Daheim in der Welt von gestern

Stefan Zweig auf seiner ersten Brasilienreise 1936. Hier nahm er sich 1942 das Leben.
Stefan Zweigs Abschied aus Europa steht im Zentrum einer Ausstellung im Theatermuseum.

"Ich habe die stärkste Abneigung, Emigrant zu werden, (...) denn ich weiß, dass alles Emigrantentum gefährlich ist, man macht dadurch die Zurückgebliebenen zu Geiseln und erschwert ihnen das Leben", schrieb Stefan Zweig 1933 an den belgischen Maler Frans Masereel.

Doch das Emigrantentum blieb ihm nicht erspart. 1934, ein Jahr nach Hitlers Machtergreifung in Deutschland, verließ der Schriftsteller seine Heimat Salzburg zunächst Richtung England. 1940 ließ Zweig Europa endgültig hinter sich. Die acht Jahre bis zu seinem Tod lebte er abwechselnd in den USA und in Brasilien. Und das Heimweh nach der "Welt von Gestern" wurde zu seinem ständigen Begleiter.

Aufbruch ins Exil

Daheim in der Welt von gestern
Erstausgabe welt von gestern Braslilianisch
Der Aufbruch ins Exil steht im Zentrum der Ausstellung "Stefan Zweig. Abschied von Europa" im Theatermuseum. Seine letzten, zugleich vielleicht wichtigsten Werke, die "Schachnovelle" sowie die Autobiografie "Die Welt von Gestern", sind das Leitmotiv der Ausstellung und geben den Handlungsfaden vor.

Kuratiert wurde die überaus sehenswerte Schau vom Literaturwissenschaftler Klemens Renoldner, der auch das Buch zur Ausstellung herausgegeben hat ("Stefan Zweig. Abschied von Europa". Brandstätter, 29,90 €, 304 S.). Gestaltet hat sie Peter Karlhuber: Er hat gekonnt einen Antagonismus geschaffen zwischen der großbürgerlichen Welt des fin de Siècle – symbolisiert von dicken roten Teppichen – und der beginnenden Emigration, wo Karlhofer ein ganzes Leben bildhaft in Kisten verpackt.

Sie stehen für das Thema Abschied, etwa von Zweigs sagenhafter Autografensammlung, die Texte von Thomas und Klaus Mann, Franz Kafka oder Roda Roda beinhaltete. Die Sammlung, die aufgelöst werden musste und als Geschenk ans Theatermuseum kam, wird hier erstmals gezeigt.

Eine weitere, echte Rarität, sind zwei Filme: Einer zeigt Stefan Zweig lachend und Hände küssend bei den Salzburger Festspielen, der zweite zeigt ihn in Moskau bei einer Gedenkveranstaltung zum 100. Geburtstag von Leo Tolstoi, zu der Zweig 1928 vom Schriftsteller Maxim Gorki geladen wurde: Der Russe liebte Zweig, er schrieb auch das Vorwort zur russischen Gesamtausgabe Zweigs.

Meine kleine Klugheit

Daheim in der Welt von gestern
Und dann sind da die Schreckensbilder dieser Schau, die mit einem symbolhaften Bild des Abschieds beginnt: Mit dem Passagierschiff Scythia verlassen Zweig und seine Frau am 25. Juni 1940 Europa. "Ich bin mit meiner kleinen Klugheit so wie von Österreich rechtzeitig von England fort, alles hinter mir lassend, was Besitz war, (...), schrieb er zwei Wochen später aus New York an den Lyriker Richard Beer-Hofmann.

Zweig war vor den politischen Verhältnissen geflüchtet, doch sie holten ihn ein. Wenn auch nur in Gedanken. Die "Schachnovelle", Zweigs einzige Erzählung, in der er zeitgenössische politische Verhältnisse Österreichs darstellt, brachte er einen Tag vor seinem Selbstmord zur Post. In dieser Erzählung hat er dem Faschismus ein Denkmal gesetzt: Das Herzstück ist das ehemalige Luxushotel Métropole am Morzinplatz, das 1938 zur Gestapo-Zentrale wurde, einem Ort grausamer Nazifolterungen. In Zweigs Novelle wird Protagonist B. hier in Einzelhaft gehalten und spielt, aus Flucht vor dem Wahnsinn, Schach gegen sich selbst. Eindrucksvoll hat man in der Ausstellung einen Raum als Schachbrett gestaltet. An den Wänden Gestapo-Mäntel, in der Mitte ein Nachbau des Hotels. Neben Ausschnitten aus der Verfilmung mit Curd Jürgens ist ein besonderes Zeitdokument zu hören: Die Stimme Bruno Kreiskys, der im Métropole von der Gestapo gefoltert wurde, weil man ihm, fälschlicherweise‚ zur Last gelegt hatte, am Aufbau des Kommunistischen Jugendverbandes mitgewirkt zu haben.

Kommentare