Autoren kritisieren "Spiegel"-Artikel zu Krachts neuem Roman

Autoren kritisieren "Spiegel"-Artikel zu Krachts neuem Roman
Jelinek, Kehlmann und weitere Autoren protestierten gegen eine "denunzierende" Kritik des neuen Romans von Christian Kracht. Dieser sagte die Buchpremiere in Berlin ab. ab

In einem offenen Brief an die Spiegel-Chefredaktion haben 17 Schriftsteller einen Artikel des Magazins zu dem neuen Roman "Imperium" von Christian Kracht scharf kritisiert. Zu den Unterzeichnern des Briefes zählen auch Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek und Bestseller-Autor Daniel Kehlmann. Der Verfasser habe "die Grenzen zwischen Kritik und Denunziation überschritten", hieß es in dem Schreiben. Äußerungen literarischer Figuren würden dem Autor zugeschrieben und als Beweis einer gefährlichen Haltung gewertet.

Autoren kritisieren "Spiegel"-Artikel zu Krachts neuem Roman

Der Spiegel-Journalist Georg Diez hatte dem Schweizer Autor Kracht Nähe zu rechtem Gedankengut vorgeworfen. Dabei stützt sich Diez jedoch nicht nur auf Passagen aus "Imperium", sondern bezieht sich insbesondere auch auf einen 2010 publizierten, bisher wenig beachteten Briefwechsel Krachts mit dem US-Künstler David Woodard. Krachts Brieffreund schwärmt laut Spiegel unter anderem für den Terroristen Timothy McVeigh und Goebbels Propagandaschreiber, Wilfred von Oven. Kracht seinerseits soll Woodard geraten haben, seine Gesinnung hinter einem "Nebelvorhang" vor den Linken in Europa zu verstecken, heißt es in dem Artikel weiter.

Die Absender des Offenen Briefes, darunter neben Kehlmann und Jelinek auch Monika Maron, Kathrin Schmidt und Katja Lange-Müller, gehen auf die Woodard-Passagen des Spiegel-Artikels nicht ein. Kracht selber äußerte sich bisher nicht zu dem Fall. Nach den Spiegel-Vorwürfen sagte Kracht seine für den 22. Februar geplante Buchpremiere in Berlin ab. "Der `Spiegel`-Angriff bedrückt Christian Kracht so sehr, dass er sich im Moment außerstande sieht, nach Deutschland zu kommen", teilte sein Verlag mit. Die Premiere fand daher in Zürich statt.

In seinem vierten Roman schildert der 45-jährige Kracht die Geschichte eines Aussteigers mitten in der deutschen Kolonialzeit. Der Nürnberger August Engelhardt hatte 1902 eine Südsee-Insel gekauft, um dort das "Kokovorische Weltreich" zu gründen. In Engelhardts Lehre ging es darum, nackt der Kokosnuss zu huldigen.

Kehlmann: "Kracht ist fasziniert von der Ästhetik totalitärer Systeme"

Der österreichische Bestseller-Autor Daniel Kehlmann ("Die Vermessung der Welt") hat seinen Schriftsteller-Kollegen Christian Kracht auch in einem Zeit-Interview gegen die Vorwürfe verteidigt: "Ich habe Krachts Roman `Imperium`, der mir sehr gut gefällt, eine Weile vor der Veröffentlichung gelesen und darin gar nichts weltanschaulich Bedenkliches gefunden."

Im Spiegel hatte der Rezensent Georg Diez dem Schweizer Kracht überdies vorgeworfen, "Türsteher der rechten Gedanken" zu sein. Der Vorwurf wiege hierzulande außerordentlich schwer, sagte Kehlmann. "Das kann regelrecht vernichten."

"Kracht ist in seinem Werk seit langem von der Ästhetik totalitärer Systeme fasziniert", sagte Kehlmann. "Das stört mich nicht, aber ich verstehe, dass man das kritisieren kann. Man kann das aber nicht in der Form kritisieren, dass man Kracht zum neuen Sarrazin macht."

Unterdessen erobert "Imperium" die Bestsellerlisten. Auf dem Spiegel-Ranking stand der Roman zuletzt auf Platz vier, ebenso auf der Focus-Bestsellerliste.

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