrato der Rockgeschichte. Er pflegt einen Gitarrenstil, der in der Ausformulierung jedes Tons mehr mit Operngesang als mit den Untiefen des Rockgeschrammels zu tun hat. Die einzigartige Finesse hat sich Gilmour auch ins 71. Lebensjahr hinweg bewahrt; wenn er – nach einem schnellen Schluck Tee – die Saiten biegt und liebkost, macht sich Verzückung und Zeitlosigkeit breit.

Tapfer

Selbst, und das war die Überraschung des Abends, bei einigen der neuen Songs. Vor denen durfte man, nach nochmalig tapferem Durchhören des jüngsten und in allerweitesten Teilen völlig misslungenen Albums “Rattle That Lock”, durchaus Sorge haben; hin und wieder erwies diese sich auch als berechtigt. Was Gilmour fehlt, ist jemand, der ihm den Arm um die Schulter legt und freundlich, aber bestimmt sagt, “David, vergiss den Song, der ist wirklich abgrundtief schlecht”, etwa bei “The Girl in the Yellow Dress” oder “Today”. Anderes aber funktionierte hervorragend: Einige der schönsten Gitarrenmomente des Abends – und das heißt etwas! - waren bei neuen Songs.

Die meiste Freude aber machten naturgemäß die alten, allen voran “Us and Them”, “Shine On” und “Sorrow”.

Hier nun die beste Gelegenheit für einen kurzen, aber an dieser Stelle wichtigen Rückblick: Pink Floyd, das waren die Maßlosen unter den Rockgiganten, gleichzeitig die Reduziertesten. Unterhaltungswert kann jeder, Pink Floyd dehnten lieber die Zeit: Wo ein gewöhnlicher Radio-Hit schon beim vierten Refrain angelangt ist, wird bei Pink Floyd gerade erst das zentrale Gitarrenmotiv vorgestellt. Zum musikalischen Weltraum wird hier die Zeit. Bei den gigantischen Liveshows aber feuerte die Band aus allen Geschützen: Wir denken an in Flammen aufgehende Flugzeugattrappen oder die riesige “The Wall”-Mauer.

Sonderstellung

Diese Sonderstellung hat die Band ausgezeichnet; und sie ist auch beim Gilmour-Konzert zu erleben. Der Sound ist glasklar und gestochen und etwas, wo Gilmour mit jeder Berechtigung gegenüber vielen jungen Bands den Silberrücken raushängen lassen könnte: So, genau so mischt man ein Konzert, da könnt ihr viel lernen. Auch von der entspannten Selbstsicherheit, mit der Gilmour sich die Zeit nimmt, die ihm und seiner Musik gebührt: Ausufernde Songs sind gut für die Frustrationstoleranz und damit fürs ganze Leben.

Hier steht, und auch das muss angeführt werden, jemand auf der Bühne, macht Musik, davor sitzen Menschen und hören zu. Unzeitgemäß ist das heute, unzeitgemäß war das auch schon damals. Und ein Satz hinterlässt ein besonderes Echo, einen Brückenschlag vom Damals ins Heute: “a time so strange/sing to me, sing to me”, aus “Fat Old Sun”. Eigenartig sind die Zeiten, und David Gilmour hat für uns gesungen.

Das will man nicht missen. Beglückt und mit Melancholie geht man nach Hause.

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