Katharina Klarin "Alles Walzer, alles brennt - Eine Untergangsrevue" im Volkstheater

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Volkstheater

Es war einmal ... das rote Wien

"Alles Walzer, alles brennt" im Volkstheater: Frontalunterricht mit Klamauk und alten Wunden.

von Georg Leyrer

10/18/2016, 04:00 AM

"Alles Walzer, alles brennt" eignet sich ganz hervorragend zum Sozialdemokratie-Bingo. Man schreibe 15 Begriffe zum Thema rotes Wien, zur großen Aufbruchsphase der Stadt in den 1920er und 1930er Jahren, auf einen Zettel: Gemeindebau, Kinderfreunde, Arbeiterschutz, Justizpalast-Brand, Dollfuß, Februar 1934 und so weiter. Dann gehe man ins Volkstheater – und hake sie der Reihe nach ab, bis man "Bingo" rufen kann. (Aber leise, man ist ja im Theater.)

Bereits zum zweiten Mal widmet sich nämlich Regisseurin Christine Eder gemeinsam mit der Musikerin Eva Jantschitsch (bekannt als Gustav) dem Rückblick auf die einst revolutionäre Macht der Sozialdemokratie. Im Vorjahr hieß das im Werk X "Proletenpassion ff.", diesmal geriet es zur Proletenlektion: Klamaukig durchbrochener, ausnehmend schön musikalisch untermalter Frontalunterricht zum Thema rotes Wien – mit viel Nostalgie, die mehr Fragen aufwirft als beantwortet.

Der Rückblick leuchtet ja ein, auf die Utopien des internationalen Arbeiters, auf den Traum von der Lebensverbesserung durch Solidarität, Bildung, Kultur. Gerade in Zeiten der Hassposting-Politik, der Re-Nationalisierung und digital beförderten Ent-Solidarisierung. Aber die Verklärung verstellt den Blick: Nostalgisch durchpflügt das Stück noch ein Mal jene Gräben, die Österreich einst trennten und in denen es sich bis heute vor der Zukunft versteckt.

Frauenschicksale

Das Ganze ist verpackt in eine Untergangs-Revue, die anhand dreier Frauenschicksale die großen Jahre des sozialistischen Aufschwungs schildert: Man sieht Satirisches auf Österreich, aufs Theater und Musical; man sieht Beklemmendes, man wird – durch Leuchtschuhe und Hoverboards – zaghaft an die Gegenwart angeknüpft. In der Hauptsache aber gibt es flott vorgetragene Geschichtsfakten in mal sehr vordergründigen, mal auch subtil-gelungenen Bildern: Die Darsteller spielen Arbeiter, Adel, Politiker, wechseln rasant zwischen höfischer Unterwerfung, proletarischem Stolz und feministischer Überzeugungsarbeit.

Nicht zuletzt dadurch, dass alle Seiten von den selben Darstellern abgebildet werden, ist "Alles brennt" wie eine Folge der TV-Kinderserie "Es war einmal ... der Mensch": Eine leicht verdauliche Faktenmahlzeit, die im nachbearbeitenden Unterricht aber noch ein ordentliches Maß an geschichtlicher Einordnung braucht.

"Das war’s?", heißt es am Schluss, nach 1938. Nein, eben nicht: Der Abend endet, bevor es heute wieder schwierig wurde, bevor die Rolle von Rot (und Schwarz) in einer völlig neuen Welt zu suchen wäre, in der die Begriffe "links" und "rechts" sinnlos geworden und die einfachen Antworten verschwunden sind. Viel Applaus, wohl auch für die besseren Zeiten.

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