Bilder mit bleibendem Schau-Wert

Ken Lum: "I don't know whether to laugh or cry". Teil einer Serie, 2004.
Ein scheidender Kurator des Essl-Museums wirft einen Blick auf dessen Fotosammlung.

Fotografie ist nicht das Erste, das einem Kunstbeobachter zum Stichwort „Essl“ einfällt – dabei hatte das Sammler-Ehepaar in den Jahren vor dem bauMax-Fiasko auch eifrig Werke der Lichtbildkunst zusammengetragen. Mehr als 500 Arbeiten sind es, sagt der langjährige Kurator Günther Oberhollenzer, der nun einen umfassenden Blick in die Foto-Sammlung als sein „‚Abschiedsgeschenk“ präsentiert: Er verlässt das Essl Museum mit Ende 2015.

Die Schau „Faszination Fotografie“ füllt bis 31. Jänner 2016 die Oberlicht-Säle des Museumsbaus in Klosterneuburg – Räume, die speziell für die Präsentation von Malerei geschaffen wurden.

Malerei, auch im Foto

Rasch ist klar, dass die Essls auch Malerei-Sammler blieben, wenn sie Fotos kauften: Fast alle Bilder erreichen ein üppiges Tafelbild-Format, zeigen atmosphärische Landschaften, Räume, Oberflächen; wenn Menschen vorkommen, wirken sie wie einem Tableau entstiegen oder sind in ihren Posen an altmeisterliche Vorbilder angelehnt.

Oberhollenzer hat an die Sammlung keine formalen oder historischen Kriterien angelegt, sondern ordnete die Werke nach Motiven zu durchwegs stimmigen Bildräumen: Um den „Blick des Menschen auf die Natur“ geht es etwa im Eingangssaal, in dem ein riesiges Wasserfall-Bild der Künstlerin Nina Pohl die Betrachter förmlich in einen Sprühnebel einhüllt. Der Maler William Turner hätte an dieser Auflösung des Gegenstands in Luft und Wasser seine Freude gehabt.

Auch wenn der Kurator betont, keine „Best-of“-Schau konzipiert zu haben, gibt es sie natürlich trotzdem, die Großformate von den Stars der „Düsseldorfer Schule“: Es sind Künstler wie Thomas Struth, Elger Esser und Andreas Gursky, dessen nachbearbeitete Fotos von Massen-Aufläufen (hier: die Love Parade, der Strand von Rimini) oft für die Distinktion jener sorgen, die sich mit Geschmack und Geld von dieser Masse abheben können.

„Faszination Fotografie“ ist nicht protzig, aber durchaus repräsentativ angelegt, in einem Architektur-Segment hängen klassisch-strenge Ansichten von venezianischen Palazzi (Axel Hütte) oder des Atatürk-Mausoleums in Ankara (Günther Förg). Immer wieder lassen sich die Bilder auf den uralten – und vermeintlich überholten – Streit zwischen den Kunstdisziplinen ein, bemüht darum, auch der Fotografie historische Größe zuzugestehen.

Warum immer ich?

Aus dem Rahmen fällt eine Serie großformatiger Bilder, bei denen Ken Lum in Werbeplakat-Ästhetik ausdrucksstarke Gesichter mit Schriftzügen kombinierte: „Warum bin es immer ich?“ steht da, oder: „Ich weiß nicht, ob ich lachen oder weinen soll.“

„Das passt irgendwie zur Situation des Museums“, sagt Oberhollenzer augenzwinkernd, als er durch die Schau führt. Das Haus, dessen Programm der Kurator lange stark mitprägte, hat harte Zeiten hinter sich und eine ungewisse Zukąunft vor sich.

Doch auch die leidenden Gesichter in Lums Bildern sind weniger Dokumente des Schmerzes als künstlerische Zeichen, Beispiele dessen, was der Wissenschaftler Aby Warburg einst „Pathosformeln“ nannte. Die Kunst, wie sie in dieser Sammlung verstanden wird, ist darauf angelegt, zu überdauern. In der Malerei, und auch in der Fotografie.

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