Black Sabbath: Die Horror-Teddybären kommen
Die Rockmusik hat einen weiten Weg hinter sich. Am Anfang war sie Protest, Gegenkultur, Sturm und Drang, vor allem Sturm in jeder Form wurde konsumiert. Elvis’ Hüftschwung, Dylans Zynismus, Jaggers Lippen, Lennons Haare schreckten Mama und Papa, Oma und Opa und auch den Onkel Hans: "Hearst, du schaust ja aus wie ein Beatles!"
Heute kämpft die Rockmusik mit künstlichen Hüftgelenken, erschlafften Trommelfellen und Arthritis. Und der Sensenmann kommt auch immer öfter auf Besuch, und zwar nicht mehr, weil jemand in die falsche Naschlade gegriffen hat, sondern weil die Biologie auf ihrem Recht beharrt. Der berüchtigte Club 27 ist heute eher ein Club 77.
Vor allem aber kämpft die Rockmusik damit, dass sich niemand mehr vor ihr fürchtet. Da können die auf der Bühne noch so sehr die wilden, finsteren Männer markieren – selbst Mama und Papa, Oma und Opa und auch Onkel Hans tragen ein Ozzy-Osbourne-Shirt und singen "Paranoid" mit.
Abschied
Und damit sind wir bei Black Sabbath, die auf ihrer Abschiedstournee am 28. Juni noch einmal in der Wiener Stadthalle auf einen angebrochenen Nachmittag vorbeischauen.
Dass es tatsächlich ein Abschied ist, das ist ihnen zu glauben, obwohl das Wort "Abschiedstour" die häufigste Lüge der Musikbranche ist. Gitarrist und Riff-Schmied Tony Iommi, 68, leidet seit 2012 an Lymphdrüsenkrebs und möchte sich die Belastungen des Tour-Lebens nicht länger antun. Und Ozzy Osbourne, 67, lässt keine Gelegenheit aus, seinen Kampf gegen den Alkohol wieder einmal zu verlieren. Tatsächlich wirkt der Sänger schon so tattrig, dass die Grenze zur Karikatur in Sicht ist (und zwar im Rückspiegel, wie manche meinen).
Osbourne: "Das ist nicht eine dieser letzten Touren, wo wir ein paar Jahre warten, und dann noch eine machen." Und Iommi formuliert wehmütig: "Es ist toll, mit denselben Leuten anzufangen und aufzuhören."
Black Sabbath formierten sich 1968 in Birmingham unter dem Namen Earth und spielten Bluesrock. Bald nannten sie sich, inspiriert von einem Horrorfilmplakat, Black Sabbath. Und so klangen sie auch – wie ein Horrorfilm: Schwere, schleppende Gitarrenmotive, dazu ein jammernder Gesang und düstere Songtexte. Black Sabbath sorgten damals für ungeheueres Aufsehen – man warf ihnen vor, Teufelsanbeter zu sein und täglich mindestens ein Kind zum Frühstück zu verspeisen.
Musikverein
Wenn sie jetzt in der Wiener Stadthalle spielen, wird nicht nur der Wiener ÖVP-Chef Gernot Blümel im Publikum sitzen (er hat das via Twitter begeistert angekündigt). Black Sabbath sind heute Horror-Teddybären mit Reality-TV-Vergangenheit – und sie sind in der bürgerlichen Kultur-Realität angekommen. Rockkonzerte sind der Musikverein von heute.
Merkwürdigerweise betonen Black Sabbath selbst den Nostalgieeffekt sogar noch. Obwohl sie 2013 mit "13" ein herausragendes Comeback-Album veröffentlicht haben, das von Kritik und Publikum abgefeiert wurde, in vielen Ländern Platz eins erreichte und mehr als eine Million Mal gekauft wurde, spielen sie auf ihrer Abschiedstour kein einziges Stück davon. Das jüngste Lied ihrer aktuellen Setlist ist 40 Jahre alt.
Stahlmänner
Sound: Black Sabbath sind Kinder der Stahlstadt Birmingham, und so klingen sie. Ihr Sound bereitet den Weg für den Heavy Metal.
Band: Tony Iommi (Gitarre), John „Ozzy“ Osbourne (Gesang), Terence „Geezer“ Butler (Bass und Texte), Bill Ward (Schlagzeug).
Karriere: Osbourne muss 1979 die Band verlassen, die mit Ronnie James Dio (und später anderen Sängern) weitermacht. 2011 kommt es zur Reunion (ohne Bill Ward).
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