Auch eine fade Ehe kann als Thriller enden

Diesmal kein Dramolett:Antonio Fians zweiter Roman
"Das Polykrates-Syndrom": Antonio Fians neuer Roman ist ein schräger Slasher aus Favoriten – inklusive Massaker in der Badewanne.

Antonio Fian präsentiert sich in seinem neuen Roman als amerikanischster aller österreichischen Autoren.

"Das Polykrates-Syndrom" hat Witz und reichlich Sex and Crime. Es beginnt als fade Ehe und endet als Thriller im grauen, vorweihnachtlichen Wien. Zwischen Donauinsel, Favoriten und Uni-Gegend; in grindigen Nachkriegshäusern und in tristen Altbauten mit Klo am Gang. Gesoffen wird reichlich: Bier und Tequila. Erfrischend.

Bekannt wurde Fian vor allem durch seine "Dramolette". Die kurze Form mit schlagfertigen Dialogen und grotesken Höhepunkten beherrscht er gut , und er hat ein feines Gefühl für Timing; das merkt man auch dieser blutrünstigen Geschichte an.

Rechthaberisch

In Fians zweitem Roman (nach "Schratt", 1992) schreitet Ich-Erzähler Artur zielstrebig von einem Unglück zum anderen. Er lässt nichts aus, es ist kaum mitanzuschauen. Der sympathische Un-Ehrgeizler mit der rechthaberischen Gattin (Schuldirektorin) arbeitet, obwohl Akademiker, in einem Copy-Shop und schreibt Sketche, die er dem Fernsehen schicken möchte. Wir befinden uns in einer Zeit, in der es noch den Schilling gibt und die Erinnerung an den Lainzer Pflege-Skandal wach ist. Vielleicht entwickelt Arturs Mutter deshalb im Heim eine Paranoia vor den Schwestern. Die zänkische Ex-Lehrerin (psychologisch ergiebig: selber Beruf wie Arturs Gattin!) wird möglicherweise recht behalten, doch ihre Geschichte ist in kriminaltechnischer Nebenschauplatz.

Dass mit der hübschen Alice einiges nicht stimmt, weiß man als Leser, sobald sie Arturs Copy-Shop betritt. Man möchte ihn warnen, doch er gehört zu den Menschen, die sehenden Auges ins Unglück taumeln.

Auch eine fade Ehe kann als Thriller enden

Artur hält sich für ein Opfer des "Polykrates-Syndroms": Polykrates war ein griechischer Herrscher, dem alles gelang und der grausam dafür bestraft wurde. "Als Polykrates-Kranker hat man dieses Schicksal immer im Kopf, man fürchtet, zu viel Glück zu haben und irgendwann dafür bestraft zu werden, darum bemüht man sich ständig, Opfer zu bringen."

Dass Artur nicht rasend viel Glück hat, sieht letztlich jeder außer ihm. Er glaubt weiterhin, dass er Opfer bringen muss. Seine komische Krankengeschichte wird zunehmend plakativ. Höhepunkt ist ein Massaker in der Badewanne. Danach ist man froh, dass es draußen Minusgrade hat, damit das Fleisch nicht stinkt, wenn über Weihnachten die Koloniakübel nicht geleert werden.

Von Fians gewohnt feiner Klinge ist am Ende nicht viel übrig. "Das Polykrates-Syndrom" bleibt aber eine wunderbare, unterhaltsame Satire.

KURIER-Wertung:

INFO: Antonio Fian: „Das Polykrates-Syndrom“ DroschlVerlag. 238 Seiten.14,99 Euro.

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