In Venedig steppt der Esel im Wald

APA12949304 - 28052013 - VENEDIG - ITALIEN: ZU APA 371 KI - Screenshot zeigt einen Ausschnitt aus dem Animationsfilm "Imitation of Life" von Mathias Poledna. Der handgemachte 35mm-Farbfilm ist der diesjährige österreichische Beitrag zur Kunstbiennale in Venedig. Die 55. Kunstbiennale in Venedig findet von 1. Juni bis 24. November 2013 statt. +++ WIR WEISEN AUSDRÜCKLICH DARAUF HIN, DASS EINE VERWENDUNG DES BILDES AUS MEDIEN- UND/ODER URHEBERRECHTLICHEN GRÜNDEN AUSSCHLIESSLICH IM ZUSAMMENHANG MIT DEM ANGEFÜHRTEN ZWECK ERFOLGEN DARF - VOLLSTÄNDIGE COPYRIGHTNENNUNG VERPFLICHTEND +++ APA-FOTO: MATHIAS POLEDNA
Mathias Poledna schuf einen Trickfilm im Stil der 1930er-Jahre für den Österreich-Pavillon.

Hallo, wie bist du hier hergekommen?“, fragt das Vöglein den Esel. Die Frage bleibt in den drei Minuten, in denen Mathias Polednas Trickfilm „Imitation of Life“ im stockdunklen Saal des österreichischen Biennale-Pavillons abläuft, seltsam unbeantwortet: Der Esel (im Matrosenanzug!) beginnt zu tanzen und stimmt ein Lied an: „I got a feeling you’re fooling with me“, singt er, und nebenbei platzen Seifenblasen, werden Blumen zu Schmetterlingen, und Eichhörnchen schauen zu.

Wie überraschend und auch erfrischend der heurige Biennale-Beitrag ausgefallen ist, lässt sich anhand der „Handlung“ und der Bilder, die auch aus Disneys „Bambi“ stammen könnten, nur unzureichend vermitteln. Es braucht das Umfeld, das Gewirr der Pavillons und der oft so ernst daherkommenden Kunst, aus dem sich der Film als wohltuender Fremdkörper abhebt: Unweigerlich sucht man hier Hintergründe – und findet sie auch.

Die Verbindung von Disneys „Bambi“ mit der Vorlage von Felix Salten, die Erinnerung an die Rolle der österreichischen Gebrüder Fleischer in der Trickfilmindustrie (Betty Boop!) wird wachgerufen, dazu erfährt man, dass Disneys Siegeszug in Europa mit der Eröffnung des Biennale-Pavillons 1934 zusammenfiel.

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Für Mathias Poledna, der seit 1999 in Los Angeles lebt, ist die Unterhaltungsindustrie dieser Zeit ein wiederkehrendes Thema - zuletzt sah man in der Wiener Secession den Film "A Village By The Sea", für den er eine Musical-Szene im Stil der 1930er Jahre rekreierte. Die Gesten, Tanzschritte und filmischen Stilmittel aus jener Zeit nahm er dabei ebenso unter die Lupe wie das historische Umfeld: Die Filme bildeten einerseits oft eine kitschige "Gegenwelt" zum krisengeschüttelten Alltag, begeisterten zugleich aber auch die Avantgardekünstler jener Zeit.

"Ich würde diese Arbeit nie im normalen Filmkontext zeigen", sagt Poledna beim KURIER-Gespräch in Venedig. Tatsächlich ließ der Künstler die Rückseite des Biennale-Pavillons in den Garten hinein erweitern und zu einem total abgedunkelten Projektionsraum umbauen: Das hilft, um in eine Zeitkapsel zu steigen und den Film als "Studienobjekt" wahrzunehmen, wie es Poledna nennt: "Es gibt ein Gefühl des Wiedererkennens und der totalen Distanz".

Es ist wahrscheinlich, dass viele Biennale-Besucher den Film nur einmal sehen und nach drei Minuten mit der Frage "Was soll das jetzt?" (oder, um das Vöglein im Film zu zitieren: "Wie bist du hier hergekommen?") verlassen. Dennoch lohnt ein mehrfaches Ansehen, denn der hübsche kleine Streifen entfaltet dabei zahlreiche Anspielungen, die über die Grenzen von Illusion und Wirklichkeit nachdenken lassen. Auch der Filmsong, im Original als Flirt-Duett gesungen, wird hier zur "existenzialistischen Weltbefragung", wie Poledna es nennt: Who's fooling with whom, wer narrt hier wen?

Dass Poledna dem Publikum seine Hintergrundgedanken nicht aufzwingt, sondern es fast kommentarlos mit dem Endprodukt konfrontiert, wirkt im diskursgewohnten Kunstumfeld verunsichernd. Dabei liegt gerade darin eine Qualität der Arbeit: Man muss nicht erst einen Berg der Theorie besteigen, um das Werk zu verstehen, sondern kann die Aussicht vom Gipfel genießen und beliebig nach unten vordringen.

Vor allem zeigt die Arbeit nicht nur das intellektuelle Interesse des Künstlers, sondern auch seine Leidenschaft für historische Filme. Mehr als 120 Menschen beschäftigte Poledna, um den Film samt Musik exakt mit den historischen Methoden anzufertigen. Mitsamt allen Pavillon-Umbauten, Begleitevents und den Kosten für das Projektteam verschlang der österreichische Biennale-Beitrag rund 1,1 Millionen Euro, erklärt Kommissär Jasper Sharp gegenüber dem KURIER. 400.000 davon kamen vom Ministerium für Unterricht, Kunst und Kultur (BMUKK), den Rest lukrierte der Kurator von privaten Mäzenen und Mäzeninnen. Eine davon, Francesca Habsburg, hat einen Abzug von Polednas Arbeit (von insgesamt 5) für ihre Stiftung TBA-21 gekauft. Es ist daher anzunehmen, dass "Imitation of Life" in absehbarer Zeit auch im Wiener Kunstraum der Stiftung im Augarten zu sehen sein wird.

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