"Curated By": Idole zum Selberbauen
Die Kunstszene gibt sich gern aufgeklärt und avantgardistisch, ist in Wahrheit aber ein ziemlicher Traditionsverein: Es gibt weiterhin „Meisterklassen“ an Akademien, kaum ein Kunstwerk, kaum eine Ausstellung kommt ohne Bezug auf historische Vorbilder aus.
Das Galerienfestival „Curated By“ rückt nun diese Traditionen in den Fokus. Wie in früheren Jahren bildete ein theoretischer Impuls den Ausgangspunkt für internationale Kuratorinnen und Kuratoren, die von 19 Galerien eingeladen wurden.
Heute erschöpft sich die Bezugnahme auf Vorbilder heute längst nicht mehr in der Verehrung oder bewussten Ablehung von Meister-Figuren, argumentiert der Kulturwissenschaftler Diedrich Diederichsen in seinem Impulstext „Meine Herkunft habe ich mir selbstausgedacht“: Künstler und Künstlerinnen würden sich heute eher selbst (Geistes-)Verwandte in vergangenen Zeiten oder entlegenen kulturellen Nischen suchen oder sich Ziele in einer utopisch gedachten Zukunft stecken.
Freaks und Stars
In der Galerie Crone nebenan hat Dirk Schönberger – Sammler und im „Brotberuf“ Kreativdirektor bei adidas – ein Jugendzimmer nachgebaut, in dem sich neben Posters und Plattencovers auch Werke renommierter Künstlerinnen und Künstler wie Andy Warhol oder Albert Oehlen finden: Das Zimmer voller Vor-Bilder, das von seinem Bewohner geformt wird ihn zugleich formt, ist hier ein gelungenes Sinnbild für Selbstfindung generell.
Die Spannweite der Verbindungslinien bei „Curated By“ beschränkt sich aber nicht nur auf globalisierte Popkultur: Eine tolle Schau in der Galerie Krobath spannt etwa die Abstraktion der pakistanischen Künstlerin Nasreen Mohamedi mit aktuellen Werken der Künstlerin Sofie Thorsen zusammen; bei Krinzinger Projekte (Schottenfeldgasse 45) lernt man ein Künstlerkollektiv aus Bangladesch kennen, das sich exotischerweise Joseph Beuys zum Vorbild genommen hat.
Die Netzwerke, die sich hier ausbreiten, sind damit freilich nicht erschöpfend beschrieben, es gibt viel zu entdecken. Das Festival, das Wien ja als Knotenpunkt der Kunstszene stärken will, hat mit dem Thema der Wahlverwandschaften jedenfalls einen guten Griff getan.
INFO
Bis 15. Oktober in 19 Wiener Galerien Eintritt frei. Geführte Touren an Freitagen und Samstagen; Termine auf www.curatedby.at
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