"Anne Will": Sender verteidigt Einladung von "Niqab-Nora"
Nach harscher Kritik am Auftritt einer vollverschleierten Muslimin in der Talkshow "Anne Will" hat der Sender die Einladung der Frau verteidigt. Sie sei sorgfältig abgewogen worden, teilte die verantwortliche NDR-Redakteurin Juliane von Schwerin am Montag mit.
Im Zentrum der Empörung stand Nora Illi (32) vom Islamischen Zentralrat der Schweiz, die am Sonntagabend mit einem Niqab aufgetreten war, der nur einen schmalen Sehschlitz freiließ. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Wolfgang Bosbach und der Autor Ahmad Mansour warfen ihr in der Talkshow vor, sie verherrliche den Krieg in Syrien. Moderatorin Anne Will hielten die beiden vor, sie habe dem radikalen Islam mit dem Auftritt von Illi in der Sendung eine breite Plattform geboten.
Dazu hieß es vom NDR: "Die umstrittene Haltung von Frau Illi zum Beispiel zur Problematik der Ausreise von Jugendlichen nach Syrien ist deutlich zutage getreten und heftig debattiert worden." Die Zusammensetzung der Diskussionsrunde habe zu einer "angemessenen wie notwendigen Auseinandersetzung" geführt.
Hintergrund: "Niqab-Nora" sorgt für Debatten
Eine Frau in Vollverschleierung, zur besten Sendezeit im deutschen Fernsehen. Obendrein eine, die anscheinend Werbung macht für einen radikalen Islam? Was Deutschland aufregt, hat die Schweiz längst abgehakt. Eher schmunzelnd nimmt man zur Kenntnis, dass "die Niqab-Nora" im Ausland mal wieder Furore macht. Kürzlich im österreichischen Fernsehen bei Puls 4 in der Sendung "Pro & Contra" und nun in der ARD-Talkshow "Anne Will".
Erst kürzlich hat das Parlament in Bern mit knapper Mehrheit dem Antrag der nationalkonservativen Schweizerischen Volkspartei (SVP) zugestimmt, ein landesweites Burkaverbot gesetzlich zu verankern. Das haben auch die TV-Auftritte von Nora Illi (32) nicht verhindern können.
Vor einigen Jahren sorgte die vierfache Mutter aus dem Berner Multikulti-Stadtviertel Bümpliz freilich noch für mediale Schockwellen. "Mein Schleier gibt mir ein Gefühl von Freiheit", erklärte sie 2010 in der Talksendung "Club" des Schweizer Fernsehens (SRF) - und löste Proteste von Frauenrechtlerinnen aus.
Illi war damals gerade Frauenbeauftragte des Islamischen Zentralrats Schweiz (IZRS) geworden. Rasch stieg sie zur Symbolfigur der Islam-Debatten auf. Eine wortgewandte Frau mit Vollschleier und Schweizer Pass, das hatte es vorher noch nicht gegeben.
Neben ihrem unerschütterlichen Bekenntnis zur konservativen Ausprägung des Islams bewies die Konvertitin gelegentlich auch Humor. Als Illi in einem Online-Chat der Zeitung "Blick" gefragt wurde, ob sie ihren Schleier auch mal ablege und wie sie sich dann fühle, sagte sie: "Nur beim Suppenessen mit Niqab kann es Schwierigkeiten geben."
Wenn sich in der Schweiz kaum noch jemand über Illi aufregt, liegt das auch an der Erkenntnis, dass sie lediglich eine kleine Minderheit muslimischer Frauen vertritt. Der IZRS ist keineswegs eine Art Dachorganisation für die rund 400.000 Muslime in der Schweiz, wie der hochtrabende Name vermuten lassen könnte. Vielmehr handelt es sich um einen radikal-islamischen Verein, der vom Nachrichtendienst beobachtet und vom Mainstream der Muslime gemieden wird.
Immerhin hat der 2009 im Zuge der Schweizer Debatten über das damalige Verbot des Baus von Minaretten gegründete IZRS rund 3000 Mitglieder. Die meisten sind Schweizer. Der Genfer Islamwissenschaftler Tariq Ramadan spricht von "Sektierern ohne Basis".
