Teufelsgeiger mit Rasierklinge

David Garrett ist der "Teufelsgeiger".
Ab 31. Oktober schlüpft David Garrett in den österreichischen Kinos in die Rolle von Paganini.

Ohne Paganini wäre der ganze Werdegang der Geige mit den großen Violinkonzerten nicht möglich gewesen“, ist Stargeiger David Garrett überzeugt. Deshalb war er von Kindheit an ein Bewunderer des 1782 in Genua geborenen Nicolò Paganini, der als Virtuose auf der Geige galt – als der Erste, der als Instrumentalist zum Star werden und ähnlichen Bekanntheitsgrad wie Sänger erreichen konnte. Für Garrett hat Paganini eine genauso faszinierende Persönlichkeit wie Lebensgeschichte. Deshalb hatte er vor einigen Jahren die Idee hatte, einen Film zu machen – mit sich selbst als Paganini, mit einem nach seinen Vorstellungen gestaltetem Drehbuch und einem von ihm eingespielten Soundtrack. Jetzt ist der Streifen fertig. Am 31. Oktober läuft „Der Teufelsgeiger“ in den österreichischen Kinos an – tatsächlich mit Garrett in der Hauptrolle, mit Veronica Ferres, Joely Richardson und Jared Harris in weiteren Rollen. Und mit dem Briten Bernard Rose im Regie-Sessel. Die größte Schwierigkeit, die Garrett und Rose bei der Entwicklung des Drehbuchs hatten: Über Paganini sind viele Mythen überliefert, aber nur wenig ist historisch dokumentiert.

Saiten reißen

„Geschichtlich belegt ist, dass Paganini mit der minderjährigen Tochter seines Impresarios durchgebrannt ist“, erzählt Garrett im Interview mit dem KURIER. „Es ist auch belegt, dass er während eines Konzertes während des Stücks Saiten abreißen konnte. Aber wie kriegt man das während des Spiels hin – zack, drei Saiten weg – ohne dass es das Stück kaputt macht? Da bin ich dann eines Abends mit drei Freunden zusammengesessen und wir haben gesagt, warum nimmt man nicht einen Ring und baut eine Rasierklinge ein? Und das hat dann auch funktioniert.“ Obwohl der Film mit 122 Minuten das komplette Leben von Paganini nachzeichnet, konzentriert sich die zentrale Handlung auf die Liebe zu Charlotte Watson, der Tochter des Impresarios, die von Andrea Deck gespielt wird. Aber auch auf die Zeit, als der in Europa schon als Virtuose gefeierte und als Frauenheld verschriene Italiener ansetzte, London zu erobern. Ein im Film plakativ gezeichneter Aspekt ist auch Paganinis Drogensucht. „Das war mir und Bernard sehr wichtig“, erklärt Garrett. „Denn ich glaube, dass du als Künstler sehr stark Bestätigung suchst. Und gerade wenn man sehr früh mit der Musik anfängt und wie Paganini schon von den Eltern unter Druck gesetzt wird, dass dann diese ewige Suche nach dem Erfolg, diese innere Leere, die entsteht, weil man die menschliche Nähe nicht genossen hat – ich glaube, dass all das dazu führt, dass man permanent vergessen und verdrängen will.“

Teufelsgeiger mit Rasierklinge

Der Teufelsgeiger…
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Der Teufelsgeiger…
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GERMANY CINEMA
Teufelsgeiger mit Rasierklinge

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Grausam

Das, sagt Garrett, könne er sehr gut nachvollziehen. Denn ihm selbst ging es ähnlich – wenn auch nicht in diesen Extremen. Denn: „Kein Kind übt freiwillig mehrere Stunden am Tag – mit einem Instrument, das am Anfang grausam, intensiv, hart und unverständlich ist. Denn dafür ist die Kindheit nicht konzipiert. Da ist man schnell gelangweilt und will auch mal rausgehen.“ Trotzdem, sagt er, könne er jetzt für diese Kindheit dankbar sein: „Ich würde es nicht noch einmal durchleben wollen, aber ich würde die Vergangenheit auch nicht ändern wollen. Denn die Vergangenheit ist Teil er Gegenwart. Und die ist für mich sehr, sehr angenehm. Insofern wäre es schade, Ressentiments zu haben.“

Info: David Garrett kommt 2014 im Rahmen seiner Klassik-Tournee (mit Werken von Vivaldi und Paganini) nach Österreich: 26. 5. Wien/Konzerthaus. Karten: 01/253 888

Garrett vs. Paganini“ heißt die „Soundtrack“-CD, für die David Garrett neben der Musik aus dem Film als Hommage an Paganini auch Stücke eingespielt hat, die illustrieren, wie der Teufelsgeiger die Musik-Geschichte geformt und beeinflusst hat. KURIER-Leser können am Montag (28. Oktober) von 11.00 bis 11.30 Uhr unter 01/522 39 03 drei CDs „Garrett vs. Paganini“ gewinnen. Rechtsweg ausgeschlossen, eine Barablöse ist nicht möglich. Gilt nur für Verbraucher im Sinne des KSchG.

