3sat: Porträt von Bogdan Bogdanovic

3sat: Porträt von Bogdan Bogdanovic
3sat zeigt anlässlich des Jahrestags des Massakers von Srebrenica ein Porträt des Architekten Bogdan Bogdanovic von Reinhard Seiß.

Vor 20 Jahren begann mit dem Kriegsausbruch in Jugoslawien der Zerfall des Vielvölkerstaates. Einer der unzähligen durch den Nationalismus Vertriebenen war der Belgrader Ex-Bürgermeister, Architekt, Literat und Oppositionelle Bogdan Bogdanovic. Er schuf ab den 1950er-Jahren surrealistische Monumente gegen Krieg und Vernichtung, verteilt über ganz Jugoslawien. Der Wiener Stadtplaner Reinhard Seiß porträtiert in seinem Film "Architektur der Erinnerung" erstmals die kunsthistorisch einzigartigen Gedenkstätten des 2010 im Wiener Exil gestorbenen Universalgenies. Zu sehen im Rahmen eines 3sat -Themenabends am 13.7. 2011 um 00.05 Uhr.

"Bogdanovic war der erste und einzige bedeutende jugoslawische Künstler"

3sat: Porträt von Bogdan Bogdanovic

KURIER: Bogdan Bogdanovic war in Jugoslawien eine prominente Persönlichkeit, in seinem Wiener Exil lebte er ab 1993 aber sehr zurückgezogen. Wie lernten Sie ihn kennen und wie entstand die Idee für Ihren Film?
Reinhard Seiß: Ich wusste von ihm ursprünglich auch nur, dass er ein Architekt ist, der gescheite Bücher über die Stadt schreibt und in den 80er-Jahren auch einmal Bürgermeister von Belgrad war. 2005 sprach mich dann eine gemeinsame Bekannte auf Bogdanovic an, weil sie es unerträglich fand, dass sein Lebenswerk, nämlich seine 20 surrealistischen Denkmäler aus vier Jahrzehnten, bis dahin in keiner Form dokumentiert waren. Bei einem Besuch zeigte mir Bogdan Bogdanovic dann in seinem Wohnzimmer alte Dias von seinen Bauten und erzählte wunderbare Geschichten zu jedem Monument.

Was ist das so Besondere an seinen Denkmälern?
Bogdanovic war der erste und wohl auch einzige bedeutende jugoslawische Künstler, der sich vom Dogma des sozialistischen Realismus löste und die Aufgabe von Denkmälern nicht darin sah, die Betrachter zu ermahnen, zu überzeugen oder gar zu erziehen. Einzigartig - und das weit über Jugoslawien hinaus - ist nicht nur seine zeitlose, archaische Formensprache, sondern vor allem sein metaphysischer, ja geradezu spiritueller Zugang zur Architektur. In seinen Büchern ergründet er die Tiefen der menschlichen Seele - und die Denkmäler sind ein künstlerischer Ausfluss seiner psychoanalytischen oder, wie er selbst es nannte, anthropologischen Forschungsreisen in andere Bewusstseinswelten.

Neun Jahrzehnte jugoslawischer Geschichte

3sat: Porträt von Bogdan Bogdanovic

Ist das nicht ein sehr spezifisches Nischenthema für ein elitäres Publikum?
Ich muss gestehen, dass für mich als Stadtplaner herkömmliche Denkmäler zu wenig Motivation gewesen wären, um mich so intensiv damit zu beschäftigen. Aber es knüpfte sich noch so vieles andere daran: Etwa die Dimension seiner Gedenkstätten, die in manchen Fällen, etwa in Mostar, die Größe antiker Stadtruinen aufweisen, oder ihre stets perfekte Einbettung in die Landschaft. Und nicht zuletzt war da die spannende Biografie dieses enorm charismatischen Menschen. Sein Leben spiegelte neun Jahrzehnte jugoslawischer Geschichte wider - bis in die Gegenwart.

Themenabend: 20 Jahre Krieg in Jugoslawien

Dem Zerfall Jugoslawiens vor 20 Jahren widmet 3sat am 12.7. 2011 einen Schwerpunkt. Der Spielfilm "Esmas Geheimnis" (20.15 Uhr) behandelt einen Mutter-Tochter-Konflikt im Nachkriegsbosnien. Die Doku "Die Jagd nach Ratko Mladic" (21.40 Uhr) zeigt die Suche nach dem "Schlächter vom Balkan".
1995 wurden Tausende muslimische Flüchtlinge exekutiert und in Massengräbern verscharrt. In "Srebrenica - Die Heimkehr der Toten" (22.35 Uhr) berichten Hinterbliebene über die Suche nach ihren Angehörigen.
In "Europas letzter Diktator - Sturz und Ende von Slobodan Milosevic" (23.20) werden die letzten Lebensjahre des früheren Präsidenten und Kriegstreibers Serbiens gezeigt.
"Architektur der Erinnerung - Die Denkmäler des Bogdan Bogdanović" beginnt um 0.05 Uhr.

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