"Das Hirnkastl darf man nicht ausschalten"

"Das Hirnkastl darf man nicht ausschalten"
In der Komödie "Sommer in Orange" stellt eine Sekten-WG ein ganzes Dorf auf den Kopf. Regisseur Marcus H. Rosenmüller im KURIER.at-Interview.

Ein Culture-Clash-Erlebnis der speziellen Art läuft derzeit in den Kinos: Im Jahr 1980 kommt die Erleuchtung in einem orangen VW-Bus nach Bayern. Eine von der Bhagwan-Sekte bewegte Kommune zieht von Berlin-Kreuzberg aus in das kleine Dorf Talbichl. Orangefarbene, indische Kleider treffen auf alpine Lederhosen.

In dieser Situation wird die 12-jährige Lili (Amber Bongard) vor die Wahl gestellt: Urschrei-Therapie und Vollkornschrot oder Schützenverein und Schweinshaxe. Ihre Mutter Amrita (Petra Schmidt-Schaller) jagt nur noch der Erleuchtung und einem Guru nach und stößt damit nicht nur ihren Lebensabschnittspartner Siddharta (Georg Friedrich) vor den Kopf, sondern übersieht dabei auch die Bedürfnisse ihrer Tochter.

Regisseur Marcus H. Rosenmüller sagt im KURIER.at-Interview über seinen neuen Film:
"Es geht zwar offensichtlich um diesen Culture Clash, den man schön im Bayern der 80er einordnen kann, es geht aber auch um den inneren Kampf, was der richtige Weg ist. Welche Regeln sind gut für mich? Wie schaut's aus mit der eigenen Identität?" Denn: Lili entdeckt die konservativ-katholische Welt für sich und weiß nicht mehr, wo sie hingehört: "Om" oder Amen?

Rosenmüller: "Man hat hier die scheinbar freiheitlich Denkenden und dort die scheinbar Spießigen. Ich bin aber der Meinung, dass bei beiden ähnliche Probleme da sind. Auch spießige Leute beschäftigen sich mit Esoterik. Diese Sehnsüchte und Gelüste treten immer wieder in Konfrontation mit der konservativen Haltung."

Überraschungs-Hit

"Das Hirnkastl darf man nicht ausschalten"

Mit seinem Debütfilm "Wer früher stirbt, ist länger tot" lieferte Rosenmüller 2006 einen Überraschungs-Hit. 1,8 Million Besucher konnte die Lausbubengeschichte in die deutschen Kinos locken. "Sommer in Orange" wird ebenfalls aus der Sicht eines Kindes erzählt. "Der naive Blick auf die großen Fragen im Leben" gefällt Rosenmüller. Ebenso märchenhafte Elemente: "Ich mag Überhöhungen. Als Kind hat man einen ganz realistischen Blick auf Erscheinungen oder Geister."

Die beiden im Film gezeigten Welten hat der Regisseur selbst erlebt. Marcus H. Rosenmüller, bei dem der Buchstabe "H." für seinen Heimatort Hausham steht, wuchs im Bayern der Achtziger Jahre auf. "Da gab es teilweise schon sehr konservative Ansichten, man hat aber auch herausgehört, dass sich die Frauen nicht mehr alles gefallen haben lassen. Es gab da schon so eine gewisse Aufbruchstimmung. Das habe ich auch versucht, in der Person der Bürgermeistersfrau zu zeigen, die ihrem Mann dann wirklich die Leviten liest."

Andererseits hat der Bayer auch mehrere Jahre in einer WG gewohnt und alternative Lebenskonzepte kennen gelernt. Rosenmüller: "Wir haben uns als Freie und Liberale begriffen, und dennoch gab es da auch spießige Aspekte, wenn sich zum Beispiel jemand aufgeregt hat, dass nicht abgespült worden ist". Das scheinbar lockerere Zusammenleben führe auch zu Konflikten: "Man grenzt sich ab vom "normalen" Familienbild, merkt aber, dass es ohne gewisse Regeln einfach nicht geht. Dann ist man irgendwann auch wieder bei den Spießern angelangt."

Vor etwa zehn Jahren hat Rosenmüller dann auch in die Welt fernöstlicher Heilslehren geschnuppt. Er hatte ein Stipendium im indischen Pune, wo er an der Abschlussarbeit seiner Filmschule arbeitete. Dort war er auch beim Ashram der Baghwan-Bewegung und befasste sich mit der Lehre Oshos und den Sannyasins. Eher zufällig sei dann Drehbuchautorin Ursula Gruber acht Jahre später mit einer Geschichte zu genau diesem Thema zu ihm gekommen.

