Mahnen, sparen & ein Zaubertrick

Burgtheaterdirektor Hartmann sagt, er habe seit 2010 wegen Abschreibepraxis gewarnt.
Burgdirektor Matthias Hartmann legt beeindruckende, aber auch merkwürdige Zahlen vor.

Wie ernst die Lage im Burgtheater ist, zeigt folgender Satz aus einem Mail der Direktion an Journalisten:

„Nach nochmaliger Rücksprache mit den Wirtschaftsprüfern ist am besten die Entwicklung des Netto-Umlaufvermögens (working capital) heranzuziehen, das für die Direktion Hartmann seit dessen Amtsantritt eine Entwicklung in einer Bandbreite von einer Veränderung von insgesamt 1 Millionen Euro ausweist.“

Dieser sprachlich ungelenke wie inhaltlich unverständliche Satz zeigt, wie verzweifelt die Direktion des Hauses hofft, der Spuk um das finanzielle und buchhalterische Fiasko des Theaters möge vorübergehen.

Aber auch der Umstand, wie dieser Satz zustande kam, erzählt schon wieder eine eigene Geschichte.

Befreiungsschlag?

Freitagvormittag bat der unter Beschuss geratene Burgdirektor Matthias Hartmann ausgewählte Journalisten zu einem Gespräch. Dabei bemühte sich Hartmann nach Kräften, sich einerseits als Mahner und andererseits als Sparmeister darzustellen.

Seit 2010 habe er gegenüber Aufsichtsrat, Geschäftsführung und Wirtschaftsprüfern immer wieder an der Praxis Kritik geübt, Bühnenbilder fünf Jahre lang in der Bilanz abzuschreiben, also auf der Habenseite zu verbuchen, sei aber auf taube Ohren gestoßen. Dass diese Praxis heute so nicht mehr akzeptiert wird, macht ja den Hauptanteil der Bilanzprobleme des Hauses aus.

Zentraler Punkt in Hartmanns Argumentation ist aber eine Rechnung, die er eigens erstellen ließ. Der derzeitige Bilanzverlust des Burgtheaters beträgt 8,3 Millionen Euro. Rechnet man die letzte Saison seines Vorgängers Klaus Bachler (2008/’09) nach den heute geltenden, strengeren Abschreibe-Richtlinien neu durch, käme man – wenn man die damals durchgeführte Auflösung einer Kapitalrücklage von 2,5 Millionen dazuzählt – auf 8,5 Millionen Bilanzverlust. Hartmann: „Das sind Fakten!“ Auch die Wirtschaftsprüfungskanzlei KPMG habe diese Berechnung bestätigt.

Folgt man diesem buchhalterischen Zauberkunststück, dann steht Hartmanns Burg heute um 200.000 Euro besser da als Bachlers Burg 2009.

Diese Berechnung lässt nur leider einiges unberücksichtigt: So drohen der Burg weitere fünf Millionen an Steuernachzahlungen. Vor allem aber wird nobel verschwiegen, dass die Burg unter Hartmann ebenfalls buchhalterisches Familiensilber zu Geld machte, nämlich das Stammkapital um drei Millionen verringerte.

Hartmann stritt diese Tatsachen auf Nachfrage nicht ab, wodurch seine Berechnung viel an argumentativer Schlagkraft verlor. Deshalb schickte sein Büro nach dem Gespräch eingangs erwähntes Mail aus. Inhalt: Man möge sich lieber auf die positive Entwicklung von Cash-Flow und Netto-Umlaufvermögen konzentrieren.

Was Hartmann als Befreiungsschlag geplant hatte, ging also im Durcheinander von Berechnungsmethoden und Buchhalterdeutsch unter. Übrig bleibt als Botschaft: Es ist alles sehr kompliziert.

Gespart

Dabei hat Hartmann tatsächlich – auch – beeindruckende Zahlen vorzuweisen. Seit seinem Amtsantritt hat er die Personalkosten um zwölf Prozent gesenkt und die Karteneinnahmen (auch durch Preiserhöhungen) um 30 % gesteigert. 2012/2013 nahm das Burgtheater aus Kartenverkäufen 7,5 Millionen Euro ein, 2008/2009 waren es 5,7 Millionen. Die Besucherzahlen wurden im selben Zeitraum von 390.000 auf fast 430.000 erhöht.

Und auch bei der Ausstattung wurde gespart, und zwar um zwölf Prozent. Der Vorwurf, Hartmann sei ein Verschwender, lässt sich so kaum aufrechterhalten. Hartmann betonte auch, seine Regie-Gagen lägen deutlich unter denen von vergleichbaren Kollegen.

Trotzdem könnte es für den Burg-Direktor eng werden. Gegenüber der Presse betonte Kulturminister Josef Ostermayer, er habe keine Lust, „zusätzliche Köpfe“ rollen zu lassen. Aber: „Wenn es notwendig ist, dann müsste auch dieser unangenehme Schritt gesetzt werden.“

Während Burg-Direktor Hartmann seine Gagen kleinredet, zeichnet laut profil das Protokoll einer Aufsichtsratssitzung ein anderes Bild: Demnach seien hohe Gagen für Regisseure und Ausstatter („Leading Team“), darunter Hartmann, schuld an der Finanzmisere.

Besonders hoch seien die Kosten für Regie, Bühne, Kostüm, Licht und Co bei Produktionen gewesen, die Burgtheater-Chef Matthias Hartmann als Regisseur betreute. Bei Hartmanns Eröffnungsinszenierung "Faust 1" gingen über 400.000 Euro an das Leading Team, bei "Faust 2" waren es 417.000 Euro - bei Gesamtkosten von 650.000 Euro. Bei "Das trojanische Pferd" seien es 211.000 von rund 376.000 Euro gewesen, bei "Krieg und Frieden" 205.000 von 413.000 Euro.

So seien Hartmann-Inszenierungen im Kasino mitunter teurer gewesen als jene von renommierten Kollegen wie Stephan Kimmig und Barbara Frey auf der Burgbühne oder im Akademietheater. Auch verdiente das Leading Team unter Gastregisseuren prozentuell meist deutlich weniger.

Burgtheater demementiert

In einer ersten Stellungnahme wies das Burtheater die Darstellung von profil-online zurück. Laut den Wirtschaftsprüfern von KPMG lägen die Ausstattungskosten der Direktion Hartmann im Schnitt bei 3,6 Mio. Euro - gegenüber 4,1 Mio. Euro als Mittelwert der Spielzeiten vor seiner Intendanz.

Die Kosten für die Leading Teams seien deshalb vermeintlich explodiert, weil sowohl fest angestelltes Personal als auch Gäste nicht im Personalaufwand verbucht, sondern bilanztechnisch in das Anlagevermögen verschoben wurden. "Dadurch steigen auf dem Papier die Leading-Team-Kosten und können über mehrere Jahre abgeschrieben werden, während die realen Leading-Team-Kosten leicht gesunken sind", so das Burgtheater in einer schriftlichen Stellungnahme. Dies sei jetzt nach den neuen Erkenntnissen im Zuge fortschreitender Transparenz am Burgtheater deutlich geworden und werde von KPMG als Bilanztrick scharf kritisiert.

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