Ai Weiwei und die Macht des Bauens

Das Kunsthaus Bregenz zeigt kritische Architektur-Ideen des Kunststars. Eine Schau zur rechten Zeit.

Nicht zuletzt in der weltweiten Öffentlichkeitsarbeit war die Verhaftung und Schikanierung des kritischen Künstlers Ai Weiwei für die chinesischen Machthaber ein grässlicher Missgriff: Ai, mittlerweile wieder freigelassen, aber mit Rede- und Ausreiseverbot belegt, ist nunmehr auch weit über die Kunstkreise hinaus bekannt.

Der aufsässige Kunststar wurde zur Symbolfigur des kalten Aufstandes gegen Unterdrückung und Zensur im repressiven Wirtschaftswunderland. Mit Auswirkungen auf die Kunstwelt: Ausstellungshäuser bemühen sich, rasch ein paar Werke des u. a. von der documenta12 (2007) bekannten Künstlers zu zeigen; die Berliner Universität der Künste verlieh eine Gastprofessur; die Medien nehmen die Affäre zum Anlass für umfassende China-Kritik.

Machtstruktur

Im Kunsthaus Bregenz (KUB) war die ab morgen, Samstag, gezeigte Ausstellung "Ai Weiwei. Art / Architecture" jedoch schon seit eineinhalb Jahren (und damit lange vor der Verhaftung Ais im April) geplant, betont Direktor Yilmaz Dziewior. Zentral sind in der Schau Ais Kooperationen mit chinesischen und internationalen Architekten.

Viele der darin entwickelten Konzepte sind als Gegenentwurf zu den oft brutalen städtebaulichen Lenkungsversuchen der kommunistischen Partei zu verstehen. Aber auch als Gegengewicht zum ebenso brutalen Urbanisierungswildwuchs der chinesischen Realität. Und einige brachten ihn zuweilen, nicht zuletzt beim weltberühmten, mit Herzog & de Meuron realisierten Nationalstadion, in augenscheinlich unangenehme Nähe zu den Machthabern. Doch in vielen der Projekte wirft Ai einen unbeirrbar strengen Blick auf die Machtausübung durch Baustrukturen:

Wenn etwa die weit verbreitete Korruption in schlechte Bausubstanz und damit in den eigentlich vermeidbaren Tod Tausender Kinder durch ein Erdbeben mündet. Ais Engagement gegen die Vertuschung dieses Skandals hatte einen tätlichen Angriff und eine schwere Kopfverletzung zur Folge. Gezeigt wird auch das Video der Zerstörung seines Ateliers durch die Behörden, auf die ein (wegen der wirtschaftlichen Abhängigkeit des Westens von China politisch wirkungsloser) internationaler Protest folgte.

Die Schau im KUB widmet sich bis 16. Oktober aber auch dem Bauen im strukturlosen Raum, der Architektur am Schnittpunkt zur Bildenden Kunst. Der gesamte zweite Stock wird von einem eigens für Bregenz kreierten neuen derartigen Projekt bespielt.

Neue Häuser

Dessen Ausgangspunkt ist die Architekturkooperation ORDOS 100, für die Ai 100 junge Architekturbüros eingeladen hat, Einfamilienhäuser in der mongolischen Steppe zu entwerfen. Die Ergebnisse dieser hundertfachen Neuauseinandersetzung mit den ursprünglichsten Anforderungen an das Haus sind nun zweifach zu sehen: Als Konzeptstudien auf Papier an der Wand, mit textlichen Einblicken in die Ideen der Architekten. Und als riesige Holzskulptur am Boden: In Miniaturformat wird die Formenvielfalt der Entwürfe greifbar gemacht. Und gänzlich abstrakt wird es dann ganz oben. Moon Chest (2008) verknüpft im obersten Stock Architektur und Minimal Art: Überdimensionale Holzkörper mit kreisrunden Aussparungen stehen im Raum, irgendwo zwischen idealen Häusern und Holzskulpturen angesiedelt.

Zur Bregenzer Festspielzeit ist der Künstler auch im Stadtbild vertreten: Billboards u. a. von Franz West und von Jenny Holzer fordern Solidarität. Die Erstellung der Schau war "eine permanent schwierige Situation", sagte Dziewior. "Als Ai verhaftet wurde, waren die Werke noch nicht in Europa." Nach der Freilassung sei Ai per eMail aber voll in die Ausstellung involviert gewesen.

Zur Person

Werdegang
Ai Weiwei (Jahrgang 1957) ist Konzeptkünstler, Bildhauer und Architekt. In seinen Werken übt er immer wieder Kritik an den chinesischen Machthabern. Ais Verhaftung wegen angeblicher Steuerhinterziehung sorgte für internationale Proteste.

Kommentare