"Dad, du siehst so schrecklich aus"

"Dad, du siehst so schrecklich aus"
Ben Affleck. Der Hollywoodstar über seinen Politthriller „Argo“, Selbstfindung und störende Haare.

Ein grauer Oktobertag in London: Ben Affleck betritt mit federndem Schritt und imposanter Entourage ein Zimmer des Soho Hotels. Wie ein Spitzenmanager mit dichtem Zeitplan fackelt er nicht lange und fordert gleich den Beginn des Gesprächs ein. Ein Mann, der zu viel zu tun hat, um Zeit zu vergeuden. Mit dem grandiosen CIA-Thriller „Argo“ (Kinostart am Freitag) hat der einst als Anhängsel von Jennifer Lopez Verspottete einen potenziellen Oscarkandidaten geliefert.

KURIER: Mr. Affleck, sind Sie überrascht über den Erfolg Ihres Films?
Ben Affleck: Ja und nein. Ich habe noch nie so viel Recherche für ein Projekt betrieben wie in diesem Fall. Mein ganzes Herzblut habe ich hineingesteckt. Da „Argo“ auf wahren Begebenheiten basiert, habe ich alle Berichte von der Erstürmung der US-Botschaft im Iran aus den Siebzigern studiert. Ich war in der CIA-Zentrale in Langley und habe mit allen noch greifbaren Beteiligten Gespräche geführt. Und natürlich das Buch von Tony Mendez gelesen.

Tony Mendez war der CIA-Agent, der die abenteuerliche Befreiungsaktion der US-Geiseln in Teheran leitete und den Sie im Film verkörpern. War er einverstanden mit Ihrer Arbeit?
Das kann man so sagen. Tony hat mich bei der Entwicklung des Scripts unterstützt und war über weite Strecken mit mir am Set. Er hat sogar eine kleine Cameo-Rolle angenommen.

Wie viel politische Anspielung auf die heutige Situation im Iran steckt in „Argo“? Wie das damalige Mullah-Regime ist ja auch die heutige Führung in Teheran äußerst repressiv.
Aus meiner Sicht keine. Ich wollte einen Film drehen, der absolut glaubwürdig ist. Ich will niemandem sagen, wie wir uns gegenüber dem Iran verhalten sollen, sondern die Ereignisse von vor 30 Jahren so darstellen, dass die Menschen die Zusammenhänge verstehen. Deshalb habe ich auch die dokumentarischen Sequenzen eingebaut. Aber natürlich, wenn Diskussionen in Gang kommen, finde ich das gut.

Wenn man Sie so sieht in „Argo“, als besonnener und smarter Agent, scheinen Auftritte wie jener im Blockbuster „Armageddon“ fast surreal. Wie sehen Sie Ihre Entwicklung?
Ich weiß inzwischen, was bei mir funktioniert und was nicht. Etwa, dass mir die stillen, nicht Action-affinen Charaktere viel mehr liegen. Jetzt, mit 40, bin ich auch in der bequemen Lage, Rollen nicht mehr wegen des Geldes annehmen zu müssen. Ich gehe nach meinem Gefühl, was Drehbücher betrifft. Offenbar liege ich damit nicht ganz falsch.

Auch das Schönling-Image legen Sie mit „Argo“ endgültig ab, oder?
Ich bin ein verknautschter, voll auf die Sache konzentrierter Regierungsbeamter. Am schlimmsten war der Vollbart, den haben meine drei Kinder gehasst. Jeden Tag haben sie mich angeweint: Dad, mach das weg, das piekst so! Du siehst schrecklich aus.

Als Nächstes sind Sie in „To the Wonder“ von Regielegende Terrence Malick zu sehen. Wie war die Arbeit mit ihm?
Nun ja, Terry ist eine Art impressionistischer Filmemacher. Er verwendet kein Script. Er trägt Farbkleckse auf und entwickelt daraus erst ein Bild. Die Herausforderung für dich als Schauspieler ist: Wie spielst du Blau. Ich habe mich bemüht.

Nägelbeißen bis zum Ende – obwohl man sich denken kann, wie es ausgeht. Dass Ben Affleck ein derartiger Meister des Suspense ist, hätte man ihm gar nicht zugetraut. Wie eine Zitrone quetscht er die Spannung aus den historischen Ereignissen. Immer weitere Hindernisse baut er in seinen klugen Thriller ein, um die Flucht von sechs US-Geiseln aus Teheran zu verzögern.

Die verbürgte Geschichte, einen Pseudo-Film namens „Argo“ zu drehen und versteckte Amerikaner als Filmteam auszugeben, ist fast zu gut, um wahr zu sein. In jedem Fall ist sie grandios. Affleck beginnt mit Doku-Aufnahmen vom Sturm islamischer Revolutionäre auf die US-Botschaft, die er dann unaufgeregt in seine Spielfilmbilder einmünden lässt. Seine 70er-Jahre sind frei von Retro-Chic und Glamour – Affleck selbst versteckt sein Star-Gesicht uneitel hinter einem Vollbart. Hollywood wiederum wird in all seiner Grandiosität und Verblödung vorgeführt: John Goodman und Alan Arkin, zwei Veteranen des Showbiz, suhlen sich in ihren Rollen als abgefahrene Film-Produzenten, die den Fake-Film „Argo“ – ein Spin-off von „Krieg der Sterne“ – lancieren. Zuletzt tut sich „Argo“, der Film, ein bisschen schwer, ein Ende zu finden. Aber „Argo“, den Fake-Film, hätte man jedenfalls auch noch gern gesehen.

KURIER-Wertung: ***** von *****

Info: USA 2012. 120 Min. Von Ben Affleck. Mit Ben Affleck, John Goodman, Bryan Cranston, Alan Arkin.

Alexandra Seibel

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