Berühmte Watschen-Affären

Berühmte Watschen-Affären
Sido gegen Dominic Heinzl: Schallende Ohrfeigen haben in der Geschichte des 20. Jahrhunderts des Öfteren Aufsehen erregt.

Sie wird wohl nur eine Randbemerkung in der Geschichte bleiben: die Ohrfeige, die Skandal-Rapper Sido vorige Woche vor laufender Kamera Society-Reporter Dominik Heinzl verabreichte. Punkto Watschen haben sich schon ganz andere Kaliber versucht und vergriffen.

Österreichs berühmteste Ohrfeigen streifte Wiens damaliger Kritikerpapst Hans Weigel ein, als er am 13. April 1956 das Café Raimund beim Volkstheater betreten wollte. Am Eingang lauerte ihm die berühmte Schauspielerin Käthe Dorsch auf, holte weit aus und verabreichte ihm zwei schallende Ohrfeigen. Dann beschimpfte sie ihn noch als "Dreckfink" und ging ab.

Kritik

Was war geschehen? Stunden vor der Attacke war Weigels Zeitungskritik zu einer Burgtheater-Premiere erschienen, in der zunächst zwar "die gepflegte Sprachkunst" der Dorsch gelobt, ihr dann aber vorgehalten wurde: "Alles, was gestaltet, erlebt sein sollte, blieb Ansatz, Andeutung – wie Stars oft bei der 300. Vorstellung sind."

Weigel lachte laut auf, als ich ihn, viele Jahre später, auf die "Watschenaffäre" ansprach: "Die Käthe Dorsch, mit der ich sonst sehr gut war, hat ja eine bisserl pathologische Schlagfertigkeit gehabt. Sie hatte vor mir schon den deutschen Kritiker Harich geohrfeigt." Ein weiterer Journalist, der Käthe Dorsch in einem Artikel irrtümlich älter gemacht hatte, kam glimpflicher davon: Ihm wurden von der Grande Dame des Burgtheaters per Brief Ohrfeigen angedroht – "und zwar für jedes Jahr eine".

Prozess

Beim Prozess Weigel gegen Dorsch forderte Kammerschauspieler Raoul Aslan dann, als Zeuge befragt, mit angemessenem Pathos "die Todesstrafe für Hans Weigel". Verurteilt wurde aber doch die Dorsch, und zwar "zu einer Geldstrafe von 500 Schilling, im Nichteinbringungsfalle drei Tage Arrest".

Politisch brisanter war eine Ohrfeige, die der deutsche Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger 1968 von der Journalistin und "Nazijägerin" Beate Klarsfeld einfing. Die 29-Jährige bestieg während eines CDU-Parteitags das Podium, ging auf Kiesinger zu und schlug ihn so fest, dass er eine Verletzung an der linken Wange erlitt. Im Prozess erklärte die Täterin, Kiesinger wegen dessen einstiger Mitgliedschaft bei der NSDAP attackiert zu haben. Sie wurde zunächst zu einer unbedingten Haftstrafe von einem Jahr verurteilt, die in der zweiten Instanz auf vier Monate bedingt reduziert wurde.

Beate Klarsfeld ist heute eine hochangesehene Frau. Sie half tatsächliche Kriegsverbrecher wie Alois Brunner und Klaus Barbie, den "Schlächter von Lyon", zu stellen und wurde mit hohen deutschen und französischen Orden ausgezeichnet. Im März 2012 trat sie für Die Linken als Gegenkandidatin von Joachim Gauck für das Amt des deutschen Bundespräsidenten an.

Direkt in die Nazizeit führt uns eine weitere Ohrfeigen-Affäre. Gustav Fröhlich zählte zu den populärsten Stars des deutschen Films und verliebte sich 1935 bei den Dreharbeiten zu "Barcarole" in seine junge Kollegin Lida Baarova. Die beiden wurden das Traumpaar des deutschen Kinos, bis Propagandaminister Joseph Goebbels eines Tages ins Filmstudio kam und sich an die attraktive Tschechin heranmachte.

Wohlwollen

Von Goebbels ist bekannt, dass er zahllose Affären mit Künstlerinnen hatte, deren Karrieren von seinem Wohlwollen abhingen. Die Baarova gab seinem Drängen nach und verließ Fröhlich. Der soll bei einer Premierenfeier auf Goebbels zugegangen sein und ihn vor allen Gästen geohrfeigt haben. Beweise für die Watschen gibt es keine, da derartige Skandale in den von den Nazis kontrollierten Zeitungen totgeschwiegen wurden.

Aber die Affäre hatte weitreichende Folgen: Goebbels wollte sich wegen der Baarova scheiden lassen, worauf seine Frau Magda sich an Hitler wandte, der einen Tobsuchtsanfall bekam und Goebbels’ Angebot, als Minister zurückzutreten und mit Lida Baarova als deutscher Botschafter nach Japan zu gehen, ablehnte. Goebbels musste die Beziehung beenden, und die Baarova war ab sofort für den deutschen Film gesperrt.

Gustav Fröhlich behauptete in seinen Memoiren, Goebbels nicht geohrfeigt zu haben, "da ich nicht lebensmüde war", aber Zeugen haben den Vorfall bestätigt.

Schneckerl

Harmlos dagegen verliefen Watschen-Affären in den Reihen des Sports. In den 1970er-Jahren ohrfeigte der Nationalspieler Rudi Flögel am Rapid-Platz den damaligen KURIER-Sportredakteur Hansjörg Wachta, weil der ihn in einem Artikel kritisiert hatte. Schlagzeilen gab’s 1989, als der Austrianer José Percudani seinen Teamkollegen "Schneckerl" Prohaska während des Trainings eine "geschmiert" hatte. Prohaska sagt heute, es hätte sich um eine kurze Auseinandersetzung gehandelt, wobei er nicht einmal sicher sei, ob Percudani die Hand nicht nur "ausgerutscht" war.

Strafe

Bei den Bayern krachte es 1999 zwischen Lothar Matthäus und Bixente Lizarazu, worauf der Franzose 10.000 Mark Strafe zahlen musste. Und in der WM-Qualifikation 2009 ohrfeigte Lukas Podolski seinen Mannschaftskapitän Michael Ballack.

Eine Kiefer-Prellung erlitt Ex-Skifahrer und TV-Star Armin Assinger, als er im Juli 2010 am Wörthersee von einem Holländer attackiert wurde. Den Autofahrer – Polizist von Beruf – hatte gestört, dass Assinger mit seinem Fahrrad neben einem anderen in zweiter Spur fuhr, wodurch er nicht überholen werden konnte. Der Tourist blieb stehen, schlug ihm ins Gesicht – und kam mit einer Geldstrafe davon.

Apropos Kärnten: Lehrreiches zum Thema kam, wie so oft, vom Kärntner FPK. Dort hatte der damalige Landeshauptmann-Stellvertreter Uwe Scheuch im Mai 2012 gemeint, dass "eine kleine Tetschen für Schüler gut und sinnvoll" sei. Nach einem Aufschrei von Medien und Psychologen ließ er wissen, dass "ein Rücktritt keine Option" sei. Inzwischen ist Uwe Scheuch, wenn auch aus ganz anderen Gründen, zurückgetreten.

Vielleicht haben ihm die Watschen in seiner Kindheit doch nicht ganz so gut getan wie er immer dachte.

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