Christopher Just: "Die Kanten gehen verloren"

Christopher Just hat sein Romandebüt veröffentlicht: "Der Moddetektiv"
Der Musiker Christopher Just hat einen trashigen und humorvollen Roman geschrieben.

Gut frisiert und stets szenegerecht gekleidet (Fred Perry, Chelsea Boots, M58-Fishtail-Parka) zieht Augustin Johnny Sandemann alias "Der Moddetektiv" durch den Wiener Untergrund. Der schwer tablettensüchtige Privatermittler fristet dabei ein einsames und eigenwilliges Dasein als würdelos alternder Scooterboy, der mit seiner verchromten Vespa GS 160 durch den Alltag rollt, sich mit Whisky und Scotch die Nächte verkürzt und gelegentlich der Polizei bei der Aufklärung von komplizierten Fällen zur Seite steht. Und so kommt es, dass ihn Lieutenant Lou Tenant-Tanner (schönes Wortspiel!) nach dem brutalen Mord an dem Wiener Mod namens Valium Mike um Hilfe bittet: "Moddetektiv – wir haben einen Auftrag für Sie!" Eine Aufforderung, die zugleich der Beginn von Christopher Justs Romandebüt ist. Auf den folgenden 504 Seiten breitet der einstige Techno DJ und Musikproduzent eine humorige wie absurde Geschichte aus – inklusive ausführlicher Abschweifungen, die oftmals in monströsen Schachtelsätze verpackt werden. Justs Sprache ist bildreich, reich an Wuchteln und führt den Leser durch die Wiener Subkultur, rechnet mit der Stadt sowie ihren Bewohnern – allen voran mit den Bobos – ab.

Geschrieben hat Christopher Just den gefühlt zwei Kilo schweren "Ziegel" in den vergangenen zwei Jahren, weil er zum Thema elektronische Musik schon alles gesagt hat, was ihm dazu eingefallen ist. Und da Langweile kein Mensch auf Dauer aushält, suchte er sich ein anderes Medium, um sich auszudrücken.

"Ich hatte ja bereits vor ein paar Jahren die Gelegenheit, beim Czernin Verlag ein paar Kurzgeschichten zu veröffentlichen – da habe ich wohl Blut geleckt. Seither schwirrte die Idee vom großen Roman in meinem Kopf herum", sagt der 49-jährige Wiener, der in den 1990er-Jahren die heimische Techno-Szene – unter anderem als Ilsa Gold oder Punk Anderson – maßgeblich mitprägte.

Der ausschlaggebende Impuls für sein Romandebüt war jedoch der Komplettrückzug aus den sozialen Medien, "zu dem mir meine Frau geraten hat. Es sei schade, dass meine Kreativität und mein Humor bloß in Form von Facebook-Postings Niederschlag finden, wo sie dann recht rasch verpuffen, meinte sie. Und damit hatte sie vollkommen Recht", sagt Just im KURIER-Interview.

Er hörte auf seine Frau, verabschiedete sich höflich von seinen virtuellen Freunden und begann zu schreiben.

KURIER: Wie groß war der Sprung vom Musiker zum Autor? Christopher Just: Für mich ist das Schreiben dem Komponieren gar nicht so unähnlich. Bei beidem sieht man Bilder und Geschichten vor sich, die man anderen vermitteln und mitteilen will. Schon beim Musikmachen kam es mir darauf an, zu kommunizieren, dem Empfänger Vorschläge zu unterbreiten, ihn manchmal auch zu provozieren – vor allem aber, zu überraschen. Und ihn mit meinem Humor zu bombardieren, der wohl das wesentlichste Element in allen meinen Arbeiten ist. Das Feld der elektronischen Musik ist für mich mittlerweile ziemlich abgegrast, das vollkommen Offene der frühen 1990er-Jahre, das Experiment und die Ungewissheit darüber, wohin die Reise führen wird, hat mich damals unglaublich fasziniert. Doch inzwischen sind die Grenzen ausgelotet und abgesteckt. Speziell seit den letzten zehn Jahren stagniert die Entwicklung, so mein Eindruck. Ich warte auf den Track, den ich nicht mehr verstehe, dann würde ich vielleicht wieder Lust haben, darauf zu reagieren.

Hatten Sie die Geschichte von Anfang an im Kopf?
Nein, überhaupt nicht. Es gab einzig und allein eine Person, ein Wort: "Moddetektiv". Dieses absurde, wenn nicht gar dämliche Wort ließ ich als Person in einem Raum erwachen und losmarschieren. Ich wusste nicht, auf wen, wann, wo, und wie sie treffen, was ihr widerfahren würde. Es war unglaublich aufregend, so als würde ich einen mir unbekannten Film ansehen. Und es war spannend herauszufinden, ob es mir gelingt, diese anfänglich zweidimensionale, scherenschnittartige Figur im Verlauf der Geschichte dem Leser näherzubringen, aus ihr gewissermaßen einen Freund entstehen zu lassen, mit dem man aufsteht und schlafen geht.

Wie sehr waren Sie nach dem Schreiben in dieser Geschichte gefangen?
Während der Arbeit an der Rohfassung lebte ich tatsächlich in einer Parallelwelt, aus der es mir – selbst nach vierzehn Stunden Schreiben am Stück – zeitweise schwer fiel wieder in die Realität zurückzukehren. Selbst wenn ich mein Tagespensum bereits hinter mich gebracht hatte, war ich mit den Gedanken weiterhin bei meinen Protagonisten, war geistig abwesend – drüben bei Sandemann. Immer wieder fiel mir noch etwas ein und ich sprang auf und lief zum Schreibtisch, um es niederzuschreiben. Eine Situation, die, wie man sich vorstellen kann, für meine Frau nicht immer einfach war. Aber ich denke, genau so muss Schreiben sein, fieberhaft und manisch, dem Text mit Haut und Haaren verfallen.

