Clowns, Liebende, Revolutionäre

Clowns, Liebende, Revolutionäre
Die Ausstellung „Liebe in Zeiten der Revolution“ erzählt von Paaren in der russischen Avantgarde

Die „Oktober ,Revolution‘“ ist abgesagt, es lebe die Oktoberrevolution: Der Zeitpunkt der Eröffnung der Herbstausstellung im Bank Austria Kunstforum Wien, wenige Tage nach Ende des Wiener Wahlkampfrummels, scheint gut gewählt. Nach populistischen Dauerfeuerwerken ist eine Geschichtsstunde angebracht, und selten gelingt eine solche so kaleidoskopisch vielseitig, bunt und ansprechend wie hier.

„Künstlerpaare der russischen Avantgarde“ lautet der Untertitel der Schau (bis 31.1.2016), die eine Vielzahl selten gesehener Werke aus dem ersten Drittel des 20. Jahrhunderts versammelt. Sie führen in eine Epoche, in der künstlerischer und politischer Umbruch so eng verflochten waren wie seitdem nie mehr. Utopien, die von der russischen Oktoberrevolution angefacht wurden, magnetisierten die Kunst, die sich daraufhin an die Politik heftete – und ihr bisweilen in den Totalitarismus folgte.

Erfolg und Scheitern

Dass man die russische Avantgarde weder als reine Erfolgsstory noch als Tragödie erfassen kann, war dem Kunstforum-Kuratorenteam Heike Eipeldauer und Florian Steininger wohl bewusst. Der Umstand, dass viele Künstlerpaare in jener Zeit gemeinsam und gleichberechtigt arbeiteten, eröffnete eine aufschlussreiche Perspektive. Dabei zeigt sich eine „sexuelle Revolution“ nach 1917/’18, als neue Gesetze alternative Formen der Partnerschaft, legale Scheidungen sowie eine Akzeptanz von Homosexualität mit sich brachten, die angesichts der heutigen Zustände in Putins Russland verblüfft.

Auf künstlerischer Seite ging es dem männlich dominierten Geniekult an den Kragen: Der Künstler war nun eben kein sinnierender Bohemien mehr, der aus reiner Inspiration heraus singuläre Großtaten vollbrachte, sondern Teil einer Produktionsgemeinschaft, in der Mann wie Frau eine neue Gesellschaft realisieren sollten.

Die klug arrangierten Werke ausgewählter Künstlerpaare in den Kunstforum-Räumen machen allerdings deutlich, dass diese Ideale stets wackelten und kippten: In den von russischer Volkskunst inspirierten Gemälden von Natalja Gontscharowa und Michail Larionow, die am Beginn der Schau stehen, schwingt etwa eine gehörige Portion Nationalismus mit.

Bei Warwara Stepanowa und Alexander Rodtschenko – den hierzulande wohl bekanntesten Künstlern, die in der Schau gezeigt werden – offenbart sich zwar ein ungebremster Enthusiasmus für die neuen Ideale.Dass Stepanowa ihren Partner und sich selbst nicht als Volkshelden, sondern als Clowns darstellte (siehe oben), untergräbt den Eifer und Absolutheitsanspruch aber gleich wieder.

Clowns, Liebende, Revolutionäre

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Clowns, Liebende, Revolutionäre

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Vorurteile überlebten

Dass die zeitgenössische Presse diePaare keineswegs vorurteilsfrei beurteilte, zeigenexemplarisch zwei recht ähnliche geometrische Gemäldeaus dem Jahr 1920: Während Stepanowas „Drei Figuren“ von Kritikern als Ausdruck von Emotionen gewertet wurden, galt Rodtschenkos „Komposition“ als Ausdruck von Rationalität.

Unbestritten ist, dass die Abwesenheit eines abgehobenen Geniekults die Überführung vonKunst ins Leben erleichterte: Stoffmuster, Collagen und ausklappbare Folder, Architekturentwürfe und Bühnenbilder erzählen von einer alles durchdringenden Modernität, deren Faszination auf ästhetischer Ebene ungebrochen bleibt.

Wie der Aufbruchsgeist zerschellte, verdeutlicht das letzte Kapitel, das dem Duo Gustav Klutsis und Valentina Kulagina gewidmet ist. Klutsis, ein flammender Revolutionär, ließ sich einspannen und schuf Propaganda für Stalin. Nichtsdestotrotz wurde er 1938 hingerichtet. Seiner Frau erzählte man, er sei an einem Herzinfarkt gestorben. Sie erfuhr die Wahrheit bis an ihr Lebensende nicht.

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