KURIER: Sie hatten selbst die Idee zu dem Film über Paganini. Was hat Sie an dem Thema interessiert?
David Garrett: Ich finde die Geschichte und die Person von Paganini unglaublich faszinierend. Auch wie er es geschafft hat, ein Instrument in einer Zeit derart populär zu machen, in der die Sänger die Dominanz in der Berühmtheits-Skala hatten. Er war der erste Instrumentalist, der durch sein Können, aber auch durch seine Person eine unglaubliche Popularität erreicht hat. Außerdem ist durch Paganini die ganze Musikgeschichte in eine neue Bahn geleitet worden: Instrumente wurden erst durch Paganini populär. Und durch die Virtuosität in seinem Spiel, durch seine Erfindungen für die Art, wie man die Geige als Solo-Instrument benützen kann, hat er das Instrument auf ein ganz neues Niveau gebracht. Das sind alles Sachen, die später bei den großen Komponisten, bei Brahms und Tschaikowsky verwertet wurden. Ohne Paganini wäre der ganze Werdegang der Geige mit den großen Violin-Konzerten nicht möglich gewesen. Sie haben auch am Drehbuch mitgewirkt.

Wo konnten Sie sich dafür auf historisch Belegtes verlassen und wo mussten Sie erahnen?
Geschichtlich belegt ist, dass er mit der minderjährigen Tochter des Impresarios durchgebrannt ist. Es ist auch belegt, dass er während eines Konzertes während des Stücks Saiten abreißen konnte. Aber wir haben keine Dokumentation, wie diese Dinge passiert sind. Wie er die Saiten abgerissen hat, konnte ich also nur erahnen, denn das ist vor und nach Paganini ja nie passiert.

Wie kriegt man das während des Spiels hin – zack, drei Saiten weg - ohne dass es das Stück kaputt macht?
Da bin ich dann eines Abends mit drei Freunden zusammengesessen und wir haben gesagt, warum nimmt man nicht einen Ring und baut eine Rasierklinge ein? Und das hat dann auch funktioniert. So kann man in einem Stück, das man ohnehin in Pizzicato spielen würde, mit diesem Ring beim letzten Pizzicato drei Saiten reißen. Wir haben wirklich versucht, das, was als Mythos überliefert worden ist, zu realisieren. Und wenn es nicht realisierbar war, haben wir es gelassen.

Haben Sie Schauspielunterricht genommen?
Ja, ich habe einige Stunden genommen. Für mich war es wichtig, eine Einschätzung von jemandem zu bekommen, der sehr gut ist. Dafür habe ich mit Harold Guskin zusammengearbeitet, der wirklich eine Koryphäe ist. Er hat mit Meryl Streep, Al Pacino und Robert De Niro gearbeitet. Wenn der mir gesagt hätte, lass die Finger davon, dann hätte ich es gelassen. Aber so war es nicht. Er sagte, du machst das super, viel Spaß. Er hat mir sicherlich auch viele Tipps gegeben, hat gesagt, so und so geht es nicht. Denn im Endeffekt geht es darum, dass man nichts spielen sollte, sondern reagieren muss. Auch wenn du die Sätze deiner Mitspieler kennst und sie schon hunderte Male gehört hast, musst du immer wieder frisch darauf reagieren. Dafür muss man auf die Nuancen hören. Jeder Satz, egal wie oft du den schon von jemand anderen gehört hast, er wird immer ein wenig anders klingen. Und auf diese kleinen, emotionalen Nuancen muss man reagieren.

Haben Sie beim Schauspielen Lunte gerochen?
Nein, der Film bleibt erst Mal eine einmalige Sache, die mir in diesem Moment, für diesen Zweck, das Projekt und in Zusammenhang mit der Filmmusik Spaß gemacht hat. Auch in Zusammenhang mit der Möglichkeit, am Drehbuch etwas mitarbeiten zu können. Ich war wirklich in alles involviert, so dass das zu meinem Baby geworden ist. Aber ich mag es nicht, wenn andere Menschen um mich herum zu viel machen, auf das ich keinen Einfluss habe. Und bei einem zweiten Film wäre das höchstwahrscheinlich der Fall. Und ich glaube auch nicht, dass es noch eine zweite Person in der Geschichte gibt, mit der ich mich so sehr identifizieren kann.

