Aki Kaurismäki: "Ich nehme nichts ernst"

Aki Kaurismäki: "Ich nehme nichts ernst"
Er ist der Meister der Lakonie: Der Finne macht große Filme ohne viele Worte. "Le Havre", sein jüngster, eröffnet kommende Woche die Viennale.

Mit Aki Kaurismäki zu reden ist ein seltsames Erlebnis: Er sitzt da - in diesem Fall an einem wunderschönen Strand in Cannes, dem Majestic Plage -, schaut missmutig, zündet sich eine Zigarette nach der anderen an und - schweigt. Bei der ersten Frage denkt er lange nach, so, als müsste er erst den Sprachmotor anwerfen. Gott sei Dank kommt er dann doch noch auf Touren.

KURIER: Mister Kaurismäki, weshalb reden Sie nicht gern?

Aki Kaurismäki: Ich gehe lieber fischen und Schwammerln suchen. Ich will meine Ruhe haben. Vor 25 Jahren habe ich mich das letzte Mal um schöne Frauen bemüht.

Ihr Film "Le Havre", in dem der Held Marcel Marx ein schwarzes Flüchtlingskind bei sich aufnimmt, spielt in der gleichnamigen französischen Hafenstadt. Wie sind Sie als Finne darauf gekommen?
Ich gehe überall hin, wo es Wodka gibt.

Der raue Nordwesten Frankreichs ist nicht gerade berühmt für süffigen Wodka.
Le Havre war eigentlich meine letzte Wahl. Ich habe die ganze französische Küste abgeklappert, und nichts hat gepasst. Le Havre hat wenigstens eine interessante Geschichte: Bevor es im Zweiten Weltkrieg zur großen Invasion der Alliierten in der Normandie kam, wurde Le Havre komplett niedergebombt. Getroffen hat das natürlich wie immer vor allem die kleinen Leute.

Aber will dort wirklich jemand hin, der unter Lebensgefahr aus seiner Heimat flieht?
Nein, das ist ja das Komische. Keiner geht nach Le Havre, so, wie auch keiner nach Finnland geht. Da und dort wirst du als Fremder eiskalt empfangen. Und schön ist es dort auch nicht.

Über das "Pech" des Lars von Trier

Aki Kaurismäki: "Ich nehme nichts ernst"

Ihr Film ist ein Märchen. Ein Plädoyer für das Gute im Menschen, sich um seine bedürftigen Mitmenschen zu kümmern.
Nein, nein, kein Märchen. Ich kenne meine Grenzen. Ich erzähle nur eine Geschichte einfacher Menschen in Europa. Um die schert sich nämlich sonst keiner. Geld regiert, Geld teilt die Gesellschaft, Geld bestimmt heutzutage alles. Der Mercedes in der Garage ist wichtiger als jedes Mitgefühl. Das Problem der politischen Führer in Demokratien ist, dass sie die armen Teufel nicht völlig kaltstellen können - sie brauchen sie ja noch als Melkkühe. Schade, dass die Revolution mit Fidel Castro gestorben ist. Er ist leider schon seit Jahren ein toter Mann.

Na, das klingt ja fast nach Provokation à la Lars von Trier ( der dänische Regisseur hatte bei einer Pressekonferenz gesagt: "Ich verstehe Hitler." ) ...
Er hatte das Pech, ausgerechnet in Cannes seinen Mund aufzumachen. Ironie und Sarkasmus funktionieren in Frankreich einfach nicht. Nur Sarkozy funktioniert hier.

Wie sind Sie am Set? Ein Diktator?
Naja, der Einzige, der bei mir improvisiert, bin ich.
Trotzdem mögen Sie Ihre Schauspieler. Oder trügt der Eindruck?
Ich respektiere sie. Ich bin bei ihnen, neben ihnen, hinter ihnen. Ich verstecke mich nicht hinter einem Monitor und erteile Befehle via Lautsprecher. Ich lasse sie nicht nur ins kalte Kameraauge blicken. Das finde ich beleidigend. Ich kümmere mich um meine Schauspieler.

Wie bei all Ihren Filmen spielt auch in "Le Havre" die Musik eine große Rolle. Wie konnten Sie das Rock-'n'-Roll-Urgestein Little Bob zum Mitmachen bewegen?
Little Bob kannst du nicht aussuchen - er sucht dich. Er ist der Elvis der Franzosen, und Le Havre ist sein Memphis. Was soll ich sonst sagen: Ich mag Musik. Alles außer Rap und Hip-Hop.

Was bedeuten Ihnen Preise, Auszeichnungen, Einladungen zu Festivals? "Le Havre" eröffnet ja auch unsere heurige Viennale.
Wenn Sie jemanden finden, dem das gleichgültiger ist als mir, dann zeigen sie mir den. Ganz ehrlich: Ich ziehe es vor, nichts, aber wirklich gar nichts ernst zu nehmen.

Sie haben in "Le Havre" erstmals auch mit einem französischen Schauspieler, Jean-Pierre Darroussin, gearbeitet.
Er ist der Präziseste unter den französischen Schauspielern. Im Übrigen habe ich ihn erst einmal abends das Studio putzen lassen, bevor ich ihn spielen ließ.

Stimmt es, dass Sie Ihren eigenen Wein anbauen?
Ja, das stimmt. In Portugal. Wein ist viel komplizierter herzustellen als ein Film. Deshalb produziere ich nur das, was ich selber trinke. Die Portugiesen sind mir sympathisch: Essen und trinken sind ihnen wichtiger als arbeiten.

Ihren letzten Film, "Lichter der Vorstadt", haben Sie vor fünf Jahren gedreht. Warum hat der nächste so lang gebraucht?
Es scheint, als würde ich faul werden auf meine alten Tage.

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Briefträger
Aki Kaurismäki, geboren 1957 in Orimattila, ist ein Quereinsteiger. Ehe er begann, Drehbücher zu schreiben, arbeitete er als Briefträger, Tellerwäscher und Tierpfleger. Seine Markenzeichen sind der extra-trockene Humor und die sparsamen Dialoge. Zu seinen bekanntesten Filmen zählen "Leningrad Cowboys Go America", "I Hired a Contract Killer" und "La Vie de Bohème".

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