Bühne für eine bessere Welt

Hielt am Freitagvormittag auf der Bühne des Burgtheaters eine programmatische Rede: Karin Bergmann – inmitten ihres Leitungsteams
Direktorin Karin Bergmann mahnt die Politik - und setzt in der nächsten Saison Schwerpunkte: Es gibt etliche Uraufführungen, zum Zug kommen junge Regie-Talente.

Karin Bergmann, die kühle Blondine aus dem Ruhrpott, leitete ihre Spielplanpressekonferenz auf der Bühne des Burgtheaters mit einer flammenden Rede zur Kulturnation ein. In großen Lettern stand hinter ihr und ihrem Team der Ausruf "Ja es umgibt uns eine neue Welt!" zu lesen. Leonore von Este tätigt ihn – in Goethes "Torquato Tasso". Dieses Künstlerdrama, in dem es um die Kunst und die Macht geht, bildet am 24. September den Saisonauftakt. Zumindest im Burgtheater. Denn zuvor haben im Akademietheater am 4. September "Endspiel" von Samuel Beckett und am 16. September "Coriolan" von William Shakespeare Premiere.

Die Gesellschaft stehe, sagte Bergmann, an der Schwelle zu einer neuen Zeit. Die "unglaubliche Euphorie" des Sommers – "wir haben an Europa geglaubt und an offene Grenzen" – sei einer Ernüchterung gewichen: In der Politik machte sich Wankelmut breit, die Menschen – "wir sind nur ein Sandkorn" – wurden verunsichert. Aber es habe in allen Zeiten Umwälzungen, große Veränderungen und Völkerwanderungen gegeben.

Neue Lebensmodelle

Die Wahrheit sei dem Menschen zumutbar, wie es Ingeborg Bachmann formulierte: Die Politik dürfe nicht nur an die nächste Wahl denken, sie müsse auch die unangenehmen Dinge ansprechen. Die Politikverdrossenheit, der Untergang der Altparteien, hänge auch damit zusammen, dass sich die Leute "veräppelt" vorkommen.

So wie bisher werde es nicht weitergehen können: Im Mittelpunkt dürften das Teilen und das Zurückfahren stehen. "Ein Großteil der Jugend hat das erkannt und fürchtet sich auch nicht davor. Daran sollte sich die Politik orientieren." Und sie solle über neue Lebensmodelle nachdenken. Das Ziel müsse sein: "Eine bessere Welt – für alle Menschen!"

Weil es bei der Bundespräsidentenwahl auch um eine Entscheidung zwischen Europa und der "Wir-san-wir"-Mentalität gehe, habe man kurzfristig für den 17. Mai um 18 Uhr eine Podiumsdiskussion angesetzt – unter dem Ausruf aus "Torquato Tasso" als Motto: Burgschauspieler wie Elisabeth Orth und Michael Heltau diskutieren mit Journalisten und Intellektuellen unter der Leitung von Peter Pelinka über den Verlust demokratischer Werte und das Schüren von Ängsten und Aggressionen.

Dem künftigen Bundeskanzler Christian Kern rief Bergmann zu, sie hoffe, dass die Kultur auch nach der Regierungsumbildung von einem Minister vertreten werde. Und sie verhehlte nicht, dass ihr Josef Ostermayer am liebsten wäre: Sie habe ihn als einen "kompetenten und leidenschaftlichen Kulturpolitiker" erlebt.

In ihrer nächsten Saison setzt die Burgtheater-Direktorin auf "große Stoffe, alte Mythen" – und junge Regie-Kräfte. Die "Leuchttürme" wie Andrea Breth – sie wird die übernächste Saison eröffnen und noch ein zweites Projekt realisieren – werden weiterhin strahlen, der neue Blick junger Regisseure sei aber von großer Bedeutung. Sie kommen daher nicht nur an den Nebenspielstätten zum Zug. "Und wir haben endlich eine Frauentruppe hier. Im zunehmenden Alter wird man immer feministischer", so Bergmann. "Die Wirtschaft schafft es nicht, aber ich bin für die Quote."

Große Frauen-Riege

Also inszenieren Carolin Pienkos ("Coriolan" mit ihrem Mann Cornelius Obonya) und Tina Lanik (Ayad Akhtars Anti-Rassismus-Drama "Geächtet"). Martina Gredler bringt Christine Nöstlingers "Lumpenloretta" zur Uraufführung, Cornelia Rainer realisiert das verschobene Shakespeare-Projekt "Hamlet, Ophelia und die anderen", und Valerie Voigt-Firon bringt Wolfram Hölls "Drei sind wir" zur Erstaufführung.

Es gibt mehrere kleine Schwerpunkte, zum Beispiel zwei Mal Aischylos: Michael Thalheimer inszeniert "Die Perser", Antú Romero Nunes "Die Orestie". Dieses Drama hatte Bergmann bei ihrer Bestellung als eines ihrer drei wichtigen Vorhaben genannt. Die Neufassung von "Jedermann" werde in der Saison 2017/‘18 folgen; als Autor konnte Ferdinand Schmalz gewonnen werden, dessen Stück "der herzerlfresser" am 8. Oktober erstaufgeführt wird. Und die "Göttliche Komödie" geht sich vielleicht auch noch aus – in Bergmanns letztem Jahr.

Ein weiterer Schwerpunkt ist die Gegenwartsdramatik: René Pollesch bastelt an "Carol Reed", und sechs Autorinnen, darunter Elfriede Jelinek, schreiben Frauen-Monologe für das Projekt "Ein europäisches Abendmahl".

Sachen zum Lachen gibt’s auch – mit Nestroys "Liebesgeschichten und Heiratssachen", Shakespeares "Die Komödie der Irrungen" und "Pension Schöller".

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