Bachmann-Preis: Ab jetzt ist Schluss mit lustig

Rubinowitz (re.) in Tokio, wo er in einem Lift Platten auflegte, Aufzugsmusik. Daneben zwei japanische Zufallsbenutzer des Lifts, der über sieben Stockwerke ging, immer rauf und runter, mehrere Stunden: „Die Fahrgäste waren immer begeistert. Vielleicht der beste Job, den ich je hatte“
KURIER-Zeichner Tex Rubinowitz liest und verspricht: Es wird ernst.

Jeder Bachmann-Preis hat seinen Überraschungskandidaten. Nachdem im Vorjahr der Schauspieler Joachim Meyerhoff als ungewöhnlicher Vorleser aufgefallen ist, tritt diesmal Tex Rubinowitz, Zeichner, Autor, und DJ, auch bekannt als KURIER-Fernsehkommentator Teletex, beim Klagenfurter Lesewettbewerb an. Im Interview erklärt Rubinowitz, warum er dort auf keinen Fall lustig sein wird.

KURIER: Sie sind ein untypischer Bachmann-Preis-Teilnehmer. Haben Sie keine Bedenken, dort als Mann für die Show zu gelten?

Tex Rubinowitz: Ich denke, dass dieser Wettbewerb auch Leute für die Show braucht, sonst wird es zu exklusiv und zu literarisch.

Und Sie sind also heuer der Mann für die Show.

Ich fürchte es. Ich möchte nicht in dieser Rolle sein, aber es gibt in der Geschichte dieses Preises immer Leute, die was anderes machen, etwa Rainald Goetz. (Er ritzte sich 1983 während seiner Lesung die Stirn mit einer Rasierklinge auf.)

Sie haben aber keinen Aktionismus vor?

Nein, um Gottes willen. Das sind Ablenkungsmanöver. Ich weiß nicht, als was ich dort laufe. Das müsste man Daniela Strigl fragen, die hat mich eingeladen. Natürlich halte ich meinen Text nicht für schlecht, das wäre ja furchtbar.

Wie ist es denn zu Ihrer Teilnahme gekommen?

Ich habe einen Text eingeschickt.

Was war Ihr Grundgedanke?

Ich beobachte diese Veranstaltung seit vielen Jahren, weil sie ein faszinierendes Happening für Literaturfans ist. Ich hätte niemals gedacht, dort etwas hinzuschicken. Ich bewundere Literatur, aber ich dachte immer, dass ich das nicht kann. Man muss das können und dran glauben.

Und wieso haben Sie Ihre Meinung geändert?

Vor zwei Jahren hab ich einem damaligen Jurymitglied einen Text gegeben um zu wissen, was er davon hält, und er hat gesagt, Herr Tex, das ist ein super Bachmann-Text. Und damit hat er diesen Samen bei mir gesät und ich dachte: Warum versuch ist das nicht auch einmal.

Mit welchen Erwartungen gehen Sie dort hin?

Ich bin so froh, überhaupt genommen geworden zu sein. Das allein ist schon wie ein Lotto-Gewinn, schließlich bekommt jeder Juror 400 Texte. Ich rechne mir keinen Preis aus, aber die Teilnahme ist eine große Ehre für einen Autodidakten wie mich.

In Europa ist es ja im Gegensatz zu den USA nichts Ungewöhnliches, als Schriftsteller Autodidakt zu sein.

Vielleicht, weil das hier zu ernst genommen wird. Man geht weniger spielerisch an das Schreiben heran.

Dafür wird US-Literatur oft vorgeworfen, beinahe zu perfekt konstruiert zu sein.

Ich finde, amerikanische Literatur ist näher am Menschen. Wenn Sie an Philip Roth oder Richard Yates denken: Da wird Realität abgebildet, schnörkellos werden die Menschen seziert. Das vermisse ich im deutschsprachigen Raum. Ich verehre Yates und mehr noch John Cheever. Die erzählen Geschichten, und das mit einer tollen Sprache. Im deutschsprachigen Raum ist vieles, auch, was man beim Bachmann-Preis gehört hat, sehr gedrechselt.

Der Bachmann-Preis war – besonders früher – berühmt für teils recht harsche Kritik. Haben Sie Angst?

Nein, gar nicht. Das ist der Vorteil des Alters. Man denkt sich: Was soll schon groß passieren?

Aber das Wort "Bachmann-Preisträger" wäre schon ein tolles Namensanhängsel.

