Das Weltendrama hat die richtige Betriebstemperatur erreicht

Ein überragendes Wälsungen-Paar: Peter Seiffert als Siegmund und die Wiener Rollen-Debütantin Gun-Brit Barkmin als Sieglinde
Halbzeit bei Wagners "Ring des Nibelungen" am Ring. Zeit für eine Zwischenbilanz.

Es ist wieder so weit. Es wird wieder getaucht, geraubt, geschmiedet, geliebt und gemordet – bis hin zum finalen Weltenbrand. Zwei Spielserien von Richard Wagners Tetralogie "Der Ring des Nibelungen" bietet die Wiener Staatsoper zum Saisonfinale ihrem Publikum. In großteils identer Besetzung und mit ein und demselben Dirigenten. Und nach "Rheingold" sowie der "Walküre" lässt sich sagen: Dieser "Ring" nimmt immer mehr an Fahrt auf.

Das liegt auch an Dirigent Jeffrey Tate, der nach einem eher durchwachsenen "Rheingold" in der "Walküre" auch die Lust am Gestalten entdeckt. Hatte Tate den "Vorabend" des Bühnenfestspiels noch ziemlich bieder und ohne nennenswerte Höhepunkte exekutiert, so sind Dirigent und Orchester in der "Walküre" auf echter Wagner-Betriebstemperatur angekommen. Und das bedeutet: Wagner klingt!

Pure Emotionen

Denn Tate und das hinreißende (ein paar Unsauberkeiten der Bläser seien verziehen) Orchester lassen hier auch das Rauschhafte, das emotional oft Überbordende in Wagners Musik zu.

Der 1. Akt (Siegmund trifft auf Sieglinde, das Wälsungen-Paar wird eins) ist bei Tate noch ein intimes Kammerspiel der unterdrückten Emotionen.

Ab dem 2. Akt (Streit zwischen Wotan und Fricka, abschließender Kampftod Siegmunds) aber schöpfen Dirigent und Orchester aus dem Vollen. Wotans Abschied vom Kind (Brünnhilde) im 3. Akt wird zum berührenden Endspiel einer missglückten Familienzusammenführung.

Man darf sich orchestral bereits auf "Siegfried" (5. 6,) und "Götterdämmerung" (8. 6.) freuen.

Pure Freude vermitteln meist auch die Sänger. Etwa Peter Seiffert als überragender Siegmund. Seiffert singt etwa die "Winterstürme" wie ein Lied von Schubert, beeindruckt mit mächtigen "Wälse"-Rufen und erringt auch das Schwert Notung wie nur ganz wenige Heldentenöre der Gegenwart. Großartig.

Pure Freude

Beeindruckend aber auch die Wiener Rollen-Debütantin Gun-Brit Barkmin als intensive, wortdeutliche, darstellerisch fabelhafte Sieglinde. Barkmins Stimme ist allen Herausforderungen der Partie gewachsen, und die Sopranistin singt ihre Sieglinde auch noch extrem schön.

Gleiches gilt für Ain Anger, der als Hunding vokal eine Klasse für sich ist, der einen mächtigen Gegenspieler zu Siegmund gibt. Schade, dass dieses Trio stückgemäß der Bühnentod bereits ereilt hat. Und schade auch, dass Elisabeth Kulmans "Ring"-Mission schon zu Ende ist, denn eine bessere Fricka wird man dieser Tage wohl kaum finden. Kulman ist eine grandiose Gestalterin, stets klar und wortdeutlich – man versteht, wer in der Beziehung Wotan/Fricka die Hosen anhat.

Doch auch Tomasz Konieczny fühlt sich als Wotan in der "Walküre" hörbar wohler denn im "Rheingold". Konieczny teilt sich seine Kräfte gut ein, verabschiedet Brünnhilde mit zärtlicher Trauer in der Stimme. Den Gottvater kehrt er dennoch stimmlich machtvoll hervor. Ähnliches gilt für Linda Watson, Ersatz für die erkrankte Nina Stemme als Brünnhilde. Watson bringt ihre jahrelange Routine souverän ein, gestaltet die anspruchsvolle Partie der Walküre dennoch sehr differenziert und klug. Das kann man von den übrigen Walküren (ein vokal ziemlich wilder Ritt!) nicht ganz behaupten.

Egal, der "Ring" am Ring läuft gut und macht nicht nur Wagnerianer glücklich.

KURIER-Wertung:

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