Guru mit den Rolls Royces

"Das Hirnkastl darf man nicht ausschalten"

"Sommer in Orange" entführt nicht nur in das noch gar nicht lässige Bayern der Achtziger, sondern auch in die Welt des Gurus Osho, der mit seiner riesigen Sammlung an Rolls Royces weltweit bekannt wurde. Ein Aspekt dieser Bewegung, den Rosenmüller kritisch sieht. Als positiv empfindet er dafür die Grundhaltung, einfach einmal nach neuen Wegen zu suchen, die Regeln, die einen umgeben, zu hinterfragen. "Auch wenn man dann später doch wieder in die Gesellschaft zurückkehren sollte, kann man doch sagen, man hat zumindest einmal diesen Ausbruch gewagt."

Im Film taucht der 1990 verstorbene Oberguru als Geistwesen auf. Der in seinem Leben sehr widersprüchliche Bhagwan (später Osho) werde im Film letztlich so gezeichnet, "dass er konkret keinen Weg zeigen kann", meint Rosenmüller "Es gibt aber bei ihm große Unterschiede zwischen der Phase in Pune und der Schlussphase in Oregon. Der hat schon auch Humor gehabt. Teilweise hat er auch gute Sachen gesagt, das ist aber immer das Gefährliche. Es nützt nichts, sich einen Leithammel zu suchen, man muss sein eigener sein. Sein Hirnkastl darf man nicht ausschalten."

Moderner Heimatfilm

"Das Hirnkastl darf man nicht ausschalten"

Für die Behandlung dieser Fragen hat sich Marcus H. Rosenmüller wieder einmal das Genre "moderner Heimatfilm" ausgesucht, das ihm gerne zugeschrieben wird. Mit dem Begriff geht er völlig unverkrampft um: "Mir geht es da immer um die Thematik, ich hab' da keinen schwelgerischen Heimatbegriff. Ich finde einfach, dass der Dialekt diese Sachen mehr erdet, authentischer und anschaulicher macht". Er sei groß geworden mit bayerischen Serien wie dem "Monaco Franze" oder mit österreichischen Komödien wie "Indien", "Hinterholz 8" oder "Muttertag". "Das haben wir auswendig gekonnt", meint Rosenmüller und befindet: "Man verzeiht diesem Humor einfach mehr - auch wenn's mal derber wird, hat das trotzdem einen Charme, der das noch umhüllt. Die Thematik in meinen Filmen ist für mich immer etwas Größeres, das hat nichts Regionales, sondern was Globales."

'Verliebt' scheint der Regisseur auch in jene österreichischen Schauspieler, mit denen er bisher zusammenarbeitete - Fritz Karl in "Wer stirbt, ..." oder Georg Friedrich (seine Rolle in "Sommer in Orange" wurde speziell auf ihn hingeschrieben): "Es ist jedesmal ein Riesenspaß. Die haben eine wahnsinnige Spielwut und Spiellust."

In seinem nächsten Film "Schikaneder" (ab Dezember) sind gleich sechs Österreicher am Werk darunter Nicholas Ofczarek, Florian Teichtmeister, Erwin Steinhauer und Simon Schwarz.

Großen Spaß habe auch der Dreh zu "Sommer in Orange" gemacht. Das übliche "Kommunengefühl" sei hier noch stärker vorhanden gewesen als sonst: "Hier ist wirklich so etwas wie eine WG entstanden. Da haben auch manche tatsächlich kein Fleisch gegessen oder bei dynamischer Meditation mitgemacht."

Mit Freuden mitgemacht habe auch die Bevölkerung am Drehort - nach etwas Überzeugungsarbeit letztlich sogar der örtliche Trachtenverein. Bayern sei heute auf alle Fälle wesentlich lässiger als noch zu Franz Josef Strauß' Zeiten. Rosenmüller abschließend: "Wenn man sich heute diesen Film mit einem CSU-Bürgermeister anschaut, meint der vielleicht: 'Ich wäre auch zu den Sannyasin gegangen'. Es ist nicht mehr alles so Schwarz-Weiß - auch durch die Globalisierung. Heute kann man in eine Therapie gehen, ohne gleich als Depp angesehen zu werden, und: Im Dorf geht heute auch jeder zum Yoga."

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