Ja, aber darum geht es mir nicht. Es geht einfach um die zauberhafte Atmosphäre. Es ist ein Wunder, dass so etwas dort passiert, eingequetscht zwischen dem Iron-Man und dem Golf-GTI-Treffen. Und das wäre beinahe vom ORF abgesagt worden. Das wäre ein großer Fehler gewesen.

Woher kommt Ihre Affinität zu dieser Veranstaltung?

Mein Freund Wolfgang Herrndorf ( 2013) hat vor zehn Jahren dort gelesen. Zuvor haben wird das gemeinsam jahrelang aus der Ferne beobachtet. Ich habe ihm zugeredet, einen Text hinzuschicken. Wenn er noch leben würde, hätte er mir bestimmt zugeredet teilzunehmen. Er mochte, was ich schreibe.

Ihre bisherigen Arbeiten kann man als humoristisch klassifizieren.

Ja, lustig zu sein ist viel einfacher als schwere Kost.

Weil heutzutage nichts ohne Ironie geht.

... ja, genau. Alles muss immer eine Pointe haben. Selbst die "Zeit im Bild". Ich halte das für ein Übel.

Sie sehen viel fern?

Ja, weil ich kein soziales Leben habe. Ich gehe nicht aus, das hat keinen Sinn. Ab einem bestimmten Alter wiederholt sich alles. Die Gespräche, die Erkenntnisse.

Zurück zu Ihrem Schreiben. Ihr neuer Text wird wieder humoristisch?

Nein, aber das Problem ist, dass die Leute das erwarten und das vielleicht auch herauslesen. Ich hoffe, dass die Menschen sehen, dass da einer versucht, in einer neuen Liga zu spielen.

Originell, denn sonst läuft es ja immer umgekehrt. Man sucht ständig überall den Humor.

Ja, die Literatur ist voller Missverständnisse. Hinter der Fassade von Bukowskis dreckigem Alten steckt viel Lebensfreude, aber auch sehr viel Leid. Doch die Leute wollen immer den dreckigen Alten. Sie sehen: Ich bin Leser, ich bin Literaturfan.

Stört es Sie, dass Sie hauptsächlich als Humorproduzent wahrgenommen werden?

Ja. Auch da gibt es viele Missverständnisse. Ich war zum Beispiel in der Anfangsphase von "Willkommen Österreich" dabei. Da war ich der Mann im Schrank. Ich sollte lustig sein, aber ich war es nicht. Ich wollte nicht. Ich war einfach nur muffig. Über 40 Folgen saß ich im Kasten und bekam null Applaus. Mein Publikum ist darauf konditioniert, dass ich witzig bin. Ich will das aber nicht.

Sechs Autoren aus Österreich lesen bei den 38. Tagen der deutschsprachigen Literatur in Klagenfurt. Deutschland stellt ebenfalls sechs Teilnehmer, die Schweiz zwei. Das Wettlesen wird am 2. Juli eröffnet, die Preise werden am 6. Juli vergeben, 3sat überträgt live. Vergangenes Jahr hatte es Diskussionen über ein Aus der Veranstaltung gegeben, derzeit steht das nicht zur Diskussion.

Benannt ist der Preis nach der aus Klagenfurt stammenden Dichterin Ingeborg Bachmann (1926– 1973).

Bei der Eröffnung des Wettbewerbs gibt es die traditionelle Klagenfurter Rede zur Literatur, diesmal gehalten von der Preisträgerin 2011, der Kärntner Autorin Maja Haderlap.

Die österreichischen Autorinnen und Autoren: Olga Flor, die bereits einmal am Wettlesen teilgenommen hat und 2008 für den Deutschen Buchpreis nominiert war;die in Niederösterreich lebende Wienerin Gertraud Klemm und der ebenfalls in Niederösterreich lebende Grazer Roman Marchel. Aus Graz kommen Georg Petz und Birgit Pölzl nach Klagenfurt. Tex Rubinowitz komplettiert das Sextett, er ist gebürtiger Hannoveraner, lebt in Wien. Aus der Schweiz kommen Michael Fehr und Romana Ganzoni. Deutschland ist mit Katharina Gericke, Anne-Kathrin Heier, Karen Köhler, Kerstin Preiwuß, Tobias Sommer und dem aus Sri Lanka stammenden Senthuran Varatharajah vertreten.

Neuigkeiten gibt es in der Jury: An die Stelle des Literaturkritikers Paul Jandl tritt der Literaturprofessor Arno Dusini. Den Juryvorsitz nimmt Burkhard Spinnen wahr. Auch heuer werden fünf Preise vergeben, der von der Stadt Klagenfurt gestiftete Ingeborg-Bachmann-Preis ist mit 25.000 Euro dotiert.

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