Ai Weiwei dementiert Schuldgeständnis

Ai Weiwei dementiert Schuldgeständnis
Im ersten Interview nach der Haft äußert er sich erneut zum chinesischen Regime. Kolportiert wird auch seine Teilnahme an der 4. Moskauer Internationalen Kunstbiennale.

Der regimekritische chinesische Künstler Ai Weiwei hat bestritten, ein Geständnis über Steuerhinterziehung unterzeichnet zu haben. Auch will der 54-Jährige nach seiner Freilassung am 22. Juni weiter politisch aktiv bleiben. In dem ersten Interview seit seiner Freilassung aus zweimonatiger Haft sagte Ai: "Ich werde niemals aufhören, gegen Ungerechtigkeit zu kämpfen." Seiner Designfirma wurden Steuervergehen vorgeworfen, Ai Weiwei wurde auf internationalen Druck hin und durch Kaution freigelassen. Er darf ohne offizielle Genehmigung Peking nicht verlassen. Seine Familie sieht den wahren Hintergrund für die Festnahme in seiner Kritik am kommunistischen Regime.

Der Künstler soll jetzt Steuern und Strafen in Höhe von 1,3 Millionen Euro bezahlen. Rechtlich verantwortlich ist aber vielmehr seine Frau Lu Qing, die an der Spitze der Firma steht. "Ich bin der künstlerische Direktor des Unternehmens und habe seiner finanziellen Entwicklung nicht wirklich Aufmerksamkeit geschenkt", sagte der Künstler der "Global Times" im Interview. Er sicherte aber zu, im Falle eines Schuldspruches die Strafe zu akzeptieren.

Ai bestätigt Echtheit, aber auch Zensur des Interviews

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Die Umstände des Interviews waren ungewöhnlich. Denn darf Ai Weiwei sich eigentlich nicht politisch äußern. Gleichwohl erschienen seine Ausführungen ausgerechnet in der englischsprachigen "Global Times", die vom kommunistischen Parteiorgan "Volkszeitung" herausgegeben wird. Das Blatt hatte sich immer kritisch über Ai Weiwei und die Empörung im Westen über seine Festnahme geäußert.

Auch in diesem Artikel zitierte das Blatt wieder Kritiker von Ai Weiwei. Dem Künstler wurde aber durchaus Raum gegeben, seine Ansichten zu verbreiten. Besonders wurde hervorgehoben, dass sich Ai Weiwei für Reformen und gegen einen rabiaten Machtwechsel aussprach. "Ein Umsturz des Regimes durch eine radikale Revolution ist nicht der Weg zur Lösung der Probleme Chinas", wurde er zitiert. "Das wichtigste ist ein wissenschaftliches und demokratisches politisches System."

Gegenüber der Nachrichtenagentur AFP sagte Ai, das Interview, das in der chinesischen Ausgabe der Zeitung nicht erschien, sei echt. Es sei aber von der Zeitung "arrangiert" gewesen und "sicherlich auf allen Ebenen" der Zensur geprüft worden. Ausländischen Korrespondenten konnte Ai Weiwei bisher keine Interviews geben. Meist tauchte ohnehin sofort die Polizei auf, wenn ein Reporter ihn besuchen wollte. Die "Global Times" zitierte Ai Weiwei auch mit den Worten: "Ich werde niemals der Politik ausweichen. Niemand kann das. Wir leben in einer politisierten Gesellschaft." Wer nicht auf seinen Rechten bestehe, gebe sie auf, sagte Ai Weiwei.

Tweets zu Folter in der Haft - und über sein Gewicht

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Nachdem Ai Weiwei am Wochenende in seinen ersten Nachrichten nach der Haft nur über sein Gewicht getwittert hat, hat der regierungskritische chinesische Künstler am Dienstag erstmals wieder regierungskritische Töne in dem Online-Netzwerk angeschlagen. Einige seiner engsten Künstlerkollegen, die wie er "illegal inhaftiert" worden seien, hätten im Gefängnis "seelische und physische Folter" erlitten, schrieb Ai in einer der Botschaften. Er habe am Montag seinen Mitarbeiter Liu Zhenggang getroffen, der zur selben Zeit im Gefängnis saß. "Dieser massive Kerl ist in Tränen ausgebrochen. Er hat einen Herzinfarkt im Gefängnis erlitten und wäre fast gestorben."

In einer weiteren Botschaft in dem Internet-Kurznachrichtendienst ergriff Ai im Namen von "Gleichheit und Gerechtigkeit" das Wort für zwei weitere Dissidenten, Wang Lihong und Ran Yunfei, und forderte seine Anhänger zur Unterstützung der beiden auf. Yunfei wurde am Mittwoch nach sechsmonatiger Haft aus dem Gefängnis entlassen. Der 43-jährige Schriftsteler war im Februar wegen angeblich staatsgefährdenden Verhaltens festgenommen worden. Seine Entlassung erfolgte kurz vor einem geplanten Besuch von US-Vizepräsident Joe Biden in Chengdu.

Mögliche Teilnahme an der Moskauer Internationalen Kunstbiennale im September

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Am Dienstag wurde darüber hinaus bekannt, dass Ai an der 4. Moskauer Internationalen Kunstbiennale im Herbst mitwirken soll. Er werde bei der Schau seinen Videofilm "Beijing: The Second Ring" (2005) präsentieren, teilten die Veranstalter in Moskau mit. Zugleich räumten sie ein, dass Ais Teilnahme noch nicht bestätigt werden könne. Kurator ist der Österreicher Peter Weibel vom Zentrum für Kunst und Medientechnologie in Karlsruhe.

Wegen des Ausreiseverbots konnte Ai bisher auch noch nicht seine Gastprofessur an der Berliner Universität der Künste (UdK) antreten. In seinem gut einstündigen Video zeigt der Künstler den Verkehr auf dem zweiten Pekinger Stadtring an insgesamt 33 Brücken aus jeweils zwei Perspektiven. Die Biennale zeigt vom 23. September bis zum 30. Oktober unter dem Titel "Rewriting Worlds" ("Welten neu schreiben") die Werke von insgesamt 81 Künstlern aus 32 Ländern.

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