Damals war ich widerständig

Mira Lobe (links) und Renate Welsh gehörten neben Christine Nöstlinger zu den engagiertesten Jugendbuchautorinnen der 1970er Jahre.
Die Erben der Mira Lobe – was von der engagierten Kinderliteratur der 1970er-Jahre übrig blieb.

Die Mira-Lobe-Austellung im Wien Museum (noch bis 1.3.2015) hat mehr als nostalgische Gefühle an das "Kleine Ich bin Ich" ausgelöst. Ein Rückblick auf diese Generation der engagierten Jugendbuchautoren und, vor allem, -autorinnen zeigt, wie wegweisend die Gruppe um Mira Lobe, Christine Nöstlinger, Renate Welsh, Ernst A. Ekker, Vera Ferra-Mikura, Lene Mayer-Skumanz, Friedl Hofbauer oder Käthe Recheis war: Gerechtigkeit, Gemeinsamkeit und Solidarität, aber auch das Bewusstsein für österreichische Sprache einten sie und waren Gegenpol zu Werken wie Franz Karl Ginzkeys kinderfressendem "Hatschi-Bratschi", der Kindern schon früh Angst vor "Ausländern" einimpfte.

Selbstbehauptung

Im Gegensatz dazu lehrten die Bücher von Christine Nöstlinger Widerständigkeit und Selbstbehauptung, jene von Renate Welsh und Mira Lobe soziales Gefühl: "Komm sagte die Katze!" – und zwar ausnahmslos zu allen Tieren, auch zu jenen, die von der Gemeinschaft nicht sofort akzeptiert werden. Das "Sprachbastelbuch" ermutigte junge Leser zu Wortspielereien und politisch geprägt wurden die Kinder der Siebziger durch Bücher wie Nöstlingers autobiografischen Roman "Maikäfer flieg" oder das nicht mehr erhältliche Erinnerungsbuch "Damals war ich vierzehn", in dem österreichische Autoren ihre Jugend im zweiten Weltkrieg beschrieben.

Initiiert wurde dieses wichtige Buch von Jugend&Volk-Verlagsleiter Helmut Leiter. Er war Teilnehmer jener Gruppe um Mira Lobe, die sich Anfang der Siebziger bei Käthe Recheis traf. "Bei ihr saßen wir nächtelang und erdachten unsere Projekte", erinnert sich die vielfach ausgezeichnete Autorin Renate Welsh (u.a. "Johanna" , rororo). "Es wurde viel geraucht und diskutiert. So entstand das ,Sprachbastelbuch‘: Am Ende wussten wir gar nicht mehr, von wem welcher Beitrag stammte. Das Spiel mit Sprache war auch politisch: Wenn meine Sprache, nicht nur die Hochsprache, legitimiert wird, dann kann ich die Welt verändern. Mira und ich konnten keinen Dialekt, haben uns aber dafür starkgemacht. Christine Nöstlinger hat uns oft ausgelacht", erinnert sich Welsh.

Ohne Zeigefinger

"Wir kamen aus verschiedenen politischen Richtungen, aber uns einte das Bedürfnis, Kinderliteratur zu machen, die Mut macht und sagt: Ihr dürft so sein, wie ihr seid. Emanzipatorisch und ohne Zeigefinger. Damals herrschte ja die Meinung vor, Kinderbücher müssen nicht unbedingt literarisch hochwertig sein. Wir sagten, sie muss umso mehr Literatur sein!"

Die von Welsh, Nöstlinger und Lobe gestaltete Lesefibel "Marillengasse" war Ende der 70er wegweisend: Hier gab es auch alleinerziehende Mütter statt nur Vater, Mutter, Kind. Gesellschaftspolitische Statements schon in der Volksschule. Die Jugendliteratur von heute ist dagegen stark von Feen, "Fantasy" und Marketingkonzepten geprägt.

Jugendbuchautor Franz S. Sklenitzka (u.a. "Sportfest der Tiere", Kral Verlag und "Steinzeitsaga", G&G) war damals noch Lehrer und das Küken in der Runde bei Recheis. "Das weltanschauliche Spektrum war weit gefächert, von ganz links bis katholisch-konservativ. Aber jeder nahm jeden ernst". Engagierte Buchhändler, aber auch Schulen und vor allem die Verlage hätten die Autoren unterstützt. Heute, sagt Sklenitzka, herrsche auf dem Buchmarkt Marketing statt Qualität.

Althasen

Ganz schwarz sollte man dennoch nicht sehen: Von"Althasen" wie dem vielfach ausgezeichneten Heinz Janisch (zuletzt wurde "Ich ging in Schuhen aus Gras" mit dem Schweizer Kinder- und Jugendmedienpreis prämiert, Verlag Atlantis) bis zu Newcomern wie Christian Sova und seinem engagierten Bilderbuch "Neiiin!" (Bibliothek der Provinz) bietet der österreichische Jugendbuchmarkt auch heute Lesenswertes.

Franz Lettner vom Institut für Kinder-und Jugendliteratur nennt etwa Michael Roher, der ihn mit "Oma, Huhn und Kümmelfritz" (Österreichischer Kinder- und Jugendbuchpreis 2013, Verlag Jungbrunnen) an Mira Lobe oder Friedl Hofbauer erinnert. "Der Text tönt freundlich, sprachbewusst, kreativ, leicht und sehr österreichisch." Lobend erwähnt er auch Rosemarie Eichinger mit "Essen Tote Erdbeerkuchen" (Jungbrunnen), Saskia Hula mit "Die beste Bande der Welt", (Residenz) und Sarah Orlovsky mit "Tomaten mögen keinen Regen" (Domverlag).

Aus der Erwachsenenliteratur bekannt ist Michael Stavarič, der 2012 mit dem Österreichischen Staatspreis für Kinder- und Jugendliteratur für "Hier gibt es Löwen" (Residenz) ausgezeichnet wurde. Im Jänner folgt "Mathilda will zu den Sternen" (Nord Süd). Und Rachel van Kooij hat mit ihrem vielfach ausgezeichneten Jugendbuch "Die andere Anna" (Jungbrunnen) ein einfühlsames Buch über Schicksalsschläge und Jugendämter geschrieben – ganz in der Tradition der politisch Engagierten von damals.

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