Ai Weiweis angebliche "Porno"-Fotos

Auch mit Nacktheit wusste Ai zu provozieren.
Gegen den chinesischen Künstler wird nun offenbar auch wegen Pornografie ermittelt. Die beanstandeten Fotos zeigen aber lediglich Nacktheit.

Seit Monaten muss sich der chinesische Künstler und Regimekritiker Ai Weiwei mit Anklagen wegen angeblicher Steuervergehen herumschlagen. Nun wird nach dessen Angaben auch wegen des Vorwurfs der Pornografie gegen ihn ermittelt, sagte Ai der Nachrichtenagentur AFP. Bei den Vorwürfen geht es offenbar um in Facebook veröffentlichte Bilder, auf denen Ai und vier Frauen nackt zu sehen sind. Sein Assistent sei am Donnerstag auf eine Polizeiwache gebracht worden, sagte Ai. "Sie haben ihn gefragt, warum er diese Fotos aufgenommen hat, sie haben ihm ganz klar gesagt, dass sie jetzt gegen mich wegen Pornografie ermitteln."

Die Behörden hätten ihm bereits ähnliche Vorwürfe gemacht, als er wegen der angeblichen Steuervergehen festgenommen wurde. "Als ich festgenommen wurde, haben sie (die Beamten, Anm.) mir gesagt: `Das ist Pornografie.` Ich habe nur gelacht und gesagt: `Wissen Sie, was Pornografie ist? Nacktheit ist keine Pornografie.`" Weiwei habe die Vorwürfe daher nie ernst genommen.

Auf den Fotos, die offenbar die Ermittlungen ausgelöst haben, sitzen Ai und vier Frauen nackt auf Stühlen in einem ansonsten leeren Raum. Auf den vor weniger als zwei Jahren aufgenommenen Fotos sind keine sexuelle Posen zu sehen. Ai bezeichnete die Vorwürfe als "vollkommen lächerlich". "Unser Land ist heute so korrupt, so voller Sex, aber sie denken, Nacktfotos im Internet seien Pornografie." Die Pekinger Polizei wollte zunächst keine Stellungnahme abgeben.

Ai ist einer der bekanntesten Kritiker der Führung in Peking. Anfang April war er wegen angeblicher Steuervergehen festgenommen und fast drei Monate ohne Anklage an einem unbekannten Ort festgehalten worden. Er soll 15 Millionen Yuan Renminbi (rund 1,7 Millionen Euro) an die Behörden zurückzahlen. Ai weist die Vorwürfe zurück und bezeichnet sie als politisch motiviert, ähnlich sehen auch zahlreiche westliche Regierungen und Menschenrechtsorganisationen den Fall. Diese Woche hinterlegte Ai einen Teil der angeblichen Steuerschuld, um offiziell Einspruch in dem Fall einlegen zu können. Das Geld hatte er durch Spenden erhalten.

Ai Weiweis angebliche "Porno"-Fotos

In seiner Kunst setzt Ai Weiwei immer wieder spezielle Codes ein, um seine Kritik an der Staatsmacht zu formulieren. So erinnerte seine Installation "Sunflower Seeds" in der Londoner Tate Modern an Bilder des Kommunistenführers Mao Tse Tung, die diesen inmitten von Sonnenblumen zeigten. Auf einem Foto, das Ai Weiwei nackt zeigt, hält sich der Künstler ein Plüschtier vor den Schritt. Dieses ist aber nicht irgendein beliebiges Plüschtier, sondern ein "Cao Ní Ma". Diese "Gras-Schlamm-Pferde" sind in China ein Symbol für Internet-Zensur, weil "Cao Ní Ma" ähnlich klingt wie die verbotene Formulierung "fuck your mother".

Weiwei hat im Nachrichtenmagazin Spiegel die Bedeutung des Internets als politisches Forum gelobt. "Ohne das Netz wäre ich heute nicht Ai Weiwei. Ich wäre nur ein Künstler, irgendwo, der seine Ausstellungen macht", sagte der 54-Jährige. Das Internet ermögliche es den Oppositionellen, sich geistig zusammenzutun. "Man muss nicht mehr physisch zusammenkommen, du kannst individuell sein, deine eigenen Werte haben und dich trotzdem mit anderen für eine Sache zusammenschließen. Es gibt nichts Mächtigeres als das. (...) Das ist ein Wunder, so etwas hat es bislang noch nie gegeben."

Der Künstler, der wegen seiner Systemkritik als "soziales Gewissen" Chinas gilt und über Blogs und Twitter die Willkür von Polizei und Behörden anprangert, betonte: "Kunst ist für mich freie Meinungsäußerung, eine neue Art zu kommunizieren. Es geht nicht darum, in Museen auszustellen, Dinge an die Wand zu hängen. Kunst sollte in den Herzen der Menschen leben."

Im offenen Clinch mit der Staatsmacht liegt Ai, seit er nach dem Erdbeben 2008 in der Provinz Sichuan eine unabhängige Untersuchung der Gründe für den Einsturz zahlreicher Schulen gefordert hatte. Seine international heftig verurteilte Festnahme hatte seine Bekanntheit im Ausland deutlich vergrößert und den Wert seiner Skulpturen, Fotografien und Installationen in die Höhe schießen lassen. Das angesehene Fachmagazin "Art Review" kürte ihn im vergangenen Monat zum einflussreichsten Künstler der Welt. Ai Weiwei ist ein Sohn des berühmten chinesischen Poeten und Malers Ai Qing (1910-96), welchen die Kommunisten von 1958 bis 1978 mit Publikationsverbot belegt und in Umerziehungslager gesteckt hatten.

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