Es heißt, Sie haben sehr vieles aus Ihren eigenen Tournee- und Business-Erfahrungen ins Drehbuch eingebracht. Was war das?
Es gibt sicherlich viele Situationen, die ich kenne, die mir die Möglichkeit gegeben haben, sie authentisch wiederzugeben. Aber ich will nicht, dass es heißt, ich spiele mich selbst, denn das tue ich nicht, deswegen kann ich die Frage nicht genau beantworten.

Die Figur des Paganini-Managers Urbani erinnert sehr an Manager, die man aus der heutigen Pop-Szene kennt. Ist die fiktiv?
Nein, Paganini hatte einen Manager namens Urbani. Aber das Spannende an dem Verhältnis zwischen diesen Personen ist, dass jeder die eigenen Interessen vertritt. Urbani will sicher mit Paganini Geld verdienen. Das ist aber ganz normal, jeder Manager tut das. Und der Sinn eines Managers ist, dass man über ihn zum Erfolg kommt. Deshalb muss der auch besessen sein und den Künstler ordentlich pushen. Aber da gibt es natürlich auch ein Zuviel. Und zwischen zu viel und zu wenig gibt es nur einen ganz schmalen Grat. Das ist eine Erfahrung, die sicher ganz viele Künstler gemacht haben: Einen Manager zu haben, der entweder zu viel oder zu wenig tut.

Wie die Stars der Pop-Musik heute, hat sich Paganini auch damals schon gut inszeniert und vermarktet.
Ich glaube, was wir als Inszenierung sehen, muss nicht Inszenierung sein. Denn wenn jemand einfach außergewöhnlich ist, gibt er sich so wie er ist, und denkt nicht drüber nach, dass es als Inszenierung rüberkommt. Inszenierung hört sich so durchdacht an. Ich glaube das war es nicht, denn man muss sich auf der Bühne ja auch wohl fühlen. Ich glaube, er hat einfach seine Persönlichkeit ausgelebt.

Ein Teil von Paganinis Persönlichkeit, die Sie im Film stark forciert haben, war die Drogensucht, wobei aber nie rauskommt, worauf er süchtig war . . .
Ich wollte das bewusst nicht erwähnt haben, denn es geht nicht darum, was er konsumiert hat. Aber es war Opium. Das ist durch seine Zähne historisch belegt - er hatte ja am Schluss überhaupt keine Zähne mehr.

Warum ist dieser Aspekt so stark gezeichnet?
Das war mir – und übrigens auch dem Regisseur Bernard Rose – sehr wichtig. Denn ich glaube, dass du gerade als Künstler sehr, sehr stark Bestätigung suchst. Und gerade wenn man sehr früh mit der Musik anfängt und wie Paganini schon von den Eltern unter Druck gesetzt wird, dass dann diese ewige Suche nach dem Erfolg, diese innere Leere, die entsteht, weil man die menschliche Nähe nicht genossen hat – ich glaube, dass all das sehr stark dazu führt, dass man permanent vergessen und verdrängen will.

Hatten sie als Kind auch diesen Leistungsdruck von den Eltern? Und inwieweit halten Sie den für wichtig, um später Virtuosität entwickeln zu können?
Kein Kind übt freiwillig mehrere Stunden am Tag - mit einem Instrument, das am Anfang grausam, intensiv, hart und unverständlich ist. Es ist völliger Irrsinn, zu glauben, dass es etwas wie ein Wunderkind gibt. Es gibt sicherlich Talent - ob man ein Gefühl für die Musik hat, sich Sachen schnell merken und phrasieren kann. Das kann man nicht lernen. Aber kein Kind übt freiwillig -zumindest nicht über die erforderlich lange Zeit, denn dafür ist die Kindheit nicht konzipiert. Da ist man schnell gelangweilt und will auch mal rausgehen. Das ist schon etwas, dass ich selbst erlebt habe und sehr gut nachvollziehen kann. Das gab mir auch noch eine ganz andere emotionale Verbindung zu Paganini, der das aber wahrscheinlich noch viel extremer erlebt hat.

Können Sie heute für diesen Drill dankbar sein?
Drill würde ich jetzt nicht sagen, denn das hört sich dramatischer an als es war. Aber ja, natürlich. Ich würde es nicht noch einmal durchleben wollen, aber ich würde die Vergangenheit auch nicht ändern wollen. Denn die Vergangenheit ist Teil der Zukunft und besonders der Gegenwart. Und die Gegenwart ist für mich sehr, sehr angenehm. Ich kann durch diese Vergangenheit die Gegenwart sehr gut gestalten. Insofern wäre es schade, Ressentiments zu haben.

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