"Das war wie eine starke Droge"
Noch bevor Stephen Frears seinen mit Spannung erwarteten Film "Florence Foster Jenkins" vorstellt, in dem Meryl Streep die ebenso mutige wie talentfreie US-Sängerin spielt, kommt eine französische Verarbeitung dieses dankbaren Filmstoffes ins Kino: Regisseur Xavier Giannoli hat die Handlung seines Films "Marguerite" (derzeit im Kino), der vom wahren Leben der Foster Jenkins (1868– 1944) inspiriert ist, ins Paris der Zwanzigerjahre verlegt.
Giannoli spiegelt am Beispiel der Möchtegern-Operndiva – die bei ihren berühmt-berüchtigten Gesangsauftritten weder Rhythmus noch Töne der von ihr interpretierten Kompositionen trifft – die existenzielle Bedeutung von Lebensträumen wider und verbindet wirkungsvoll Witz und Weisheit.
Im Zentrum der Geschichte steht die Millionärin Marguerite (Catherine Frot). Trotz ihrer unerträglich schrillen Töne schmeicheln ihr alle – auch ihr eigener Gatte. Als sie ihre Anhängerschar über den Kreis der Speichellecker hinaus erweitern will, zerbricht das Gespinst aus Selbstbewusstsein und Selbstbetrug.
Angesichts der schrägen stimmlichen Emissionen dieser selbst ernannten "Königin der Nacht" (armer Mozart!), die Catherine Frot mit seelenvoller Hingabe spielt, vergeht einem manchmal das Lachen in diesem sonst recht amüsanten Film.
KURIER: In der Schauspielerei – und letztlich auch in der Politik – ist immer wieder davon die Rede, dass man sich vor falschen Tönen schützen muss. Sie spielen eine Rolle, bei der man auf falsche Töne gar nicht verzichten kann. Wie war das?
Catherine Frot: Falsche Töne sind tatsächlich das Schlimmste! Als Schauspielerin muss man dafür ein feines Gehör entwickeln und daher gehören die falschen Töne unserer Politiker beinahe schon zur alltäglichen Beleidigung für meine Ohren. Aber zurück zu Marguerite. Beim Einstudieren dieser Rolle ist mir klar geworden, dass falsches Singen eine Massenvernichtungswaffe sein kann – vor allem für das Trommelfell.
Wie kann man sich auf so eine Rolle vorbereiten?
Ich habe mich dabei an eine Anekdote aus meiner Kindheit erinnert. Bei Familienausflügen liebte es mein Vater, während der Autofahrt zu trällern. Er hat mit seinem Gesang die Chansons von Gilbert Bécaud, Boby Lapointe oder Jaques Brel regelrecht geschlachtet. Meine Mutter hat sich darüber immer fürchterlich geärgert.
Und wie haben Sie sich gefühlt bei der "Schlachtung" von Mozarts Arie der Königin der Nacht?
Ich bin keine Sängerin, und daher dachte ich zuerst, falsche Töne zu schmettern wäre ein Leichtes für mich. Aber zu singen wie das Kreischen einer Kreide auf einer Tafel ist fast schon wieder eine Kunst! Ich musste diese Töne mit einem Stimmen-Coach erarbeiten. Außerdem musste ich mir dabei vor Augen halten, dass sich Marguerite – wie Foster Jenkins, nach deren Vorbild sie entstanden ist – für eine echte Sängerin hielt. Ich durfte sie also nicht als Karikatur anlegen. Es war notwendig, dass ich durch meine Stimme auch die ganze Inbrunst ihres Charakters durchklingen ließ, denn sie war zwar nicht die Opernsängerin, die sie gerne gewesen wäre, aber trotzdem eine erstaunliche Künstlerin.
Als prominente Schauspielerin sind Sie sicher auch oft von Schaulustigen umgeben, die es nicht nur gut mit Ihnen meinen. Wie gehen Sie damit um?
Die Heuchler, die Marguerite schmeicheln und so tun, als würden sie ihren Gesang genießen, sind armselig. Aber wahrscheinlich kennt jede Künstlerin und jeder Künstler die Schwierigkeit, auch aus Komplimenten die falschen Töne herauszuhören. Es ist nicht leicht, als Künstlerin erfolgreich zu sein, und man sieht daher gerne in der eigenen Berühmtheit so etwas wie eine Belohnung, aber oft wissen wir nicht mehr, wem wir vertrauen können.
Man nennt Hollywood eine "Traumfabrik". Das klingt, als würde es in Filmen gar keine richtigen Töne geben. Ist das Theater für Sie wahrhaftiger?
Jeder, der schon einmal die eigene Stimme vom Tonband gehört hat, weiß, dass sie fremd und anders klingt. Aber sind deshalb die in Bild und Ton festgehaltenen Emotionen weniger echt? Ich kann das schwer beurteilen, weil ich mir ungern selbst im Kino beim Spielen zuschaue.
Das Wichtigste ist für mich immer, glaubwürdig zu sein. Dass man eins wird mit seinem Charakter und ihn auf das Wesentliche reduziert. Ich glaube, dass mir das auf der Bühne besser gelingt als vor einer Kamera.
Es ist immer schön, ein Leben außerhalb des eigenen zu erfinden. Eine Rolle wie die von Marguerite zu spielen, eine Frau, die keine Angst vor der Lächerlichkeit hat, das war wie eine starke Droge.
Text: Gabriele Flossmann
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