Balthus-Ausstellung: "Nicht Pornografie, sondern Kunst"

Balthus-Ausstellung: "Nicht Pornografie, sondern Kunst"
Direktorin Ingried Brugger über die Balthus-Retrospektive, die am Dienstag eröffnet wird.

KURIER: Das Kunstforum Wien zeigt ab Dienstagabend den polnisch-französischen Künstler Balthasar Kłossowski de Rola, genannt Balthus. Warum?

Ingried Brugger: Ich habe mir Balthus immer schon gewünscht. Er ist einer der ganz Großen des 20. Jahrhunderts, ein Künstler jenseits der Moderne. Er hat einen anderen Weg gesucht und die Gegenständlichkeit nie infrage gestellt, er fasziniert als Arrangeur, Kompositeur und auch als Mensch. David Bowie und Bono haben ihn verehrt, Madonna war bei seinem Begräbnis. Und von ihm stammt das einzige Bild, das Pablo Picasso je erwarb. Aber Balthus, der sich als "König der Katzen" bezeichnete, war immer ein Außenseiter. Die Ausstellung haben wir in Kooperation mit der Scuderie del Quirinale in Rom realisiert. Es war ein wahnsinnig kompliziertes Projekt, denn es gibt viele Leihgeber.

Balthus werden pädophile Tendenzen nachgesagt.

Die Retrospektive war in Rom zu sehen, es gab keinen Aufschrei. Wir stellen nicht Pornografie aus, sondern Kunst. Balthus bediente alle Genres, er malte Stillleben wie Porträts und Landschaften, er arbeitete auch als Bühnenbildner. Und er war ein großer erotischer Künstler – wie Egon Schiele und Gustav Klimt. Er thematisierte mehrfach den Übergang vom Kindsein zum Erwachsenwerden mit den damit verbundenen Ängsten und Sehnsüchten. Aber er stellte das nur selten explizit, in der Regel vielmehr geheimnisvoll verschleiert dar. Wir sehen z. B. ein Mädchen, das eine Patience legt. Es spielt die letzte Karte nicht aus, sondern träumt sich weg. Dieses Mädchen ist vollständig bekleidet, das Bild hat aber trotzdem eine erotische Komponente.

Das hat wohl mit der nach vorne gebeugten Körperhaltung zu tun ...

Kinder haben noch keine Ahnung, was diese Pose bedeutet. Sie bewegen sich frei. Balthus hat genau das im Bild eingefroren. Aber es stimmt: Es gibt eine Doppeldeutigkeit.

Balthus wurde mitunter aber schon explizit: Man sieht z. B. die noch unbehaarte Scham.

Er hat sich sehr kindliche Mädchen ausgesucht. Seine Modelle waren aber alle über 16 Jahre alt. Klimt zeichnete onanierende junge Frauen. Im Vergleich dazu sind die Bilder von Balthus harmlos: Er zeigt die Mädchen nie als Abbild einer Wirklichkeit oder bei sexuellen Handlungen. Zudem herrscht sehr oft Eiseskälte und Isolation: Die Figuren haben nichts miteinander zu tun. Selbst ein Tizian-Akt ist sinnlicher.

Anfang Februar 2014 sagte das Folkwang-Museum in Essen nach Protesten eine Balthus-Ausstellung ab. Geplant war, eine Serie mit Polaroids eines halb nackten Mädchens zu zeigen, die Balthus mit über 80 Jahren geschossen hatte.

Ja, Die Zeit hatte die Polaroids als "Dokumente einer pädophilen Gier" bezeichnet. Es gab einen unglaublichen Shitstorm. Dazu muss man wissen: Die Mutter des Mädchens, es heißt Anna, war bei den Aufnahmen anwesend, sehr oft auch die Frau von Balthus. Der Vorwurf, ein lüsterner Greis begeile sich an einem jungen Mädchen, ist völlig daneben. Es gab auch seitens Anna nie Vorwürfe. Ich habe eine Auswahl an Polaroids daher ganz bewusst in die Ausstellung aufgenommen. Denn sie erklären viel über den Künstler. Ja, er hat über 2000 Polaroids nicht nur von Anna, sondern auch von Landschaften geschossen – als Studien für Gemälde. Er wollte das Vollkommene in einem Arrangement erreichen. Es geht daher nicht um die Abbildung eines nackten Mädchens oder der Natur, sondern um eine künstlerische Übersetzungsleistung.

Seit der Jahrtausendwende ist eine neue Prüderie feststellbar. Muss man nicht dem Zeitgeist Rechnung tragen?

Ich kann mit Political Correctness in der Kunst nicht wahnsinnig viel anfangen. Ich verstehe, dass man alles unternimmt, um Kinder zu schützen. Aber etwas Harmloses zu kriminalisieren ist unangebracht.

Wie geht es mit dem Kunstforum Wien weiter?

Es wird ein starkes Jahr. Ab 8. September zeigen wir Martin Kippenberger. Und danach, ab 7. Dezember, in Kooperation mit der Londoner Tate die US-Kunstikone Georgia O’Keeffe.

Schon. Aber die Bank Austria muss radikal sparen, der Vorstandsvorsitzende Willibald Cernko legt seine Funktionen mit 29. Februar nieder. Er war ein Verteidiger des Kunstforums. Wird man sich das Haus weiterhin leisten können?

Balthus-Ausstellung: "Nicht Pornografie, sondern Kunst"
honorarfrei
Ja, Cernko war ein Verteidiger des Kunstforums. Ich denke, dass sein Nachfolger Robert Zadrazil das Engagement fortsetzen wird. Er war in den letzten Jahren immer wieder bei uns. Ich habe keinerlei Sorgen. Denn das Kunstforum Wien ist ein Asset – gerade in Zeiten wie diesen. Unsere letzte Ausstellung – "Liebe in Zeiten der Revolution. Künstlerpaare der russischen Avantgarde" – wurde mit hymnischen Kritiken bedacht und zur besten Ausstellung des Jahres gekürt. Zudem hat das Kunstforum ja nicht nur die Bank Austria als Sponsor.

Dass die Bank Austria ihren Beitrag reduziert?

Geht nicht. Denn dann kann ich keine Ausstellungen mehr machen. Der Betrag ist seit Jahren gedeckelt und daher weniger wert geworden. Die Ausgaben aber sind gestiegen. Balthus hat uns über eine Million Euro gekostet, Georgia O’Keeffe wird über 1,5 Millionen kosten. Ich hoffe, dass sie ein Renner wird. Denn ich bin ja von den Einnahmen abhängig.

Die Sammlung der Bank wird vom Kunstforum mitbetreut. Kommt es noch zu Ankäufen?

Wir verwalten die Sammlung und präsentieren zwei Mal im Jahr unter dem Titel "Collected" verschiedene Aspekte. Und profitieren von ihr, denn wir können die Werke verleihen. Es gibt nach wie vor ein Ankaufsbudget, die Höhe für heuer wird noch definiert. In den letzten Jahren machte sie bis zu 200.000 Euro aus. Die Sammlung ist sehr lebendig.

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