"Sehr genau aufs Geld schauen"

Karin Bergmann sieht sich als Gestalterin, "nicht als Verweserin"
Burgtheaterchefin Karin Bergmann im Interview über Wunschdirektoren, Zurufer und erste Pläne.

Sie ist zur Zeit die begehrteste Interviewpartnerin in Österreichs Kulturszene. Und hat, obwohl quasi über Nacht bestellt und erst seit wenigen Tagen im Amt, schon sehr konkrete Vorstellungen: Burgtheaterchefin Karin Bergmann im KURIER-Gespräch.

KURIER: Sie wurden bei Ihrer Präsentation vom Burgtheater-Ensemble mit tosendem Applaus begrüßt. Ist Ihre Euphorie angesichts der schwierigen finanziellen Lage des Hauses schon einer Katerstimmung gewichen?

Karin Bergmann: Eine Katerstimmung herrscht bei mir definitiv nicht. Ich habe gewusst, worauf ich mich einlasse. Die Arbeit hier ist auch eine Frage des Energiepegels. Ich freue mich jeden Tag, ins Haus zu kommen. Und wenn ich zehn Stunden durchreden muss, weil ich andauernd in Sitzungen bin, gehe ich dann abends durch die Garderoben, treffe Schauspieler – und sofort geht’s mir gut.

Sie haben das Burgtheater 2010 als Vizedirektorin verlassen. Was haben Sie eigentlich in der Zwischenzeit gemacht?

Ich bin ein Theaternarr seit meinen Jugendtagen. Und habe 30 Jahre lang an Bühnen gearbeitet. Zum ersten Mal in meiner insgesamt 40-jährigen beruflichen Laufbahn hatte ich eine Pause. Die habe ich zum Lesen und zum Reisen genützt. Und bin natürlich oft ins Theater gegangen. Ich hatte in dieser Zeit einige schöne Angebote, habe aber alle ausgeschlagen.

Was war Ihr erster Bildungsweg?

Ich habe in Deutschland zuerst die mittlere Reife gemacht, dann einen klassischen Bürojob und parallel dazu die Abendmatura. Erst danach bin ich zum Theater gekommen.

Sie sind bis Ende August 2016 bestellt. Schon bald wird aber eine langfristige Direktorin oder ein Direktor gesucht. Werden Sie sich bewerben?

Ich habe bis Juni Zeit für eine Bewerbung. Bis dahin werde ich einen Überblick und ein Gefühl dafür haben, ob ich dazu Lust habe.

Wenn es nach dem Ensemble geht, müssen Sie Lust haben.

Ich bin unter Claus Peymann ans Burgtheater gekommen, das war eine großartige, turbulente Zeit. Aber er war sicher nicht der Wunschdirektor des Ensembles. Dass jetzt der Wunsch des Ensembles gehört wurde, ist gut, weil ein Krisenmanagement gebraucht wird. Aber Theater ist in der Regel nicht Mitbestimmungstheater.

Wie schwierig ist es, auch unpopuläre Maßnahmen zu setzen, wenn man mit einigen im Theater befreundet ist?

Ich bin mit Schauspielern nicht befreundet. Ich habe viele persönliche Kontakte zu Autoren oder Theaterschaffenden, aber meine Freunde sind alle außerhalb des Theaters.

Aber es heißt, Sie waren etwa mit der entlassenen Ex-Geschäftsführerin Silvia Stantejsky befreundet.

Wir haben 20 Jahre eine Arbeitsfreundschaft gepflegt. Mit dem sogenannten "System Stantejsky" bin ich dabei nicht in Berührung gekommen, oder es gab es damals noch nicht. Ich war stellvertretende künstlerische Direktorin, hatte jeweils vier oder fünf Produktionen gleichzeitig zu betreuen und war damit völlig ausgelastet. Aber grundsätzlich: Sollte ein Mensch Verfehlungen begangen haben, muss man ihn nicht persönlich fallen lassen. Ich weiß zwischen persönlichen und beruflichen Dingen gut zu unterscheiden.

Das ist in der Wiener Theaterszene besonders wichtig. Gibt es schon viele Zurufer mit guten Ratschlägen?

In den ersten Tagen noch nicht. Aber man kennt mich hier in Wien, und ich kenne Wien seit einem Vierteljahrhundert. Ich kann trennen, welche Rufer in der Sache agieren und welche aus persönlichen Interessen.

Einige Produktionen Ihres Vorgängers Matthias Hartmann galten als extrem teuer. Nun hat er freilich vorgeplant – sehen Sie da Einsparungspotenzial, auch bei den Gagen?

Ich werde sehr genau aufs Geld schauen. Das habe ich auch zehn Jahre als Vize unter Klaus Bachler gemacht. Man muss auch immer berücksichtigen, in welchem Rahmen Produktionen herauskommen. Ich kann nicht im Kasino mit 200 Plätzen ohne Abonnement gleich viel Geld ausgeben wie für Produktionen im großen Haus. Es geht um das richtige Maß.

Wann wird man die ersten ausschließlich von Ihnen geplanten Premieren sehen?

Im Herbst. Wir werden vor dem Sommer das Programm vorstellen. Es gibt Produktionen, die fixiert sind, aber auch viele offene Punkte. Ich sehe mich nicht als Verweserin, sondern als Gestalterin. Im Moment suchen wir mit Sven-Eric Bechtolf einen Regisseur für "Die letzten Tage der Menschheit", die Koproduktion mit den Salzburger Festspielen.

Wird es zur Premiere des Hartmann-Stückes "Der falsche Film", geplant für 7.4.,kommen?

Dieses Datum wird nicht zu halten sein. Aber ich hoffe, dass das noch in dieser Spielzeit stattfindet.

Brauchen Sie wirklich Hermann Beil als Berater?

Es ist völlig in Ordnung, dass er im Gespräch für die Direktion war. Ich verstehe aber auch, dass er sich nach so vielen Jahren für die Freiheit entschieden hat. Ich nehme sein Angebot, wenn nötig als Berater zur Verfügung zu stehen, gerne an. Für mich schließt sich damit ja ein Kreis, weil wir schon am Burgtheater zusammengearbeitet haben.

Der nächste Schritt in der Aufarbeitung der Finanzaffäre am Burgtheater wird einiges an Klarheit bringen: In den kommenden Tagen soll die Bilanz 2012/’13 feststehen – und damit auch, mit welchem Schaden bzw. welchen Steuernachzahlungen das Theater endgültig zu rechnen hat. Ursprünglich ging man von 8,3 Millionen Minus in der Bilanz und bis zu fünf Millionen Euro Steuernachzahlung aus. Letzteres aber dürfte weniger hoch ausfallen: Viele Schauspieler haben jene bisher fehlenden Aufenthaltsbestätigungen nachgereicht, die das Burgtheater von der möglichen Steuerschuld befreien.

"Wir können also absehbar mit einer geringeren Steuernachzahlung rechnen als bisher befürchtet", sagt der kaufmännische Leiter des Burgtheaters, Thomas Königstorfer, zum KURIER.

Nicht bestätigen will Königstorfer hingegen jene kursierende Information, dass das sonstige Minus in der Bilanz höher ausfallen dürfte als bisher kommuniziert. Man wolle knapp vor der Finalisierung "keinen Arbeitsstand kommunizieren".

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