Burgtheater: Martin Kušej ist neuer Direktor

Martin Kusej
Der kaufmännische Direktor Thomas Königstorfer bleibt für weitere fünf Jahre (ab 2018).

Martin Kušej wird ab der Saison 2019/20 Direktor des Burgtheaters. Das hat Kulturminister Thomas Drozda am Donnerstag bekanntgeben. Kušej folgt auf Karin Bergmann, die keine Verlängerung ihres Vertrages mehr anstrebte.

“Ich freue mich, dass der wichtigste Regisseur des Landes das wichtigste Theater des Landes übernehmen wird. Ich bin fast versucht hinzuzufügen: Endlich. Eine Lebensliebe von Martin Kusej. Das fühlt sich gut und richtig an. Er hat es sich verdient”, sagte Kulturminister Thomas Drozda bei der Pressekonferenz zur Bestellung Kusejs.

“"Ich kann nicht anders, ich bin halt Österreicher. Deshalb ist das ein besonderer Job", sagte Kusej. "Jetzt komme ich zurück. Ich habe einiges gelernt." Wenn es im Burgtheater künftig Skandale geben sollte, "dann mit mir nur auf der Bühne".

Er gebe "ein klares Bekenntnis zum Schauspielertheater und zum Ensembletheater" ab: "Schauspieler ist schon fast ein verpöntes Wort und wird ersetzt durch “Performer”. Ich finde das interessant. Ich war auch ganz schön dekonstruktivistisch unterwegs. Aber manchmal habe ich das Gefühl: Wir haben uns da in eine ziemliche Sackgasse bewegt."

Und "wir haben eine multikulturelle Gesellschaft. Es kann nicht sein, dass wir das Theater durch eine einzige singuläre Sprache definieren. Wien ist eine Stadt der reichen Tradition der Vielsprachigkeit. Wir müssen uns dieser Tradition stellen. Damit meine ich aber gar nicht “Migrantentheater”."

Es ist für das Burgtheater "an der Zeit, wieder politisch zu werden. Das Burgtheater hatte einmal eine Zeit, wo es politisch war. So ähnlich stelle ich mir das vor."

"Wir erleben einen weltweiten Siegeszug von Dummheit und Ignoranz. Dem eklatanten Bildungsmangel kann das Theater mit Herzensbildung entgegnen. Es ist eine leere Welt, die wir erschaffen, wenn wir uns nicht um die Bildung der Seelen kümmern.

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Kusej möchte "der erste Regisseur in meinem Hause sein". Er hat sich auf eine Inszenierung pro Jahr festgelegt.

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Der neue Burgtheaterdirektor im Porträt

Martin Kušej sei DER Spezialist für die Entstaubung österreichischer Klassiker, schrieb der KURIER 2006 über seine Salzburger „Höllenangst“-Inszenierung: „Wobei er dabei keineswegs zärtlich mit dem Wischtuch arbeitet. Er schlägt mit dem Teppichpracker auf die alten Texte ein, bis sich der Staub in großen Wolken erhebt.“

Er selbst widersprach zehn Jahre später in einem KURIER-Interview entschieden dieser Sicht: „Mir geht nur das Gerede vom Berserker schon lange auf die Nerven. Natürlich ist mein Stil kraftvoll, ich will ja auch von dem erregt sein, was ich tue. Und auch Erregung erzeugen! Aber ich arbeite längst fein und leise, präzise und psychologisch.“

Tatsache ist: Kušej ist einer der interessantesten Theater- und Opernregisseure der Gegenwart. Er beherrscht sowohl den Faust-aufs-Auge-Stil, als auch die feine, psychologische Handschrift, oft sogar beides gleichzeitig – sein „Weh dem, der lügt“ im Burgtheater 1999 oder sein „König Ottokar“ 2005 bleiben unvergessen. Typisch für ihn ist seine unbändige Neugier, auf neue Stoffe, auf alte Stoffe, auf Schauspieler, auf Themen. „Ich kann nur meine Grenzen und die der Sänger oder Schauspieler ausloten, das allerdings ist Pflicht.“

Kleines Restaurant

Mit Wien hatte er noch eine dicke Rechnung offen, auch wenn er das vor einem Jahr noch vehement bestritt: „Mittel- oder langfristige Pläne gibt es im Theater nicht. Ich hab nur einen Notfall-Plan-Gedanken im Hinterkopf: Ich könnte jederzeit ein kleines Restaurant aufmachen.“
2005 verhandelte er mit Wiens Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny – Kušej sollte die Wiener Festwochen übernehmen, die Verhandlungen waren weit fortgeschritten, dann wurde aber doch der Vertrag von Luc Bondy verlängert. Kušej versuchte gar nicht, seinen Zorn zu verbergen und sprach von „Kasperltheater“.

Kurz darauf galt er als hoher Favorit für die Nachfolge von Klaus Bachler als Burgtheaterdirektor, ihm wurde jedoch Matthias Hartmann vorgezogen. Kušej ging stattdessen nach München, wo er das Residenztheater übernahm (und bis heute mit Erfolg führt), nicht ohne sich mit Hartmann schlagzeilenträchtige Stichelei-Wettkämpfe zu liefern.

