"Das ist nicht die Welt, von der ich geträumt habe"

Angela Gheorghiu: „Warum tue ich das eigentlich? Weil ich Direktor Meyer sehr schätze“
Star-Sopranistin Angela Gheorghiu ist in einer Mezzo-Rolle in Massenets "Werther" zu hören.

Eine weltberühmte Sopranistin singt am Donnerstag in der Wiener Staatsoper zum ersten Mal auf der Bühne eine berühmte Mezzo-Rolle: Angela Gheorghiu ist als Charlotte in Jules Massenets "Werther" zu hören, Frédéric Chaslin dirigiert.

KURIER: Wie kam es zu dieser ungewöhnlichen Idee?

Angela Gheorghiu: Ja, das ist wirklich die verrückteste Sache meines Lebens.

Haben Sie nicht schon viele verrückte Sachen gemacht?

Ich habe Mutiges gemacht, aber das ist verrückt. Ich gebe zum ersten Mal ein solches Debüt mit sehr wenigen musikalischen und szenischen Proben. Es gibt ja auch einen neuen Tenor, Jean-François Borras, nachdem Ramón Vargas abgesagt hat. Kaum Proben in einer Produktion, in der ich mich noch nicht wohlfühle. Ich komme mir in diesem Bühnenbild mit dem riesigen Baum vor wie Jane in "Tarzan" (lacht).

Wie passt diese Mezzo-Rolle zu Ihrer Stimme?

Ich habe Charlotte schon auf CD gesungen, ich weiß also, wie meine Stimme in dieser Partie klingt. Ich liebe diese Musik. Aber diese Rolle ist natürlich nicht so befriedigend wie andere. Ich habe so wenig zu singen im Vergleich zu anderen Partien.

Haben Sie Goethes "Werther" gelesen?

Selbstverständlich. Ich habe mich auch viel mit dieser Zeit beschäftigt. Aber hier wurde ja die Zeit geändert. Auf der Bühne sieht es aus wie in den 1950er-Jahren. Ich warte nur darauf, dass die Musik von Elvis Presley kommt. Aber wir werden das Beste daraus machen. Und ich werde vom Baum ablenken, damit man mich auch sieht. Ich bin ja doch ein Good Girl.

Oper als innovative Kunstform oder doch als Museum – wie sehen Sie das?

Darling, diese Diskussion gibt’s doch schon ewig. Ich habe dazu seit Langem dieselbe Meinung: Ich bitte immer darum, dass ich auf der Bühne nicht hässlich sein muss. Dass die ganze Produktion nicht hässlich ist. Warum sollte man Teil eines hässlichen Dings sein? Mein Traum war immer, dass die Leute "Tosca" oder "Traviata" sehen wollen – mit mir. Es geht nicht um Experimente.

Heutzutage versucht so gut wie jedes Theater, mit Kino- oder Internet-Übertragungen neues Publikum zu erreichen.

... aber Darling, auch darüber wird schon seit 60 Jahren geredet. Wenn man alte Interviews liest, hat man schon damals von neuem Publikum gesprochen. Heute geht es nur noch mit perfekter Hilfe von Massenmedien. Nur durch meine CDs und DVDs wünschen sich die Menschen, Angela zu sehen.

Aber irritieren die Übertragungen die Sänger nicht auch?

Ich sage Ihnen etwas: Alles, was ich seit meinem 17. Lebensjahr gesungen habe, wurde gefilmt. Was ich heute schwierig finde: Dass es nur noch Live-Aufnahmen gibt. Wäre ich heute jung, würde ich sagen: Das ist nicht die Welt, von der ich geträumt habe. Ich war so glücklich, die schönste Zeit von großen CD-Produktionen zu erleben. Ich hatte in meinem Vertrag, die besten Dirigenten und Sänger auswählen zu können. Heute ist das unmöglich. Alles ist immer nur live. Aber das Resultat ist nicht dasselbe. Das ist nicht mehr á la carte wie in einem Studio.

Sind Live-Aufnahmen nicht ein besonderes Erlebnis für Hörer?

Vielleicht. Aber warum werde ich so unter Druck gesetzt? Sollen die Sänger auf der Bühne an Herzinfarkt sterben? Sie werden auch nicht extra bezahlt. Wenn es morgen kein YouTube mehr gäbe, wäre das für mich eine Erleichterung. Sobald eine CD von mir erscheint, hat sie am nächsten Tag jeder gratis. Dabei geht es um mein Brot.

Wenn Sie heute 15 wären – würden Sie nochmals eine Sängerkarriere anstreben?

Ich bin froh, dass ich nicht in dieser Position bin. Aber ich würde wohl trotzdem singen. Ich hätte gar keine Idee, was ich sonst tun sollte. Singen ist für mich wie atmen. Es ist stärker als ich selbst.

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