"Er will uns in den Wahnsinn treiben"

"Am Ziel" in der Josefstadt, Andrea Jonsasson spielt "Die Mutter": "Bei Bernhard wird der Kopf glühend heiß".
Andrea Jonasson über Thomas Bernhard, Österreich, Italien und naturgemäß englische Mäntel.

Die große Schauspielerin Andrea Jonasson spielt zum ersten Mal Thomas Bernhard: Am Donnerstag hat "Am Ziel" in der Josefstadt Premiere: Jonasson spielt "Die Mutter", die in endlosen Monologen, aber auch in Gesprächen mit der "Tochter" und dem "Schriftsteller" ihre Beziehung zum Leben und zum Theater reflektiert.

KURIER: Sie proben mit Halskrause, trotz einer schweren Verletzung infolge eines Sturzes in der Schweiz?

Andrea Jonasson: Ja. Die Ärzte haben gesagt, ich muss sechs Wochen brav sein – aber ich war gar nicht so brav auf den Proben. Zwei Wirbel haben eine Fraktur. Ich habe mich geweigert, mich operieren zu lassen. Ich sagte, ich muss zurück nach Wien, auf die Proben. Die Ärzte haben mich gefragt: Wollen Sie Theater machen oder wollen Sie leben? Da habe ich gesagt: Ich muss Theater machen. The show must go on! Jemand anderer hätte vielleicht verschieben lassen.

Das kommt für Sie nicht infrage?

Leider nicht. Und dieses Stück ist so, Sie entschuldigen das Wort, sauschwer! Ich habe viele Rollen gespielt, aber so etwas noch nicht: Dass man nur in einem Sessel sitzt und räsoniert und schimpft, über den Mann und die Tochter und den Schriftsteller und sein furchtbares Stück. Sie redet und redet und redet um ihr Leben. Und die Gedanken springen, wie das bei Bernhard eben ist. Dann wiederholt sich ein Satz fünf Seiten später – da kann es passieren, dass man fünf Seiten weiter ist und eine Riesenszene ausgelassen hat.

Der Schriftsteller im Stück erinnert an den Autor selbst.

Im Schriftsteller hat sich der Thomas Bernhard ironisiert. Meine Figur sagt zum Schriftsteller: Sie wollen Ihre Figuren in den Wahnsinn treiben. Und ich glaube, das will der Bernhard auch – er will uns in den Wahnsinn treiben! Schlaflose Nächte macht er mir! Gert Voss hat einmal gesagt, bei Bernhard-Texten wird der Kopf glühend heiß – und genauso ist es!

Szenenfotos zum Stück

"Er will uns in den Wahnsinn treiben"

FOTOPROBE: "AM ZIEL"
"Er will uns in den Wahnsinn treiben"

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Mögen Sie Bernhard?

Ich mag ihn sehr! Dieses Stück spielt ja in Holland, da kommt die ganze Boshaftigkeit gegenüber Österreich gar nicht vor. Das ist aber das Amüsante in den anderen Stücken. Diesmal ist es anders: Sie warten auf den Schriftsteller, wie in "Warten auf Godot", und meine Figur redet und widerspricht sich dabei. Und sie bindet ihre Tochter an sich, sie hat sie lebensunfähig gemacht.

Ist sie ein Verweis auf Bernhards abwesende Mutter?

Das könnte sein. Ich hätte den Bernhard so gerne kennengelernt! Auf den Proben denke ich mir oft, wenn er doch nur da wäre, dann könnte ich ihn um Rat fragen! Er ist ja sehr von seiner Mutter vernachlässigt worden, der einzige Mensch, an dem er wirklich hing, war sein Großvater. Mit der Mutter hat er, glaube ich, eine Hassverbindung gehabt. Und meine Figur hat eine solche Hassverbindung mit ihrer Tochter.

Bernhards Lieblingswort ist ja "naturgemäß" – nicht natürlich, sondern "naturgemäß"!

Ja, das sage ich auch im Stück, aber nur ein Mal. "Mein Mann hat nur englische Mäntel getragen. Naturgemäß englisch."

Sie leben ja seit vielen Jahren auch in Italien. Wie ist die Situation der Theater dort?

Matteo Renzi versucht, viele Reformen zu machen. Aber die Kultur ist überall in Schwierigkeiten, vor allem in den weniger großen Städten. Es gibt viele Schauspieler, die bereit sind, auf die Gage zu verzichten, weil sie spielen wollen – aber die sagen, wir brauchen wenigstens die Diäten, damit wir Hotel und Essen bezahlen können. So weit ist es schon. Es gibt ja auch kein Geld mehr, um Pompeji zu erhalten.

Wo leben Sie die meiste Zeit?

Derzeit fast nur in Österreich. Ich hoffe, ich bekomme wieder die Gelegenheit, in Italien Theater zu spielen. Ich möchte nicht wieder aus dem Italienisch herauskommen! Ich habe mir diese Sprache mit so viel Arbeit und der Hilfe von Strehler angeeignet und dann bei ihm Riesenrollen auf Italienisch gespielt. Ich will das nicht umsonst gemacht haben. 24 Jahre mit ihm waren eine tolle Zeit! Jetzt merke ich, wenn ich nach Italien komme: Die Mundwerkzeuge funktionieren nicht mehr so!

Funktionieren die Sprachen sehr unterschiedlich auf der Bühne?

Du musst anders denken! In Italien geht es schneller – und die Gestik ist anders. Am aufregendsten war es, als ich sechs Monate im Jahr am Burgtheater gespielt habe und sechs Monate am Piccolo in Mailand. Das Spannendste war, als ich in Mailand mit Strehler "Riesen vom Berge" spielte – und Peymann hat die Aufführung ans Burgtheater geholt. Es war alles gleich, nur die Sprache und die Kollegen waren anders. Da habe ich von Dienstag bis Sonntag in Mailand auf Italienisch gespielt, am Sonntag bin ich dann nach der Nachmittagsvorstellung nach Wien geflogen, und ab Montag habe ich dann in Wien auf Deutsch gespielt.

Haben Sie Fehler gemacht?

Jeder wartete darauf, dass ich in die andere Sprache falle. Aber das ist nicht passiert. Nur einmal habe ich zu Heltau statt "Ja" gesagt: "Si!" Das war spannend. Und Theater muss spannend sein.

Zur Person

Lebenslauf Andrea Jonasson kam 1942 in Freiburg zur Welt.1973 lernte sie bei den Salzburger Festspielen den Regisseur Giorgio Strehler kennen. Bis zu seinem Tod 1997 blieb sie seine künstlerische und private Partnerin.

Karriere Jonasson spielte in zahlreichen Filmen, außerdem an Burg, Josefstadt, Thalia-Theater oder Piccolo Teatro in Mailand.

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