Baselitz zum 80er: Die malende Dauer-Extrawurst

"Im Wunderwald mit Georg Baselitz" Gino Alberti & Benita Roth / E. A. SEEMANNs BILDERBANDE
Der Künstler Georg Baselitz, der sich bei aller Anerkennung weiterhin als Revoluzzer versteht, wird am Dienstag 80.

"Mensch, Hans-Georg! Wo ist oben, wo ist unten, kannst du nicht einmal so wie alle anderen? Du Dauer-Extrawurst!"

Hans-Georg ist der in der hintersten Reihe. Anders als seine Mitschüler steht er auf dem Kopf, die Füße ragen in die Luft: So wollen es die Autoren des Kinderbuchs "Im Wunderwald mit Georg Baselitz", das anlässlich des 80. Geburtstags von Georg Baselitz, bürgerlich Hans-Georg Kern, am 23.1. erscheint.

Dass der Durchbruch des Künstlers 1963 mit einem Gemälde einherging, das einen – nicht kopfstehenden – onanierenden Buben zeigte, ist eben nicht so ganz kinderbuchtauglich.

Also wird Hans-Georg zu einem sympathischen, hyperkreativen Querkopf, und damit liegt das Buch nicht ganz falsch: "Extrem renitent" sei er als Kind gewesen, erklärt Baselitz in der Doku "Ein deutscher Maler", die am Samstag (20.1.2018) auf 3Sat ausgestrahlt wird (21.40 Uhr). Auf die Idee, Motive auf den Kopf zu stellen, kam Baselitz – der Name rührt vom Geburtsort des Künstlers, Deutschbaselitz in Sachsen, her – erst 1969, über 30 Jahre alt war er da bereits.

Gern dagegen

Baselitz zum 80er: Die malende Dauer-Extrawurst
Georg Baselitz, Fingermalerei – Adler, 1972 Öl auf Leinwand, 250 x 180 cm Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Pinakothek der Moderne, Wittelsbacher Ausgleichsfonds, München © Georg Baselitz, 2018 Foto: © Bayer&Mitko - ARTOTHEK

Den Status des Rebellen kultivierte Baselitz auch noch, als seine Bilder schon in Vorstandsetagen, Kanzlerbüros und den Sälen renommierter Museen hingen. War die Umkehr des Motivs eine Geste zur Befreiung der Malerei von ihrer Abbildfunktion, so schlüpfte Kontroversielles durch den Rückwärts-Purzelbaum zurück in die Bildwelt des Künstlers: Die Adler, auf denen der kleine Hans-Georg im Kinderbuch reitet wie Nils Holgersson auf der Gans, wurden in den 1980er Jahren als Deutschtümelei interpretiert.

Derlei Debatten scheinen heute vergessen, sofern sich Baselitz nicht selbst auf irritierende Weise äußert – in der aktuellen ZEIT etwa quittiert er den Aufstieg der AfD in seiner Heimat mit dem Satz "die Sachsen waren ja immer in Revolutionen anführend". Auch die Aussage "Frauen malen nicht so gut" (2013 im Spiegel) hängt ihm bis heute nach.

Baselitz zum 80er: Die malende Dauer-Extrawurst
Georg Baselitz, Schlafzimmer, 1975 Öl und Kohle auf Leinwand, 250 x 200 cm, Privatbesitz, © Georg Baselitz, 2018, Foto: Jochen Littkemann, Berlin

Dass Baselitz selbst gut malt, steht außer Zweifel, wenngleich sein Werk Reibeflächen bietet: Dass sich der Schmäh mit den umgedrehten Motiven abnutzte oder dass er sich selbst zu wiederholen begann, als er Motive früherer Tage wieder aufgriff, warf man ihm oft vor.

Rastlos im Atelier

Es lässt sich aber nicht leugnen, dass Baselitz’ Werk – von dem mit dickem Farbauftrag gemalten Frühwerk bis zum fast kalligrafischen Stil späterer Tage – eine enorme Entwicklung durchlaufen hat. Ebenso unbestritten ist, dass seine Variationen – etwa wie schwarze "Negative" bereits existierender Bilder – einer andauernden Neugierde über Wesen und Wirkung der Malerei geschuldet sind.

Eine Schau in der Fondation Beyeler nahe Basel /CH lässt nun alle Phasen Revue passieren, das nahe Kunstmuseum Basel zeigt Zeichnungen (beide: 21.1. – 29.4.). Die Pinakothek der Moderne München zeigt eine Grafik-Schau (23.1. – 18.2.). In Österreich ist Baselitz der Albertina eng verbunden, die 127 Werke hält – einige sind bis 18.2. im Sektor "Albertina Contemporary" ausgestellt. Auch in der Sammlung Essl ist Baselitz stark vertreten, für weitere Ausstellungen ist also gesorgt. Auch, weil es am Ende des Kinderbuchs heißt: "Genau jetzt malt er wieder ein neues, einzigartiges Bild".

Der Beiname „Jahrhundertkünstler“ gebührt Max Weiler (1910 – 2001) nicht nur wegen der Qualität seiner Bilder, sondern auch wegen des zeitlichen Rahmens, den sein gewaltiges Werk umspannt: Von ehemals verfemten Auftragswerken und gegenständlichen Bildern bis hin zur Entwicklung einer eigenständigen, stark vergeistigten Bildwelt erzählt das Werk des Tirolers auch von der Entwicklung und Rezeption der Kunst im Österreich des 20. Jahrhunderts.

Baselitz zum 80er: Die malende Dauer-Extrawurst
Das Max Weiler-Gemälde "Welt des Wachstums" (Ausschnitt)

2011 rückte die Albertina das zeichnerische Werk Weilers mit einer großen Schau in den Fokus. Die Kunsthistorikerin Regina Doppelbauer hatte aber bereits 2008 mit der Erfassung aller Zeichnungen Weilers begonnen. Die Arbeit ist nun abgeschlossen: Auf maxweiler.albertina.atsind rund 3500 Werke auf Papier, die Weiler in mehr als 70 Jahren schuf, einsehbar.

Doppelbauer erfasste alle „eigenständigen “ Zeichnungen und ließ Entwürfe für Wandgemälde und dergleichen weg – ein Werkverzeichnis der Gemälde ist derzeit in Arbeit. Der Katalog sei „nicht nur eine Blütenlese“, sondern zeige auch die suchenden, unsicheren Phasen in Weilers Entwicklung, sagt sie.

Weilers Frau Yvonne kümmerte sich zeitlebens intensiv um die Aufarbeitung des Werks. Nach ihrem Tod 2015 übernahm ihr Sohn Robet Najar die Betreuung des Nachlasses. Er entschied sich, 17 grafische Werke – darunter „Naturgebild“ (1985), die mit zehn Metern Länge größte je geschaffene Kohlezeichnung Weilers – der Albertina zu schenken. Die überantworteten Werke sind, gemeinsam mit anderen Weiler-Beständen des Museums, bis 18.2. ausgestellt.

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