Cumberbatch, Kidman begeistern im Theater

Nicole Kidman spielt nach vielen Jahren wieder Theater
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Wenn man nach den von Fans gebildeten Warteschlangen vor den Bühneneingängen geht, ist Benedict Cumberbatch unschlagbar. Hunderte Fans drängen sich nach jeder "Hamlet"-Aufführung im Londoner Barbican-Center hinter den Absperrungen vor dem Bühneneingang – und sind enttäuscht, wenn der englische Schauspieler einmal keine Autogramme gibt. Dabei hat er im Moment jeden Grund dazu, mit Auftritten in der Öffentlichkeit zurückhaltend zu sein. Eine Stalkerin hinterließ ihm vor zwei Tagen seltsame Botschaften an einem Fenster seines Wohnhauses und an seinem Auto – mit Anspielungen auf Sherlock Holmes, den Cumberbatch in der BBC-Reihe so einzigartig spielt. Der Schauspieler rief die Polizei, der aufdringliche Fan wurde verwarnt. Nicht jeder hat Lust, Rollen und Privatleben miteinander zu vermischen.

Selfie mit Kidman

Ein paar Kilometer entfernt, mitten im Londoner Westend, schreibt die Australierin Nicole Kidman nach Vorstellungen des Stückes "Photograph 51" von Anna Ziegler top professionell Autogramme und posiert sogar mit Fans für Selfies, wie man es auch von ihrem Ex-Mann Tom Cruise kennt.

Cumberbatch und Kidmann – das sind zurzeit die größten Stars auf den Londoner Bühnen. Ihre beiden fabelhaften Darstellungen würde man freilich gerne auch in Wien sehen – was wohl illusorisch ist.

Lotto statt Cumberbatch

Cumberbatch, Kidman begeistern im Theater
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Cumberbatch spielt noch bis Ende dieser Woche den tragischen Shakespeare-Prinzen und bricht damit alle Rekorde. Versuchen Sie also gar nicht erst, kurzfristig noch eine Karte zu bekommen und spielen Sie lieber Lotto, die Chancen sind größer.

Noch nie waren Aufführungen des National Theaters rascher ausverkauft. Darüber hinaus sahen mehr als 225.000 Besucher eine "Hamlet"-Live-Übertragung im Kino. Londoner Luxushotels laden zu speziellen Kombis mit Screenings und Dinner – alles seit Wochen ausgebucht.

Aber die entscheidende Frage bleibt immer noch: Wie spielt er die Traumrolle? Die simple Antwort: in jeder Hinsicht grandios. Cumberbatchs Hamlet ist höchst dynamisch, rebellisch, mit enormer Ausstrahlung und vielen komödiantischen Momenten. Wie er phasenweise retardiert und wieder ganz der kleine Prinz in seinem Spielzimmer wird, ist phänomenal. Eine Passage spricht er so schnell wie seine Texte in seiner Rolle als Sherlock – eine feine Anspielung auf den Mega-Erfolg.

Was bei Cumberbatch besonders auffällt, ist die Natürlichkeit: Shakespeares Sprache wirkt bei ihm absolut zeitgemäß, mit Schrecken erinnert man sich an outrierende Hamlets von einst und heute.

Die Inszenierung von Lindsey Turner ist temporeich. Die Regisseurin lässt Cumberbatch mehrfach in Sneakers über Stiegen hüpfen und durch die Szenerie sprinten, das Timing passt perfekt. Für die exzellente Choreografie ist Sidi Larbi Cherkaoui verantwortlich. Einen so modernen, aber nie modernistischen, kunstvollen, aber nie artifiziellen "Hamlet" würde man sich auch andernorts wünschen.

Ciarán Hinds ist ein mächtiger, bösartiger Claudius an seiner Seite, Siân Brooke als schon anfangs völlig verschreckte Ophelia und Anastasia Hills als farblose Gertrude könnten besser besetzt sein. Vielleicht fallen sie aber nur neben und aufgrund von Cumberbatch so stark ab.

Männerbund

Auch Nicole Kidman beeindruckt auf der Bühne – in "Photograph 51", einem Stück über die Chemikerin und DNA-Forscherin Rosalind Franklin (1920–1958), die als Erste in diese Männerdomäne ein- und daran zerbrach. Franklin trug wesentlich zur Erforschung der Doppelhelix-Struktur der DNA bei und konnte das berühmt gewordene "Foto 51" machen.

Vier Jahre nach ihrem Tod erhielten ihre Kollegen James Watson, Francis Crick und Maurice Wilkins den Nobelpreis für Medizin, sie erwähnten Rosalind Franklin bei ihren Dankesreden mit keinem Wort.

Bei Kidmans letztem Auftritt auf einer Londoner Bühne, vor 17 Jahren in David Hares Bearbeitung von Schnitzlers "Reigen" ("The Blue Room"), hatte man banalerweise vor allem über ihr einige Sekunden lang kaum bedecktes Hinterteil diskutiert, nun gibt sie die kühle, stets kontrollierte Wissenschaftlerin. Statt ihres Pos scheinen diesmal die Emotionen nur kurz durch, dann aber intensiv und berührend. Sie ist die einzige Frau in dem 90-Minuten-Stück, omnipräsent und beweist auch Humor.

Die Bühne stellt den Keller einer Uni dar, die Regie (Michael Grandage) ist klarerweise ganz auf Kidman fokussiert. Diese ist elegant, enorm präsent, etwas zu statisch. Man vergisst als Besucher die jüngsten Debatten, wie viele ihrer Gesichtsmuskel sie tatsächlich noch bewegen kann. Über die Standing Ovations am Ende scheint sie sich ehrlich zu freuen.

Jedenfalls ist es schön zu beobachten, wie es mit solchen Produktionen gelingt, auch enorm junges Publikum für Aufführungen zu begeistern; dass es gute künstlerische Gründe gibt, warum Superstars zu solchen werden; und dass die Bedeutung der Schauspieler an Londoner Bühnen jene der Direktoren ganz klar überlagert.

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