Schweizer Schlager mit Berliner Attitüde

Schweizer Schlager mit Berliner Attitüde
Dagobert kam aus den Schweizer Bergen, um das hippe Berlin zu erobern. Am Montag kommt er auch nach Wien.

Die Geschichte könnte einem seiner Songs entsprungen sein. Ein junges Naturtalent aus dem Schweizer Kanton Aargau findet eines Tages einige Musikinstrumente in dem Keller, in dem der Bursche zwei Jahre lang wohnt, versucht sich an einigen Songs und gewinnt prompt einen hochdotierten Musikpreis. Mit dem Geld macht er sich auf nach Berlin, um dort weiter Musik zu machen. Doch die Großstadt bekommt ihm nicht. Zu laut, zu viel Ablenkung. Also zieht er sich zurück in die Berge seiner Heimat, um sich auf seine Musik konzentrieren zu können. Aus den geplanten vier Wochen werden fünf Jahre. Fünf Jahre Einsamkeit in einem 25-Seelen-Dorf. Allein diese Geschichte wäre Stoff genug für einen Heimatfilm der Marke Hinterseer.

Sie geht aber weiter. Im April diesen Jahres veröffentlichte Dagobert Jäger, der Mann von dem hier die Rede ist, dann doch noch sein Debütalbum. Schlicht "Dagobert" sollte es heißen und die Fachpresse zu wahren Begeisterungsstürmen hinreißen - als hätte man nur darauf gewartet, dass sich endlich jemand mit Musikverstand über das Genre Schlager - inklusive Texten wie "Du bist meine Frau, ich will mit dir leben. Komm, wir machen für immer blau" traut. Solche Zeilen unterlegt Dagobert - ganz ernsthaft - mit Streichern und Synthie-Sounds. "Schlager für das Hipstervolk", befand die Süddeutsche Zeitung.

Am Montag kommt Dagobert nun ins Wiener Brut. Wir haben den Schweizer vorab zum Interview gebeten.

Machen Sie Schlager?

Ja, Schlager.

Okay. Gut, dass wir das geklärt haben. In einer deutschen Musikzeitschrift stand, Sie würden eine Art "mittelalterlichen Minnegesang" machen. Können Sie auch dem etwas abgewinnen?

Ja. Ich singe ja diese Liebeslieder für diese Frau - das hat man ja damals auch so gemacht. Man ist von Haus zu Haus gelaufen und hat unter den Fenstern irgendwelchen Frauen etwas Nettes gesungen.

Handeln Ihre Texte immer von der gleichen Frau?

Auf dem ersten Album schon. Auf dem nächsten Album werden dann noch mehr dazukommen (lacht).

Sie haben fünf Jahre in einem 25-Seelen-Dorf in den Schweizer Bergen verbracht. Auf einer uralten Hütte. Wie hält man es da so lange aus?

Das war ja nicht so geplant. Ich bin da hochgezogen, weil ich einfach meine Musik in Ruhe aufnehmen wollte. Das war anfangs auch schön. Ich habe dann aber bald mal gemerkt, dass es für mich eigentlich keine wirklichen Alternativen gibt. Ich habe nicht mit dem Gedanken gespielt, meine Musik zu veröffentlichen. Ich hätte auch nicht gedacht, dass ich damit eine Chance gehabt hätte. Und ich wollte mich auch nicht anders sozialisieren, mit Job oder so. Deshalb habe ich den Absprung von dort auch lange nicht geschafft. Ich wusste einfach nicht, was ich sonst tun soll.

Und was führte dann dazu, dass Sie Ihre Musik veröffentlicht haben und damit auch erfolgreich geworden sind?

Also der Erfolg ist sehr relativ, bescheiden eigentlich. Im Endeffekt war es jahrelange Vorbereitung. Mich haben viele Plattenlabels kontaktiert, wollten was mit mir machen. Ich war dann mit vielen verschiedenen Produzenten im Studio und habe mit ihnen an meinem Material gearbeitet. Und das hat über Jahre hinweg nicht funktioniert, bis ich dann irgendwann die richtigen Leute gefunden hatte, mit denen ich mich auch einlassen konnte und aus denen ich dann so eine Art Team geformt habe, das mich jetzt sozusagen betreut.

