Von der Satire zur Académie

Der aus Haiti stammende Dany Laferrière, 60, ist in Québec ein Literatur-Star 60
Endlich lernt Europa den Autor Dany Laferrière kennen.

Beinahe dreißig Jahre hat es gedauert, bis Dany Laferrière in Europa wahrgenommen wurde. Jetzt scheint der aus Haiti stammende Frankokanadier angekommen. Im Juli wird der 60-jährige Schriftsteller für seinen Roman "Das Rätsel der Rückkehr" mit dem Internationalen Literaturpreis in Berlin ausgezeichnet.

Der Roman, sein erstes auf Deutsch erschienenes Buch, schildert, ausgelöst durch den Tod des Vaters, in Rückblicken die Ankunft des aus Port-au-Prince stammenden Autors in Montréal, 1976. "Ich war dreiundzwanzig und ließ gerade mein Land zurück." Ein vergilbtes Foto hat er noch von damals, kurz vor der Abreise. Darauf ist seine Mutter zu sehen, die bedrückt wirkt und schon ahnt, dass sie ihren Sohn jahrzehntelang nicht wiedersehen wird. Als junger Journalist fürchtet er die Verfolgung durch Diktator Duvalier.

Der Rückblick auf Laferrières erste Bekanntschaft mit der eiskalten, verschneiten Stadt Montréal verschmilzt mit Erinnerungen an den Vater, der ebenfalls einst die Heimat Haiti verlassen hatte. Die Nachricht von dessen Tod lässt Dany ins Haiti von heute zurückkehren.

Von der Satire zur Académie
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Der Ich-Erzähler macht sich in Prosagedichten und Kurztexten Gedanken über Rückkehr und die Bedeutung von Heimat: eine sehr persönliche Mischung aus Autobiografie und Reisetagebuch.

Laferrière ist in Québec ein Star. Sein 1985 erschienener, erster Roman "Comment faire l’amour avec un negre sans se fatiguer" (Übersetzt: "Die Kunst mit einem Schwarzen (wörtlich: ,Neger’) zu schlafen ohne müde zu werden", nicht auf Deutsch erhältlich), eine böse Stereotypen-Satire, wurde 1989 verfilmt. Laferrière hat seither viele Romane veröffentlicht und wurde mehrfach ausgezeichnet.

In Frankreich hat man Laferrière erst vor Kurzem entdeckt – und wollte ihn gleich eingemeinden. Vergangenes Jahr wurde er als erster Kanadier in die Académie française aufgenommen und musste in Interviews erklären, warum er nicht ganz nach Paris ziehen möchte.

Eine heikle Sache für die Frankokanadier, die es ihren Stars, die in Frankreich Karriere machen, nicht verzeihen, wenn diese plötzlich wie Franzosen klingen.

Für Laferrière ist die Identitätsfrage lebensbegleitend. "Ich biege um die Ecke in Montréal und ohne Übergang lande ich in Port au-Prince. Wie in gewissen jugendlichen Träumen, wo man eine andere küsst als jene, die man in seinen Armen hält", schreibt er und zitiert wenige Seiten später den Chansonnier Gilles Vigneault: "Mein Land ist kein Land, es ist der Winter."

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