"Arbitrage": Wohlstand siegt über Moral

Richard Gere in "arbitrage"
Richard Gere brilliert in "Arbitrage" als Hedgefonds-Manager, der über Leichen geht + Die Quellen des Lebens: Oskar Roehler verfilmte seine eigene Familien-Chronik - Findet Nemo in 3D

Es scheint in uns Kinogeher irgendwie eingeschrieben: Wir identifizieren uns gern mit den Hauptfiguren. Mögen diese Ratten sein oder Waschlappen oder wie hier: ein Schuft. So korrupt, so selbstverliebt, so über Leichen gehend kann er gar nicht sein: Man identifiziert sich einfach mit ihm. Einfach?

Das ist gar nicht so einfach. Selten hat das nämlich ein Regie-Erstling so gut hingekriegt wie „Arbitrage“, geschrieben und inszeniert von US-Debütant Nicholas Jarecki. Und selten hat das ein Schauspieler so charmant beklemmend gespielt wie Richard Gere. Als superreicher Hedgefonds-Manager, der in einen Multimillionen-Dollar-Betrug involviert ist; der seine Frau betrügt; den Tod seiner Freundin zu vertuschen sucht (ist es gar Mord an ihr?) und noch die eigene Tochter anlügt. Trotzdem. Trotzdem schauen wir ihm zu, sympathisieren mit dem Betrüger und fiebern mit, wie er versucht davonzukommen.

Das ist zum großen Teil dem großen Richard Gere geschuldet, dieser Inkarnation von Eleganz im Nadelstreif. Stets federnden Schrittes, stets lächelnd, als wüsste er mehr als alle Anwesenden im Raum: Gere scheint hier auf der Höhe seiner Schauspielkunst. Als hohler Familienvater Robert Miller; als Financier, der Worte wie „Blase“ so charmant ausspricht, dass man nicht widerstehen kann; als Mann, dem die Ehefrau (Susan Sarandon) immer noch die Krawatte bindet, während die Geliebte (Laetitia Casta) im fremden Bett auf ihn wartet.

Wir schauen ihm zu, wie er bereit ist, jeden zu betrügen – seine Tochter, seine Frau, seine ältesten Freunde; der seine fast insolvente Firma verkaufen muss, um seine Schulden und die frisierten Bücher zu vertuschen; der nicht einmal die Rettung holt, obwohl er einen Unfall verschuldet. Der gewinnen will um jeden Preis.

Man sieht schon. „Arbitrage“ ist ein bemerkenswerter Thriller, schwingt er sich doch zu einer bemerkenswerten Charakterstudie auf. Es ist das Milieu skrupelloser Finanzmanager, Miller einer jener Männer, die mitverantwortlich für die Finanzkrise 2008 waren, jedoch nie angeklagt und noch immer am Werk. Ja, die Hauptfigur ist sichtlich von Bernard Madoff inspiriert. Und tatsächlich weiß der Regisseur auch, wovon er erzählt, ist er doch selbst Sohn eines Investors (Henry Jareckis). „Arbitrage“ zeigt Reiche, die sich über das Gesetz stellen können: Wohlstand siegt über Moral, lautet am Ende der bittere, gesellschaftskritische Befund. Pikant, dass wir uns damit identifizieren können.

KURIER-Wertung: **** von *****

INFO: Arbitrage: USA 2012. 107 Min. Von Nicholas Jarecki. Mit Richard Gere, Susan Sarandon und Tim Roth.

Zu 28,75 Prozent autobiografisch. So sei, sagt Oskar Roehler, das Buch, das er über drei Generationen seiner eigenen Familie geschrieben hat. „Herkunft“ heißt es und es ist, man muss es sagen, nicht gerade ein gemütlicher Sonntagnachmittags-Spaziergang mit der Familie. Roehler erzählt darin, wie er als Sohn des Schriftsteller-Paares Gisela Elsner und Klaus Roehler geboren wurde, von der Vernachlässigung durch diese Eltern, von Verwahrlosung, Schlüsselkind-Dasein und der Wärme im Haushalt des Nazi-Opas, von Internatserfahrung und erster Liebe. „Quellen des Lebens“ ist nun der Film zu diesem Buch und Leben, ebenfalls von Oskar Roehler.

Doch Film ist Film, und Leben ist Leben, und das Leben in diesem Film ist , man muss es sagen, wenig glaubwürdig. Wie autobiografisch es auch sein möge.

Zugegeben, es ist eine traumatisierende Familiengeschichte. Aber das allzu Märchenhafte der Inszenierung, der (allzu hölzerne) Erzähler und die allzu kitschigen Lichtspiele unterlaufen die Schonungslosigkeit, die darin liegen würde und liegt.

Schon in „Die Unberührbare“ (2000) hatte Roehler von seiner Mutter erzählt, die ihn verlassen hat, als er erst drei Jahre alt war. Doch hier wie dort (und in „Jud Süß“, zuletzt) zelebriert er allzu gestelzt seinen Willen zur Kunst: Wenn etwa die Oma im Bett in rosa Licht getaucht wird, daneben der Opa aber in blaues. Was soll das genau bedeuten? Man weiß es nicht, und es entwickelt auch weiter keinerlei filmische Verdichtung. Im Gegenteil.

Kostüm-Fundus

Manche der Figuren scheinen wie aus einem Theater-Kostüm-Fundus gefallen, wie etwa der Opa als Kriegsheimkehrer (Jürgen Vogel).

Andere wiederum scheinen gewagt besetzt: Moritz Bleibtreu etwa, in vielen Roehler-Filmen hervorragend, darf hier dessen Vater spielen. Aber den 20-jährigen nimmt man ihm dann doch nur mit Mühe ab.

Die besten Momente hat das fast dreistündige Epos aus dem deutschen Wirtschaftswunder noch in seinen Grotesken: Wenn etwa eine Blasmusik-Kapelle als Gartenzwerge verkleidet ein Prosit der Gemütlichkeit schmettert ( Roehlers Großvater hat den Gartenzwerg erfunden). Dann ist der Film zumindest freiwillig sehr zum Grinsen.

KURIER-Wertung: *** von *****

INFO: "Quellen des Lebens" - D 2012. 173 Min. Von Oskar Roehler. Mit Moritz Bleibtreu, Sonja Kirchberger.

Einer der vielen genialen Coups aus dem Hause Pixar: Mit der Geschichte vom Clownfisch Nemo gelang den Animateuren 2003 ein durch und durch berechtigter Riesen-Erfolg. Jetzt wird der Filmhit für die nächste Generation (oder aber Menschen ohne Langzeitgedächtnis) in digital überarbeitetem 3-D nochmals ausgewertet. Was allerdings wenig visuellen Mehrwert bringt. Was soll’s? Diesen Film kann man ohnehin immer und immer wieder sehen.

KURIER-Wertung: ***** von *****

Findet Nemo 3 D: USA 2003/2012. 100 Min. Von Andrew Stanton und Lee Umkrich.

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