Burgtheater zum "Theater des Jahres" gewählt

Das Burgtheater in Wien wurde von Kritikern zum "Theater des Jahres" gewählt.
Das Wiener Burgtheater freut sich über die Kritikerwahl, wichtiger sei jedoch die Beschäftigung mit dem Asylthema.

Die traditionelle Kritikerumfrage des Fachblatts "Theater heute" hat für 2014/15 einen Triumph des Burgtheaters gebracht. Es wurde bei der Umfrage unter 42 Kritikern des deutschen Sprachraums zum Theater des Jahres gewählt, Dusan David Parizeks Uraufführung von "Die lächerliche Finsternis" wurde Inszenierung des Jahres, Stefanie Reinsperger Schauspielerin bzw. Nachwuchsschauspielerin des Jahres.

Rehabilitierungsbemühungen

"Das Wiener Burgtheater, das mit 6 Voten zum Theater des Jahres gewählt wurde, dürfte seinen Erfolg neben den erfolgreichen Rehabilitierungsbemühungen der neuen Intendantin Karin Bergmann nach dem Hartmann-Debakel nicht zuletzt auch den beiden Inszenierungen der neuen Stücke von Wolfram Lotz und Ewald Palmetshofer verdanken, die sowohl zum Berliner Theatertreffen als auch zu den Mülheimer Stücken eingeladen wurden", heißt es im heute erscheinenden Jahrbuch von "Theater heute". "Die zweitplatzierten Theater des Jahres bringen es auch auf genau 3 Stimmen und stehen in Berlin (Volksbühne, Maxim Gorki Theater, Schaubühne) und Dortmund."

"Die lächerliche Finsternis" von Wolfram Lotz wurde mit 27 Stimmen - so vielen wie noch nie - zum Stück des Jahres gewählt, gefolgt von Ewald Palmetshofers ebenfalls in Wien uraufgeführtem Stück "die unverheirate" mit vier Stimmen. Parizeks Bühnenbild zur "Lächerlichen Finsternis" schaffte es ex aequo gleich auch zum "Bühnenbild des Jahres" (gleichauf mit Katrin Nottrodt und Aleksandar Denic).

Stefanie Reinsperger, die mittlerweile an das Volkstheater Wien wechselte, aber ihre Akademietheater-Rollen in "Die lächerliche Finsternis" und "die unverheiratete" weiter spielen wird, wurde in Personalunion "Schauspielerin des Jahres" (9 Stimmen) und "Nachwuchsschauspielerin des Jahres" (15 Stimmen). Immerhin fünf Stimmen erhielt Elisabeth Orth als Großmutter in "die unverheirate". Nur der Schauspieler des Jahres spielt nicht in Wien: Samuel Finzi wurde für seinen Wladimir in Ivan Panteleevs Beckett-Inszenierung "Warten auf Godot" am Deutschen Theater in Berlin ausgezeichnet.

"Motivationsschub"

Burgtheater zum "Theater des Jahres" gewählt
Die interimistische Direktorin des Burgtheaters, Karin Bergmann
Burgtheater-Direktorin Karin Bergmann ist in der Früh "aus allen Wolken" gefallen, als sie die Ergebnisse der "Theater heute"-Kritikerumfrage im Detail erfahren hat. Dies werde natürlich gefeiert werden, wenn das Ensemble am Dienstag (1.9.) erstmals wieder zusammenkommt, sagte sie gegenüber der APA. Im Zentrum stehe jedoch die Frage, wie man auf die Flüchtlingskrise reagieren könne.

Dass das Burgtheater in nahezu allen wichtigen Kategorien triumphieren konnte, sei "ein großartiger Motivationsschub". Das tolle Ergebnis verdanke man "dem großartigen Ensemble, allen Mitarbeitern, aber auch dem Publikum". Künstler und Publikum hätten in Zeiten, als die Debatten um die Gebarung des Hauses nach den Kündigungen von Direktor Matthias Hartmann und der ehemaligen kaufmännischen Geschäftsführerin Silvia Stantejsky die künstlerischen Ereignisse zu überschatten drohten, "gezeigt, worum es wirklich geht".

Veranstaltungen zum Asylthema geplant

Wesentlich dringlicher als das Feiern sei jedoch, sich "als Erstes mit dem Thema zu beschäftigen, das uns wirklich unter den Nägeln brennt": Sie werde sich mit dem Ensemble und der Dramaturgie des Burgtheaters beraten, wie man auf die dramatische Zuspitzung der Flüchtlings- und Asylthematik reagieren könne. Konkret gehe es etwa darum, unter Einbeziehung von Vertretern der Zivilgesellschaft die Feier des 60. Jahrestags der Wiedereröffnung des Hauses am 14. Oktober 1955 unter das Thema dieser neuen Herausforderungen zu stellen. "Vor zehn Jahren war Navid Kermani der Festredner. In seiner Rede 'Nach Europa' hat er damals alles vorweggenommen, was wir jetzt erleben." Europa sei ein Sehnsuchtsort und Asyl ein Menschenrecht. "Wir müssen deutlich aufzeigen, dass wir von der Begegnung mit anderen Kulturen profitieren."

Bereits in der vergangenen Spielzeit habe man Initiativen gesetzt, etwa in Zusammenarbeit mit UNHCR junge Flüchtlinge in das Projekt "Junge Burg" eingebunden oder mit Flüchtlingen ein Übersetzungsprojekt zu Elfriede Jelineks "Die Schutzbefohlenen" durchgeführt. "Wir wollen solche Initiativen unbedingt fortsetzen." Sie träume etwa von Patenschaften für Flüchtlinge und Asylwerber, aber auch von einem Schulterschluss mit anderen Kulturinstitutionen, um deutlich zu machen, dass Österreich die aus Krisenregionen flüchtenden Menschen willkommen heiße. "Ich bin sicher, wir werden das schaffen."

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