Coriolan: Muttersöhnchens Untergang

Cornelius Obonya als Coriolan (li.), Markus Meyer als Aufidius
Shakespeares Römer-Drama überzeugt im Wiener Akademietheater dank vieler exzellenter Darsteller.

Politik ist – und das war schon immer so – bekanntlich ein schmutziges Geschäft. Wer heute noch Feind ist, kann morgen zum Freund werden. Oder auch umgekehrt. Wer heute vom Volk gefeiert wird, kann bereits am nächsten Tag die Gunst der Menschen verlieren und von diesen in die sprichwörtliche Wüste geschickt werden. Und wer heute ein strahlender Held ist, kann binnen kurzer Zeit zum Volksfeind werden.

Kaum ein Dramatiker hat diese Strukturen rund um Macht und Ohnmacht so oft und so gekonnt in seinen Stücken abgehandelt wie William Shakespeare, dieser geniale Meister menschlicher Fallstudien. Und eine solche Fallstudie zeigt Shakespeare auch in seinem eher selten gespielten Drama "Coriolan", das im Wiener Akademietheater vor allem dank exzellenter Darsteller überzeugt.

Doch worum geht es eigentlich? Um den römischen Feldherrn Caius Martius, der quasi im Alleingang die gegen Rom kämpfenden Volsker besiegt, dafür den Beinamen Coriolan erhält und zum Konsul ernannt werden soll. Aufgrund seiner offenen Abneigung gegen die Plebejer (und gegen die Demokratie) wird Coriolan aber von der Vox Pupuli, also der "Stimme des Volkes", in die Verbannung geschickt. Dort verbündet er sich mit Aufidius, dem Anführer der Volsker, zieht gegen Rom, lässt sich von seiner Mutter aber letztlich zu einem Waffenstillstand überreden, worauf ihn Aufidius wegen Verrats töten lässt.

Macht und Ohnmacht

Eine höchst zeitgemäße Parabel über Macht, Ohnmacht, Militär und Politik also, die Regisseurin Carolin Pienkos in einer nicht näher bestimmten Gegenwart (Kostüme: Heide Kastler) verortet. Video-Projektionen illustrieren auf der leeren, schwarzen Bühne (Walter Vogelweider) die seltsam antiquiert anmutenden Kampfszenen, Waterboarding und etwas Folter werden (eher dezent) angedeutet, ein an Brecht gemahnender Chor darf zu Beginn als klagendes Volk Aufstellung beziehen. Sonst setzt Pienkos weitgehend auf ihre Darsteller und auf die Sprache Shakespeares. Und die ist beim Ensemble des Burgtheaters in der (Übersetzung von Rainer Iwersen) naturgemäß in besten Händen.

Coriolan: Muttersöhnchens Untergang
ABD0102_20160913 - WIEN - ÖSTERREICH: Cornelius Obonya als "Caius Martius Coriolanus" und Elisabeth Orth als "Coriolans Mutter" am Dienstag, 13. September 2016, während der Fotoprobe zu "Coriolan" im Akademietheater in Wien (Premiere am 16. September 2016). - FOTO: APA/GEORG HOCHMUTH
Da ist etwa die große, unglaublich intensive Elisabeth Orth als Coriolans alles und alle bestimmende Mutter. Orth zeichnet fast schon einen Feldherren, der das Muttersöhnchen Coriolan zu einer kaltblütigen, furchtlosen Killermaschine erzogen hat, die auf Muttis Zuruf in den eigenen Untergang taumelt.

Cornelius Obonya (auch im wahren Leben Orths Sohn und zudem Ehemann der Regisseurin) gibt diesen Coriolan als im Grunde gutmütiges, aber brandgefährliches Riesenbaby, das nur Rom dienen, aber nicht um die Gunst des Volkes oder gar um jene seiner Frau (Anna Sophie Krenn) bitten will.

Sieg und Niederlage

Da helfen auch die mahnenden Worte der Senatoren (milde angeführt von Rudolf Melichar) oder auch die des Oberbefehlshabers des römischen Heeres (präsent: Bernd Birkhahn) nicht. Und selbst der gewiefte politische Strippenzieher Menenius – Martin Reinke brilliert als kühler Technokrat der Macht – hat bei seinem Freund Coriolan keine Chance. Über Sieg oder Niederlage entscheidet nur das Schlachtfeld, nicht die Politik und schon gar nicht das launische Volk, so Coriolans Kalkül.

Ein verhängnisvoller Irrtum, sind doch die Volkstribunen (Hermann Scheidleder, Sylvie Rohrer) Populisten allererster Güte. Vor allem Rohrer liefert ein sehr an aktuelle Politiker(innen) gemahnendes Porträt einer nur an die so genannten Futtertröge drängenden Karrieristin ab. Auf drängende Probleme hat diese Volkstribunin natürlich keine Antworten.

Kein Wunder, dass sich Coriolan in der Gesellschaft des geradlinigen Feindes Aufidius viel wohler fühlt. Markus Meyer deutet hier als Coriolans militärisches Alter Ego sehr schön die Möglichkeit einer Freundschaft zweier Gleichgesinnter an. Dass genau dieser Aufidius Coriolan schließlich zu Fall bringt, ist für beide Männer somit nur eine logische Konsequenz. Viel Applaus für alle Mitwirkenden.

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