Algorithmen, zum Klingen gebracht

Ausstellungsansicht: Florian Hecker. Halluzination, Perspektive, Synthese, 2017
Florian Hecker, Grenzgänger zwischen Technik und Ästhetik, in der Kunsthalle im Wiener MuseumsQuartier.

Algorithmen bestimmen unser Leben, werden die Erklärer des digitalen Wandels nicht müde zu betonen – gar nichts, von der Google-Ergebnisliste und die Facebook-Timeline bis hin zum Musikstream und der Automatenkasse im Supermarkt – läuft ohne sie. Aber wie sehen Algorithmen aus, wie fühlen sie sich an, wie klingen sie? Der Mangel direkter ästhetischer Darstellbarkeit solcher Kräfte ist ein Problem unserer Zeit, das war im Industriezeitalter, als Maschinen "Tschhh-tschhh" und Lastzüge "Bum-tschka-bum-tschka-bum" machen konnten, durchaus anders.

Die Ausstellung "Halluzination, Perspektive, Synthese" des Künstlers Florian Hecker in der Kunsthalle Wien (bis 14. 1.) ist vor diesem Hintergrund aufschlussreich – wobei der Begriff "Ausstellung" in die Irre führt. Ausgestellt ist reichlich wenig, da Hecker primär Klang-Künstler ist; die Lautsprecher und Abschirmungen im Saal dienen akustischen Zwecken.

Faun-tastisch

Die Installation, die im Obergeschoß der Kunsthalle im MQ aufgebaut ist, nennt sich "Resynthese FAVN" und lässt sich oberflächlich als eine Ballung seltsamer Geräusche, Tonüberlagerungen, Schwebungen und anderer Effekte beschreiben. Die Genese der Laute ist für den Laien kaum nachzuvollziehen, doch fürs erste reicht es zu wissen, dass kein Ton aus einer "natürlichen" Quelle – etwa der Aufnahme eines Musikinstruments – stammt.

Heckers Kunst besteht aus klingenden Daten, ihr Ausgangsmaterial ist die Analyse, Rekonstruktion und Variation akustischer Phänomene am Computer. Tatsächlich sind die Klänge, die sich in der Kunsthalle entspinnen, algorithmisch überarbeitete Versionen eines Themas – als gedankliche, nicht als direkte musikalische Vorlage dafür diente Debussys "Vorspiel für den Nachmittag eines Fauns".

Messbare Eindrücke

In die Zeit um 1894, als Debussys Werk uraufgeführt wurde, fällt laut Hecker auch die Geburtsstunde der Psychoakustik, die den Zusammenhang zwischen der Wahrnehmung von Klängen und ihrer Interpretation im Gehirn erforscht.

Generell gingen Fortschritte in der Messbarkeit und Quantifizierbarkeit wahrnehmbarer Phänomene damals eine seltsame Allianz mit einem Kult um das Ästhetische ein: Die flirrende Atmosphäre impressionistischer Kunst basierte etwa maßgeblich auf neuem Wissen über Farben und Töne. Emotion und Technikglaube lebten nah beieinander, Künstler sprangen zwischen den Sphären hin und her. In unserer Gegenwart, in der sich die Akteure der digitalen Welt anschicken, jedes Ereignis in Daten zu fassen, klingt diese Weltsicht seltsam vertraut.

Knarz! Britzel! Dröhn!

Leichtes Entertainment ist Heckers Klangwelt nicht – doch die Installationen, die oft verblüffende Effekte zeitigen, belohnen die Auseinandersetzung am Ende doch.

Die Frage, ob Heckers Kunst so viel Raum braucht, wie ihr die Kunsthalle einräumt, möge dennoch erlaubt sein: Gemeinsam mit der Schau "Publishing as an Artistic Toolbox" im Erdgeschoß, die künstlerische Magazine auf großer Fläche präsentiert, erscheint das Programm dünn ausgewalzt.

Die Notwendigkeit des physischen Ausstellungsraums wurde von der Kunsthalle allerdings schon öfters in Frage gestellt – etwa bei der "Exposition imaginaire", die 2016 maßgeblich im Internet stattfand. Und da auch die virtuelle Realität ihre Fühler in den Kunstbetrieb ausstreckt, erscheint es nicht ganz ausgeschlossen, dass die Halle eines Tages in eine Datenbrille übersiedelt.

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