Auf Fischfang mit "Papa"

Auf Fischfang mit "Papa"
Inge Feltrinelli: Wie ein deutsches Vorstadtmädchen Hemingway und Castro Ungewöhnliches entlockte.

Eine Grundsatzfrage: Rolleiflex oder Leica?

„Ich fotografierte mit der Rolleiflex. Eine Leica hatte ich mir auch erspart, aber die war zu nervös. Ich brauchte etwas Statisches. Blitz und Akkumulator waren wahnsinnig schwer. Dabei brauchte ich Hilfe, um die Geräte zu halten, meistens männliche.“

Hemingway hat jedenfalls nicht geholfen. Auf Inge Feltrinellis Fotos hält er seinen dicken Bauch und einen riesigen Fisch in die Kamera. Oder er kugelt schlafend auf dem Boden herum. Oder er lehnt an der Floridita-Bar.

Er und sein Bauch waren jahrzehntelang gewissermaßen in einer Kiste vergraben, die Inge auf den Dachboden verbannt hatte, als sie 1960 Verlegersgattin und Bücher ihr Lebenselixier wurden. Nun sind sie ausgegraben und in Buchform beim Steidl-Verlag (der auch Günther Grass verlegt) erschienen.

Der Bildband erzählt die Geschichte der Inge Feltrinelli, geborene Schönthal, einem deutschen Nachkriegsmädchen aus Göttingen, das 1950 als Zwanzigjährige seine Heimat verließ. Hungrig, die Welt zu sehen, im Gepäck nichts als ihr bezauberndes Grinsen und die unhandliche Rolleiflex.

Eindrücke aus "Mit Fotos die Welt erobern"

Auf Fischfang mit "Papa"

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Auf Fischfang mit "Papa"

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Auf Fischfang mit "Papa"

Empörte Leser

Die selbstbewusste Schöne fotografierte bald im Auftrag einer Frauenzeitschrift Mode, Reportagen und Künstler wie Billy Wilder oder Marc Chagall („Er sah so nett aus. Wie der Rabbi auf seinen Bildern“). Und Picasso, der als schwierig galt, tatsächlich aber „entzückend“ war. Dass sie auf vielen Fotos, die sie mit Selbstauslöser machte, selbst zu sehen ist,empörte manche Leser, machte sie jedoch zur Marke. Sie lernte Springer und Augstein kennen, alle waren auf dem Weg nach oben. Per Luxusdampfer kam sie in die USA: Man ließ sie umsonst mitfahren. „Es war alles leichter für eine junge Frau ohne Geld, die Karriere machen wollte“, erzählt sie im Interview mit dem Journalisten Sven Michaelsen, das im Buch nachzulesen ist.

An einer New Yorker Straßenecke gelang ihr 1952 der heute legendäre Schnappschuss der scheuen Greta Garbo. Man bedenke: Handykameras gab es damals nicht, wer wollte, konnte anonym leben. Das Garbo-Bild war ein sensationeller „Schuss“, aber respektvoll. Der zarte, geheimnisvolle Star blickt sinnierend ins Nichts. Und putzt sich die Nase. Das Bild würde echte Paparazzi heute nicht interessieren. Life zahlte damals 50 Dollar dafür.

Zu Hemingway war Inge über den Verleger Ernst Rowohlt gekommen. Sie sollte ihn überzeugen, die Übersetzerin zu wechseln. Zwei Wochen verbrachte sie mit „Papa“ („Alle nannten ihn so“). Inklusive Fischfang auf seinem Boot „Pilar“ und täglich zwei Flaschen Valpolicella zum Mittagessen. Ob er sich in sie verliebte? „Vielleicht. Aber natürlich war ich ein gut erzogenes Göttinger Mädchen.“

Kommunist und Millionär

Mit dem selben herzlichen Lachen, mit dem sie den knarzigen Hemingway überzeugte, heiratete sie einen der reichsten Erben Italiens. Giangiacomo Feltrinelli, Gründer des gleichnamigen Verlages, Schwerenöter, Sonderling, Kommunist.

Ab den 50er-Jahren verlegte der Politaktivist Weltliteratur mit linkem Einschlag. Entdeckte Lampedusas „Leopard“ und Boris Pasternaks „Doktor Schiwago“. 1957 schmuggelte er das Manuskript aus Russland und verlegte den späteren Welterfolg als Erster. Mit Giangiacomo kehrte Inge auch nach dem Tod Hemingways oft nach Kuba zurück– unter anderem, um ihren Mann beim Ballspielen mit Fidel Castro zu fotografieren. Der Comandante „ redete wie ein Wasserfall und war kein guter Zuhörer“.

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Sie sei „frivol und impertinent“ gewesen, sagt sie rückblickend. Peter Handke riet sie, sich die Haare zu waschen. „Dafür geniere ich mich heute noch.“

Irgendwann war es zu Ende. Die Rolleiflex wanderte in die Kiste. Seit über vierzig Jahren leitet die bald 83-jährige Inge Feltrinelli das Mailänder Verlagshaus, ihr Mann hat es ihr überschrieben, kurz bevor er in den Untergrund ging und 1972 unter bisher ungeklärten Umständen starb. Sohn Carlo ist heute der „Big Boss“, mit ihm streitet sie gern über Bücher.

Ihr Lieblingssatz stammt von Lampedusa, er passt zu ihrem bewegten Leben: „Es muss sich alles ändern, damit sich nichts ändert.“

Info: Inge Feltrinelli: „Mit Fotos die Welt erobern“. Steidl. 280 S. 39,10 Euro.

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