Der Kellner hört mit

Der Kellner hört mit
Eine einfache Geschichte von Clemens Berger über die Liebe, nachts im Wirtshaus.

Clemens Berger sagt: „Über die Liebe kann ich nichts sagen. Darum schreibe ich ja darüber.“
Eine einfache Geschichte ist es geworden, ganz klassisch, mit einem schlimmen Ende, damit man sich nicht zu sehr verschaut in dieses interessante Paar und in diese (fast) erstrebenswerte Partnerschaft:
Er, der Löwe. Sie, die Wildkatze.
Viel mehr braucht der im Burgenland (Güssing) geborene Schriftsteller nicht.

Große Ohren

Nur einen Kellner noch, den Ich-Erzähler, der seinen beiden mitternächtlichen Lieblingsgästen in Wiener Innenstadt-Lokal Rotwein bzw. Bitter Lemon und Oliven bringt; und der durch die Gesprächsfetzen, die er aufschnappt, zum Mitwisser eine Affäre – nein, das ist viel mehr, das ist eine Beziehung – wird.
„Du hast nicht nur das Bett zerstört“, sagt die Schöne zu ihrem Begleiter (und man kriegt große Ohren), „du hast beinahe mich zerstört.“ Na prack.

Manch einer hatte ja gedacht, Clemens Berger werde seinen gelobten Roman „Streichelinstitut“ (2010) weiterschreiben. Auch da war er nah am Heute gewesen, und beim Lesen wunderte man sich, dass es so etwas nicht wirklich gibt: „Fehlen Ihnen Nähe, Zärtlichkeit, sanfte Berührung? Severin streichelt in der Mondscheingasse. Keine Berührungen unter der Gürtellinie.“
Der erste Kunde ist ein Ministerialrat. Der Letzte, der ihn gestreichelt hatte, war sein Vater.

Der Streichel-Roman brauchte viel Personal. Mit „Ein Versprechen von Gegenwart“ hat sich Clemens Berger vielleicht selbst überrascht: Denn jetzt kommt der 33-Jährige mit ganz wenig aus, um uns an die Liebe zu erinnern.

Auch wer sich nicht mitreißen lässt – weil der Autor diesmal nicht vorgehabt hat, seine Leser in irgendeiner Art zu bedrängen, er erzählt bloß langsam, leider mit vielen Konjunktiven –, wird zugeben müssen: Die Geschichte vibriert, sie funkelt; und verglüht nach 157 Seiten.

Man erfährt nach und nach: „Der Löwe“, wie der Gast vom Kellner insgeheim genannt wird, ist Schauspieler. „Die Wildkatze“ ist eine gebürtige Russin, atemberaubend, reich, verheiratet, und wahrscheinlich hat sie einen kleinen Sohn.
(Zumindest wurde sie mit einem kleinen Buben beim Shoppen auf der Kärntner Straße gesehen. Auch vom Kellner. Dem entgeht wirklich nichts.)

Verschwörerisch

Was dieses Paar nachts im Lokal, im Anschluss an die stürmischen Treffen in der Wohnung des Schauspielers, derart anziehend macht: Die zwei sind so ... gegenwärtig; verschwenden keine Zeit mit Gedanken, was kommen könnte. So unaufgeregt neugierig aufeinander. So nachsichtig. So verschwörerisch. Sie ruhen in sich – und mit größtem Vergnügen im Partner.

Der Kellner hört mit
cover
Zitat: „Beim Sprechen blickten sie einander mit einer Selbstverständlichkeit in die Augen, die nichts mit dem Forschenden, Schmachtenden, Abwägenden, Überzeugenwollenden derer zu tun hatten, die sich ihrer möglicherweise gemeinsamen Sache noch nicht sicher sind.“

Die sind sich sicher. Sind ein Traum. Neidig könnte man werden. Man fantasiert sich hinein.
Und nach dem dramatischen Ende, über das hier selbstverständlich nichts verraten wird, kommt die Erkenntnis (die kommt ja immer so spät): Das Leben war keine Generalprobe.

Das Leben ... war.

KURIER-Wertung: ***** von *****

Info: Clemens Berger: „Ein Versprechen von Gegenwart“ Luchterhand Verlag. 157 Seiten. 13,40 Euro.

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