Die Rechtfertigung des später wegen des Burg-Finanzdesasters entlassenen Hartmann, als Theaterdirektor sehe er sich verantwortlich für die Kunst, nicht für die Finanzen, kommentierte Kušej so: „Ich bin sogar allein verantwortlich! Das gehört zur Job-Description des Intendanten dazu.“

Auch, wenn er es öffentlich nicht zugeben wird: Dass er jetzt doch noch die Burg übernimmt, muss für Kušej eine tiefe Befriedigung sein.
Sport Kušej kam 1961 in Wolfsberg, Kärnten, zur Welt. Er studierte in Graz, zuerst Sport, Germanistik und Literatur, danach Regie. Als Regisseur wurde er rasch erfolgreich und sehr bekannt, er arbeitete an allen wichtigen deutschsprachigen Häusern und wurde mehrfach ausgezeichnet.Von 2004 bis 2006 leitete er den Schauspielbereich der Salzburger Festspiele. Er unterrichtet am Reinhardt-Seminar und an der Universität für Musik und darstellende Kunst.

Kušej arbeitet seit Jahrzehnten eng mit dem Bühnenbildner Martin Zehetgruber zusammen, der einen ähnlich kraftvollen Stil hat – Kušejs Figuren bewegen sich meist auf unsicherem Terrain, auf Schlamm oder riesigen Baumstämmen. Kušej über die Zusammenarbeit: „Ich kann mit seinen Räumen sehr gut umgehen, wobei das nicht einfach ist, da hat sich schon mancher die Zähne daran ausgebissen.“

Haltung

Kušej ist aber auch ein mutiger Kommentator des politischen Geschehens, der sich auch in Wien kaum ein Blatt vor den Mund nehmen wird – ganz gleich, wer nach der kommenden Wahl regieren wird: „Wir leben in einer Zeit, in der jeder, der nur kann, Haltung zeigen soll. Ich bin bekannt dafür, dass ich meinen Mund aufmache.“

Der neue Burgtheaterchef im Zitat

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Wir machen in München bestimmt nicht Theater für oder gegen Wien. Zwischen beiden Städten liegen etwas über vier Zugstunden und aus meiner Sicht ist das auch gut so (über die Rivalität zwischen Burg und Residenztheater).

Ich sammle nicht Trophäen, sondern ich will mit den Schauspielern arbeiten, die ich aus der Arbeit kenne und neue kennenlernen, die ich auf der Bühne erlebt habe, und bei denen mein Instinkt reagiert hat (über den Vorwurf, er werbe anderen Häusern gezielt Schauspieler ab).

Ich kann nur meine Grenzen und die der Sänger oder Schauspieler ausloten, das allerdings ist Pflicht (über seine Arbeitsauffassung).

Dinge, die man schaffen kann, machen mir keine Angst. Sondern Situationen, in denen man zum Spielball wird (über seine Angst vor kafkaesken Situationen).

Die vergangenen Tyranneien sind tatsächlich weit weg, aber die kommenden sind verdammt nah (über Bedrohungen der Demokratie).

Es gibt eine gewisse Art von Politik, die einfach indiskutabel ist – und die in Wahrheit die Ängste der Menschen instrumentalisiert (über politischen Populismus).

Wir leben in einer Zeit, in der jeder, der nur kann, Haltung zeigen soll. Ich bin bekannt dafür, dass ich meinen Mund aufmache, ich habe ihn auch immer aufgemacht, deshalb bin ich hier auch nicht viel geworden (über seine politischen Kommentare).

Wien ist zu einer aufregenden Stadt geworden. (...) Es ist eine interessante Metropole mit vielen kulturellen Angeboten, und die Infrastruktur funktioniert. Und sie ist wirklich voller verschiedener fremder Sprachen – mehr als in jeder anderen Großstadt Europas. Diesen Fakt muss man einfach anerkennen. Und man muss eine Lösung finden, diese Kulturen zu integrieren. Eigentlich war Österreich immer sehr gut darin (über Wien als Vielvölkerstadt).

Mittel- oder langfristige Pläne gibt es im Theater nicht. Ich hab nur einen Notfall-Plan-Gedanken im Hinterkopf: Ich könnte jederzeit ein kleines Restaurant aufmachen. Oder einen Würstelstand irgendwo in der Karibik (über Pläne, nach Wien zurückzukehren).

Mir geht nur das Gerede vom Berserker schon lange auf die Nerven. Natürlich ist mein Stil kraftvoll, aber ich will ja auch von dem erregt sein, was ich tue. Und auch Erregung erzeugen! Aber ich arbeite längst fein und leise, präzise und psychologisch (über seinen Regiestil).

Ich kann mit seinen Räumen sehr gut umgehen, wobei das nicht einfach ist, da hat sich schon mancher die Zähne daran ausgebissen. Die Bühnenbilder machen die Ästhetik und die Stoßrichtung der Inszenierungen aus, keine Frage (über seinen künstlerischen Partner Martin Zehetgruber).

Ich habe nur selten wirklich gelungene Adaptierungen gesehen. Ich finde es ein bisschen armselig, dass man der dramatischen Literatur nicht vertraut (über Dramatisierungen von Romanen oder Filmen).

Ich bin sogar allein verantwortlich. Das gehört zur Job-Description des Intendanten dazu (über die geschäftliche Seite des Intendanten-Berufs).

Ich betone, dass ich nur verhandle, wenn man mich will. Ich habe keine Lust auf intrigante Spielchen und Kasperltheater (über Verhandlungsführung).

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