Beethoven im Grenzbereich

Beethoven im Grenzbereich
Riccardo Chailly sorgt mit dem Gewandhausorchester des Wiener Musikverein für musikalische Schocks und ein Cerha-Meisterwerk.

"Ich weiß, das kann sehr provokativ klingen." Wie oft kann man das schon über Beethoven sagen? Riccardo Chailly kann es derzeit. Denn der Dirigent leitet im Wiener Musikverein das Gewandhausorchester durch alle Beethoven-Symphonien - und wählt einen ungewöhnlichen Zugang: Er hält sich exakt an die Metronom-Angaben Beethovens. "Es ist wahr, die sind extrem, die sind kaum spielbar", sagt der Italiener im KURIER-Gespräch.

Tut man es doch - in großer Besetzung, mit modernen Instrumenten - kommt man zu überraschenden Ergebnissen: "Die erste Symphonie war ein Schock für das Orchester", erzählt Chailly mit einem Schmunzeln. Doch konsequent über alle neun Symphonien durchgehalten, zeigt sich: Diese klingen wie ein einziges, zusammenhängendes "Opus magnum in 36 Sätzen." Denn die Querverweise zwischen den Werken werden "durch diese treue Attitüde zum Metronom" noch klarer, sagt Chailly.

Modern

Die Konzertserie, mit der Chailly und sein Orchester derzeit aus Anlass einer CD-Box (erschienen bei DECCA) diverse Säle bespielen, zeigt "die Modernität Beethovens, frisch und up to date." Und sie tut das noch auf andere Weise: Die Symphonien werden zeitgenössischen Werken von fünf Komponisten aus fünf verschiedenen Ländern gegenüber gestellt.

Auch ein Österreicher ist dabei: Jahresregent Friedrich Cerha hat sich mit der Neunten auseinandergesetzt. Eine große Hürde, von der Cerha nicht sofort begeistert war: "Danke für die Idee. Aber: nein", war Cerhas Reaktion, schildert Chailly. Doch dann hat er sich erweichen lassen, herausgekommen ist "ein Meisterwerk, 14 Minuten lang", zu hören am Freitag im Musikverein.

Pause von der "Operndiät"

2012 unterbricht Chailly seine "Operndiät", die er seit vier Jahren hält: Er dirigiert die Wiener Philharmoniker bei "Ariadne auf Naxos" bei den Salzburger Festspielen. Regie führt Sven-Eric Bechtolf.

Die Aufführung wird "orientiert zur Urfassung", sagt Chailly. "Das war für mich schon seit Jahren eine Obsession." Mit Staatsoperndirektor Dominique Meyer hat Chailly auch gesprochen. Aber: "Meine Zukunft erlaubt sehr wenig Zeit für Oper." Dafür gibt es weitere Pläne für Salzburg-Konzerte mit dem Gewandhausorchester und den Wiener Philharmonikern. Und mit letzteren gibt es auch "einen interessanten Reiseplan".

Der Dirigent: Riccardo Chailly

Zur Person: Geboren am 20. 2.1953 in Mailand. In den 70ern als Assistent von Claudio Abbado an der Scala.

Karriere: Chefdirigent u.a. des Concertgebouworchesters (1988-2004). Seit 2005 Kapellmeister des Gewandhausorchesters Leipzig. Nach Differenzen verließ er 2008 die Oper Leipzig, deren Generalmusikdirektor er war.

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