Warum Massenmedien einer solchen Randgruppe ein Forum bieten, fragt sich mancher in der Schweiz. Auch Nora Illis Ehemann Abdel Azziz Qaasim - er stammt aus Schaffhausen und heißt eigentlich Patric Jerome Illi - ist immer wieder mal medial präsent. Er ist der Sprecher des IZRS. Und wann immer es in Europa einen Terroranschlag gibt, fragen Reporter an, ob sich sein Verein davon distanziert.
Das geschah bisher eher zurückhaltend, ja nahezu abweisend: Als vor einem Jahr bei den Anschlägen in Paris weit mehr als 100 Menschen getötet wurden, fragte Illi laut "Wochenzeitung" zurück, "warum er sich distanzieren solle, er selbst habe ja nicht geschossen und zur Gewalt aufgerufen habe er auch nicht".
Vorstellbar ist, dass eine gewisse Faszination für das schwer fassbare Unheimliche das Interesse an schillernden Konvertiten wie den Illis beflügelt. Beide wuchsen in bürgerlichen Verhältnissen auf.
Nora - Tochter eines Psychotherapeuten aus Deutschland und Sozialpädagogin - war als Jugendliche in der Punkszene unterwegs, ließ sich als Teenager auf eigenen Wunsch katholisch taufen und wandte sich später zunächst dem Buddhismus zu. Bei einem Urlaub mit dem Vater - die Eltern sind geschieden - soll ein islamischer Geistlicher in Dubai die damals 17-Jährige bekehrt haben. Ihren späteren Mann soll die ausgebildete Drucktechnikerin bei einer Solidaritäts-Aktion für Palästina getroffen haben.
"Der Islam ist nicht einfach eine Religion, er ist das ganze Leben", sagte Nora Illi 2011 in einem Zeitungsinterview in Kairo, wo sie Arabisch lernte. Frauenrechtlerinnen brachte sie damals mit einem Plädoyer für die Mehrehe auf die Palme. "Es liegt in der Natur des Mannes, dass er sich irgendwann nach einer anderen Frau sehnt." Deshalb sei es gut, dass der Koran die Ehe mit mehreren Frauen erlaube, was sie natürlich auch ihrem Mann zugestehen würde.
Zynisch formuliert könnte man meinen, es ist ja kein Wunder, dass sich diese Frau hinter einem schwarzen Tuch versteckt hat, bei dem Unsinn, den sie in Anne Wills Talkshow verbreiten durfte. Aber es bleibt die Frage nach dem Warum! Warum darf eine Frau mit Niqab in der öffentlich rechtlichen deutschen ARD voll verschleiert auftreten und dabei noch Sympathien für junge Menschen äußern, die sich in den angeblich heiligen Krieg begeben?
Es geht um die Quote, um die Sensation, um den großen Wirbel. Ja, so tief können Gebührensender sinken. Dass man einfach das Thema des zuvor gezeigten "Tatort"-Krimis weiter erörtern wollte, ist eine dumme Ausrede. Nora Illi, eine Konvertitin aus der Schweiz, die absurderweise auch noch Frauenbeauftragte der dortigen Muslime ist, hatte wohl ihren Spaß, gut verborgen hinter schwarzem Tuch. Für alle Frauen, ob muslimisch oder nicht, war ihr Auftritt eine Beleidigung. Und noch schlimmer: Das was sie sagte, war gefährlich: Sie schwadronierte von „Selbstentfaltung“ unter dem Schleier und wollte irgendwie rechtfertigen, dass sich Mädchen, die sich hier diskriminiert fühlen, dem Morden des IS in Syrien anschließen. Dort sind sie dann ganz bestimmt völlig frei. Oder? Dass Frauen in Gebieten, die vom IS befreit wurden, als erstes sich den Schleier vom Kopf rissen, kann diese Schweizerin, verbohrt wie sie ist, nicht verstehen. Vielleicht sollte sie Frauen-Beauftragte des IS werden.
„Wir müssen den jungen Leute einen Glauben anbieten, der nicht zur Radikalisierung führt“, das war einer der vielen vernünftigen Sätze von Ahmad Mansour, der selbst einmal radikal gedacht hat, nun aber ein Wegweiser für irregeleitete junge Muslime sein kann. Ja, diese Vorbilder gibt es, sie gehören in die Medien. Im Gegensatz zu dieser Frau im schwarzen Schleier. Man kann nur hoffen, dass der ORF nicht auf blöde Ideen kommt. Oder das Schlimmste befürchten.
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