Flüssiger Stein – spröder Charme

"Beton" in der Kunsthalle
Die Kunsthalle Wien setzt Beton in Szene und zeigt Überraschendes ebenso wie Tristesse.

Er ist hart und schwer. Der Baustoff Beton. Der "flüssige Stein", wie er auch gern genannt wird. Ein kontroversieller Werkstoff, der polarisiert. Die einen hassen ihn. Andere sind fasziniert vom flexiblen, dauerhaften und vielfach einsetzbaren Material. Und jeder kennt die bildhauerische Wucht der aus Betonquadern aufgetürmten Dreifaltigkeitskirche von Fritz Wotruba am Georgenberg in Wien-Mauer.

Die Kunsthalle Wien zeigt zum Thema "Beton" (bis 16. 10.) Skulpturen, Fotoarbeiten und Filme von 28 Künstlern wie Thomas Demand, Olaf Metzel oder der Bildhauerin Isa Genzken, deren Kreationen etwas seltsam Kryptisches, etwas Geheimnisvolles haben, das sich nicht ergründen, aber erahnen lässt.

"Italo-Moderne"

Die Schau beleuchtet die Architektur der 1960er- und 70er-Jahre, blickt auf die radikal moderne und schöne neue Betonwelt, in der der spröde Charme von gegossenem Stein – übrigens bis heute – als progressiv gilt.

Großformat-Fotos von Werner Feiersinger auf die "Italo-Moderne" zeigen unter anderem in Würde gealterte spektakuläre Bauten, die verwittert, mit Rissen überzogen und vermoost sind.

Annette Kelms Foto-Serie "House on Haunted Hill" zeigt ein von Frank Lloyd Wright 1923 geplantes und allmählich vergammeltes Gebäude in Los Angeles, das eine Fassade mit gemusterten Sichtbetonblöcken erhielt.

Gebaute Ideologie

Überhaupt sind die Fans des vor allem Massenwohnbau eingesetzten Baustoffes und seiner kühlen Ästhetik in der Schau in der Mehrheit.

Nur wenige Künstler zeigen auch die hässlichen Seiten, die Tristesse, wie David Maljkovic aus Kroatien den Sozialismus mit seinen Plattenbauten als gescheiterte Utopie. Und Beton ist immer auch gebaute Ideologie, wie meterhohe Säulen in der Ausstellungshalle zeigen: Da bezieht sich die Amerikanerin Jumana Manna mit ihrer "Government Quarter Study" auf den norwegischen Regierungssitz in Oslo, der beim Anschlag des Attentäters Anders Behring Breivik 2011 schwer beschädigt wurde. "Davor stand das Gebäude für den norwegischen Wohlfahrtsstaat", sagt die Kuratorin Vanessa Joan Müller. Norwegen ließ es als ein Monument der Erinnerung stehen.

"Armut braucht Eleganz"

Tobias Zielony stellt das gescheiterte riesige Wohnbauprojekt "La Vele di Scampia" bei Neapel vor. Die in Italien geborene Künstlerin Monika Bonvicini geht ihre Auseinandersetzung mit den gebauten Strukturen, die dem Leben die Form geben, mit Humor und Ironie an. So ist auf einem Foto Bonvicinis auf einer Mauer im krass städtebaulichen Elend die Botschaft zu lesen: "Add Elegance to your Poverty".

Und Olaf Metzels in Beton gegossene überdimensionale Eierkartons als Wandrelief für das "Treppenhaus Fridericianum" sind auch ein Beispiel für die die trostlose Betonarchitektur der Nachkriegszeit.

Spielgeräte für Kinder

Aus dem Wiener Stadtbild sind sie mittlerweile fast vollständig verschwunden: Aber Sofie Thorsens Installation "Spielplastiken" erinnert noch an ein Kunst-am-Bau-Programm der Nachkriegszeit, bei dem Künstler Betonskulpturen kreierten, die zugleich auch Spielgeräte für Kinder waren.

Kunsthalle-Direktor Nicolaus Schafhausen wollte keinen "nostalgischen Blick" zurück. Zwar wurde der Billigbaustoff vielfach genutzt, um die Lücken des Weltkrieges zu schließen. Für Stadtplaner fungierte er zu jener Zeit "als Entwurf neuer Formen des gesellschaftlichen Miteinanders". Aber: "Man muss das Potenzial für die Gegenwart aktivieren." Beton habe stets auch "Neues, Ungewöhnliches und Überraschendes" hervorgebracht.

www.kunsthallewien.at

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