Küchenschabe auf dem Foltersessel

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Richtung Finale mit harmloser US-Komödie und strengem Realismus aus Kasachstan.

Es freut mich, Sie kennenzulernen.“ Deutsch lernen kann man überall, auch mitten auf einer einsamen Landstraße in Texas. Dort schieben zwei junge Männer eine Maschine vor sich her und pinseln dabei gelbe Mittelstreifen auf den Beton. Einer hört dazu eine Kassette, die ihm deutsche Übungssätze vorspricht.

Viel mehr passiert dann eigentlich auch nicht in David Gordon Greens bescheidener Komödie "Prince Avalanche", die als US-Beitrag vor einem überraschend begeisterten Premierenpublikum im Berliner Wettbewerb gezeigt wurde. Immerhin agieren zwei so sympathische Hollywood-Burschen wie Paul Rudd und Emile Hirsch vor der Kamera, denen man insgesamt gerne zusieht. Anfangs können sie sich auch, wie es sich für eine gute "Bromance" (sprich, romantische Komödie mit zwei nicht-schwulen Männern) gehört, nicht leiden. Doch die geteilte Einsamkeit bringt die beiden wenig überraschend näher zusammen. Und nach einem gemeinsamen Kapitalrausch steht der Freundschaft nichts mehr im Weg.

"Prince Avalanche" ist keineswegs ein missratener Film, ganz im Gegenteil. Würde man ihn in einer kleinen Nebenreihe des Festivals entdecken, man hätte seine wahre Freude mit seiner unprätentiösen Anspruchslosigkeit. Als Beitrag im Hauptwettbewerb allerdings nimmt er sich einigermaßen schwachbrüstig aus, so sympathisch er auch sein mag.

Tierquälerei

Ein ganz anderes Kaliber ist da schon der strenge Realismus aus Kasachstan, der im Wettbewerbsbeitrag "Harmony Lessons" von Emir Baigazin vorherrscht. Während den Zuschauern üblicherweise am Ende von amerikanischen Filmen im Abspann versprochen wird, dass keinem Tier während der Dreharbeiten etwas zuleide getan wurde, kann man in "Harmony Lessons" fix davon ausgehen, dass dem Schaf vor laufender Kamera der Hals durchgesäbelt wurde.

Überhaupt geht es in Kasachstan recht rau her: Aslan, ein 13-jähriger Schüler und Außenseiter in einem Gymnasium irgendwo in der Steppe, leidet unter der Gewalt, die bei den Schulkindern untereinander angewendet wird. Er selbst reagiert sich in sadistischen Spielen ab, etwa, in dem er aus Büroklammern einen kleinen Sessel bastelt und darauf eine Küchenschabe "foltert". In sorgfältig komponierten Tableaus, die den Geist des Franzosen Robert Bressons atmen, erzählt Baizan bildgewaltig, aber wortarm die Geschichte einer zunehmenden Brutalisierung. Gegen Ende hin beginnt sich die Handlung zu überfrachten – insgesamt aber zählt „Harmony Lessons“ zu den spannenderen Beiträgen in einem ansonsten recht braven Wettbewerb. Die Preisverleihung folgt am Samstag (16. Februar).

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