Welche Parallelen gibt es zwischen Ihnen und der Romanfigur? Was verbindet Sie, was trennt Sie?
Es gibt so manche Verbindungen – zum Beispiel sich einer Sache voll und ganz zu verschreiben. Das Perfektionistische, geradezu Pingelige. Des Weiteren: Ein gewisser Hang zur Nostalgie und das Bedauern darüber, dass viel Liebenswertes und Originales auf Nimmerwiedersehen verschwindet, während sich andererseits vieles immer ähnlicher wird. Damit meine ich die Mainstreamisierung, die Entwicklung der Städte, mit all den gleich aussehenden Einkaufsstraßen. Das Ratingprinzip mit dem alles beurteilt wird, die Klicks, die Votes, das ständige Gecaste. Das hört sich jetzt wohl etwas zukunftsverdrossen an und hat wohl auch mit dem Älterwerden zu tun, aber es kommt mir vor, dass die Kanten und das Individuelle verloren gehen – obwohl wir in einer Zeit leben, wo Selbstverwirklichung doch den größten Stellenwert hat.

Sie verpacken die Geschichte oftmals in langen Sätzen. Mögen Sie Schachtelsätze?
Ja, weil sie wie ein Rätsel sind, das sich erst nach mehrmaligem Durchlesen erschließt. Dinge, die man einfach ausdrücken könnte, kompliziert zu umschreiben, bereitet mir große Freude. Lesegewohnheiten aufzubrechen und gegen die Mainstream-Literatur anzurennen, die den Autor zwingt, sich möglichst kurz und einfach auszudrücken, ist mir ein Anliegen.

Ihre tagebuchartigen Facebook-Einträge erfreuten sich großer Beliebtheit – ähnlich wie jene von Stefanie Sargnagel. Ist das mittlerweile ein gutes Konzept, um aufzufallen?
Eine Zeit lang hat es mir großen Spaß bereitet, das Medium Facebook zweckzuentfremden. Einfach Blödsinn machen, Fakebehauptungen aufstellen, zu irritieren. Meinen Freunden bloß mitzuteilen, dass ich gerade etwas Gutes gegessen habe, dass die Sonne scheint, dass ich mich heute scheiße fühle oder dass ich gleich in Dubai einchecke, hätte mich nicht befriedigt. Klar ist Facebook eine praktische Plattform zur Selbstdarstellung, und manche machen das auch geschickt, aber letztlich hat das Ganze für mich einen kurzlebigen Charakter und ist zwangsläufig immerzu mit dem Ich der jeweiligen Person verknüpft. Zudem gefällt mir die latente Aggression nicht, mit der das Ganze oft verbunden ist. Außerdem glaube ich, dass uns da demnächst ein Social Media Overkill von künstlerisch konzeptuellen Selbstdarstellern bevorsteht, mit dem Resultat, dass sich keiner mehr dafür interessiert.

Wie gehen Sie aktuell mit sozialen Medien um?
Als Facebook neu war, lebte ich gerade in den USA, und da war es natürlich eine feine Sache mit den Leuten "zu Hause" Kontakt halten zu können. Auch das Wiederaufspüren von Menschen aus der Vergangenheit fand ich toll. Später stellte ich fest, dass das regelmäßige Frequentieren sozialer Medien nicht nur Zeit, sondern vor allem Energie kostet und man auf gewisse Weise auf der Stelle tritt. Mittlerweile habe ich mich vollkommen aus den sozialen Medien zurückgezogen – abgesehen von der Promotion für mein Buch. Mir geht nichts ab, im Gegenteil, mein Leben hat ohne Facebook an Qualität gewonnen. Die Abwendung von Tagesaktualitäten hat mir wieder den Blick aufs Ganze eröffnet.

Zur Person

Christopher Just, geboren 1968 in Wien, zählt zu den Pionieren der elektronischen Musikszene in Österreich. In den 1990er- und 00er-Jahren produzierte er unter Pseudonymen wie Ilsa Gold und Punk Anderson mit „Shave That Pussy“, „I'm A Disco Dancer“ und „Popper“ Club-Hits. Just hat an der Hochschule für Angewandte Kunst in Wien Malerei studiert, sich dann aber der Musik und zuletzt dem Schreiben zugewandt. Justs Kurzgeschichten wurden etwa in zwei Ausgaben der Buchreihe „Moderne Nerven“ (Czernin
Verlag) veröffentlicht.

Nominierung: „Der Moddetektiv“ ist für den Leo Perutz-Preis nominiert. Die mit 5000 Euro dotierte Kriminalliteratur-Auszeichnung mit Wien-
Bezug wird am 13. 9. zum achten Mal vergeben.

Lesung: Am 20. Oktober (19 Uhr) gratuliert Christopher Just dem Buchcafé Melange (Reindorfgasse 42, 1150) mit einer Lesung zum Geburtstag. Am 3.10. kommt der „Moddetektiv“ in die Buchhandlung Seeseiten in der Seestadt (Janis-Joplin-Promenade 6) – ab 19 Uhr.

Christopher Just: „Der Moddetektiv“ Milena Verlag. 504 Seiten. 24 Euro.

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