Das ORF-Gesetz und die Regierung: Die Chaos-Debatte

Smarte Miene zum bösen Spiel: Medienminister Gernot Blümel
Die FPÖ brüskiert die ÖVP einmal mehr. Die schaut weg und will das nötige öffentliche Kapital nicht verspielen.

Es hätte ein beschaulicher Frühling werden können: Medienminister Gernot Blümel ( ÖVP) hat in der Vorwoche das Datum der Medienenquete bekannt gegeben, in der Experten über die Zukunft von ORF & Co. debattieren würden. Die Querschüsse von FPÖ-Seite („Gebühren abschaffen!“) sollten vergessen sein und die Debatte auf Null gesetzt werden.

Der Burgfriede dauerte keine zwei Tage: Ausgerechnet aus dem eher moderat auftretenden blauen Stiftungsrat Norbert Steger brach es heraus, man müsse unbotmäßige Korrespondenten „streichen“, und er beklagte die Ungarn-Berichterstattung von Reporter Ernst Gelegs. Ein ungekannter Vorgang in der Geschichte des ORF – das Medienecho hallte prompt international zurück. Wenn Steger es auf schlechte Presse für sich und seine Partei angelegt haben sollte, er hat sein Ziel erreicht.

Letztes Kapital

Hier wird es abermals knifflig für die ÖVP, die versucht, möglichst nicht in die Nähe von Antidemokraten wie Viktor Orbán zu rücken – schon gar nicht in medienpolitischen Fragen. Einmal mehr muss Blümel smarte Miene zum bösen Spiel machen, ohne das letzte (notwendige) öffentliche Kapital für eine Reform des Unternehmens zu verlieren. Er wolle weiterhin „einen echten medienpolitischen Diskurs“, erklärte der Minister: „Dazu wäre ein Zurückfahren der Emotionen und der Aufgeregtheit auf allen Seiten dienlich.“

Inhaltlich ging er nicht auf die Steger-Sager ein: „Ich beteilige mich nicht an aufgeladenen Diskussionen, die am Sinn der Debatte vorbeiführen.“ Allein: Die Debatte hat sich spätestens jetzt verselbstständigt. Steger soll im Mai zum Vorsitzenden des ORF-Stiftungsrates gewählt werden, was angesichts seiner Haudrauf-Rhetorik zumindest hinterfragenswert scheint. Die ÖVP-Stiftungsräte (und damit die ÖVP) müssten ihn trotz dieser abenteuerlichen Angriffe auf Journalisten des Hauses mittragen. Der Kärntner Stiftungsrat Siggi Neuschitzer hat bereits angekündigt, Steger nicht zu wählen. Wie hält es die ÖVP? Geht der Koalitionsfriede vor – oder das Ansehen des obersten ORF-Gremiums?

Überspannt

Dazu muss man wissen, dass der Stiftungsrat in Angelegenheiten des Journalismus formal nichts mitzureden hat. Steger hat also nicht nur rhetorisch den Bogen überspannt, sondern auch seine Kompetenzen überschritten. Mit solchen Proponenten soll der ORF glaubwürdig reformiert werden? Einer aufgeklärten Öffentlichkeit wird Angst und Bange bei dem Gedanken, was bei einer Gesetzgebung herauskommen könnte, die von Funktionsträgern gestaltet wird, die sich am Beispiel Orbáns orientieren.

Die FPÖ sorgt dafür, dass jede Debatte über eine ORF-Reform geprägt ist von der Angst, kritischer Journalismus werde unterdrückt und missliebige Berichterstatter würden vom Schirm verschwinden. Sollte es stimmen, dass die FPÖ auf den ORF so schlecht zu sprechen ist, weil der sich an die ÖVP hält: Mit Haudrauf zementiert man die Verhältnisse eher ein.

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