Wenn Gier und brutaler Sex in den Untergang führen

Diana Damrau in der Rolle der Moll Hackabout.
Iain Bells Oper "A Harlot’s Progress" überzeugt an der Wien auch dank Diana Damrau.

Da sage noch jemand, dass zeitgenössische Oper immer kopflastig und intellektuell aufgeblasen sein muss. Nein, es geht auch anders. Ganz anders sogar. Das beweist der junge Brite Iain Bell mit seiner ersten Oper „A Harlot’s Progress“, die im Theater an der Wien ihre großteils umjubelte Uraufführung erlebte.

Worum geht es? Bell hat sich für seinen Erstling die berühmte Kupferstich-Serie „A Harlot’s Progress“ von William Hogarth als Vorbild genommen. In seinem Werk schildert Bell (basierend auf Hogarth) das Schicksal der jungen Moll Hackabout, die nach London kommt, dort an die falschen Männer gerät, zur Hure wird, im Gefängnis landet und letztlich an Syphilis zugrunde geht. Denn der Moloch London verschlingt seine Einwohner. Molls kleiner Tochter droht – so suggeriert es der Komponist – ein ähnliches Schicksal.

Fast eine Moritat über Sex und Gier also, zu der der London-Chronist Peter Ackroyd das dem Sujet entsprechend deftige englischsprachige Libretto verfasst hat. Bell wiederum hat dazu eine dramatische, packende, sehr hörbar, auch filmische, mit ein paar frei tonalen Einschüben versehene Musik geschrieben, die stilistisch keinerlei Berührungsängste kennt, ja die definitiv gehört werden will. Warum Bell bei der Uraufführung als einziger mit einigen Buhs bedacht wurde, ist nicht nachvollziehbar.

Brillante Fallstudie

Denn Bell erweist sich als Komponist, der explizit für gewisse Stimmen schreiben kann. Im konkreten Fall ist das die Sopranistin Diana Damrau, die in dieser bitteren Milieu,-und Sozialstudie aus der Zeit des Frühkapitalismus die Moll Hackabout singt und spielt. Und wie! Mit Mut zur Hässlichkeit, zur Selbstentäußerung meistert Damrau alle vokalen Herausforderungen (davon gibt es viele) und ist eine intensive Moll.

Großartig aber auch Marie McLaughlin als in jeder Hinsicht präsente Puffmutter Needham sowie der Bariton Nathan Gunn als extrem viriler Bandit James Dalton. Tara Erraught ist eine vor allem darstellerisch gute Kitty; der stimmlich blasse Christopher Gillet gibt den reichen Lustgreis Lovelace überzeugend. In drei kleineren Partien agiert Nicolas Testé souverän. Ähnliches gilt für den Arnold Schoenberg Chor und die tadellosen Wiener Symphoniker unter der Leitung des Finnen Mikko Franck.

Der kluge Regisseur Jens-Daniel Herzog, sein kongenialer, Raum schaffender und dann wieder verengender Bühnenbildner Mathis Neidhardt und die tollen Kostüme von Sibylle Gädeke sorgen für den stimmigen Rahmen dieses Dramas. Ein Leading-Team, das sich höchst professionell in den Dienst eines Werkes stellt – das verdient ein Sonderlob.

Szenenfotos von "A Harlot’s Progress":

Wenn Gier und brutaler Sex in den Untergang führen

FOTOPROBE: A HARLOT'S PROGRESS
Wenn Gier und brutaler Sex in den Untergang führen

AUSTRIA OPERA
Wenn Gier und brutaler Sex in den Untergang führen

FOTOPROBE: A HARLOT'S PROGRESS
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FOTOPROBE: A HARLOT'S PROGRESS
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Fesselnde Moritat

Werk „A Harlot’s Progress“ von Iain Bell (Musik) und Peter Ackroyd (Text) basiert auf der Kupferstich-Serie von William Hogarth. Bell hat eine spannende, aufwühlende und sehr hörbare Oper komponiert.

Besetzung Die Sopranistin Diana Damrau – ihr wurde die Parte quasi in die Kehle geschrieben – brilliert als Moll; sehr stark auch Marie McLaughlin und Nathan Gunn. Gut die Wiener Symphoniker.

Inszenierung Sehr klug und dem Werk dienend.

KURIER-Wertung:

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