Sie sprechen von Markus Ganter (der unter anderem auch Casper produzierte, Anm.) Wie kam es zu der Zusammenarbeit?

Schweizer Schlager mit Berliner Attitüde
Das war die Idee von Universal. Sie schickten mich nach Mannheim zum Ganter. Und das hat mir eigentlich so ein bisschen das Leben gerettet. Er ist echt der einzige Typ, der die Musik in meinem Sinn bearbeiten kann.

Und was wäre dieser Sinn? Was wäre deine Vorstellung, wie deine Musik klingen muss?

Ach. Also erstens will ich mich überhaupt nicht auf einen Sound festlegen. Ich werde auch beim nächsten Album alles sehr verändern. Und wie man das genau beschreiben soll, das ist die Aufgabe der Musikjournalisten (lacht).

Touché. In Interviews haben Sie die Scorpions und David Hasselhoff als Vorbilder genannt. Wie das?

Ich will ja nicht so sein wie die. Aber vor allem die Scorpions sind schon eine große Inspiration, weil ich mir das Zeug ja jeden Tag reinziehe und ich damit aufgewachsen bin. Und ein bisschen was von den Scorpions wird wohl inzwischen auch in meiner DNA sein.

Ist das Wort Schlager eigentlich vorbelastet?

Nein, warum? Es gibt ja auch guten Schlager. Also da habe ich kein Problem. Es gibt natürlich auch schlechten Schlager. Aber es gibt ja auch beschissene Rockmusik.

Das stimmt. Es ist nur immer die Frage, ob es von einer Sache mehr Schlechtes als Gutes gibt.

Es gibt immer mehr Schlechtes.

Die Süddeutsche Zeitung hat Sie als Schlagersänger für Hipster bezeichnet. Dazu gehört ja auch die Mode. Woher haben Sie Ihre Bühnenoutfits?

Die Frau von meinem Bruder, meine Schwägerin, ist Schneiderin und die näht meine Klamotten. Ich habe da gar keinen Einfluss.

Ist Dagobert eine Kunstfigur? Die Geschichte mit der Schwägerin, die Ihre Lederklamotten schneidert, die fünf Jahre Einsamkeit in den Schweizer Bergen. Das klingt fast erfunden.

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Nein, das hat sich wirklich alles so ergeben. Eine Kunstfigur wäre zum Beispiel dieser Alexander Marcus (Anm. nähere Infos dazu finden Sie hier), mit dem ich ja ständig verglichen werde. Und der hat sich ja wirklich ein Konzept zurechtgelegt, das er jetzt voll durchzieht. Das finde ich ja auch gut. Das kann man so machen. Bei mir ist das anders. Ich habe halt wirklich so eine Geschichte. Das passt zufälligerweise einfach so zusammen. Dass das für jemanden, der ein bisschen skeptisch ist, künstlich wirkt, verstehe ich. Und natürlich gehe ich auch auf Tour und mache Konzerte und stehe jeden Abend auf der Bühne. Und wenn man jeden Abend dieselben Songs singt, dann ist da natürlich auch ein Stück weit Show dabei. Ich bin eben Unterhalter. Ich denke der Unterschied ist gar nicht so wesentlich.

Sie kommen am 7. Oktober ins Wiener Brut. Kann man sich sein Publikum eigentlich aussuchen? Oder finden Sie auch oft Menschen im Publikum, wo Sie sich fragen, was die hier machen? Die vielleicht gar nicht verstehen, was Sie da machen, oder etwas anderes von Ihnen erwartet haben?

Nein, gar nicht. Also ich bin eigentlich immer froh, wenn überhaupt irgendjemand kommt. (lacht) Nein, also ich finde, meine Lieder sollten universell verständlich sein. Und bisher war das Publikum auch immer ziemlich gemischt, was mich sehr freut. Die Tatsache, dass ich mein erstes Album bei "Buback" (Anm.: Ein Szene-bekanntes Indie-Label aus Hamburg, bei dem unter anderem die Goldenen Zitronen unter Vertrag sind) herausgebracht habe, bringt natürlich viele Kulturleute mit – und weniger das traditionelle Schlagerpublikum.

Würden Sie eigentlich auch im Musikantenstadl auftreten?

Auf jeden Fall. Ich habe ja auch schon im Fernsehgarten gespielt. Das ist gar nicht so weit weg.

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