21er Haus: Die Verschachtelung der Utopien

21er Haus: Die Verschachtelung der Utopien
Die erste Themen-Schau im 21er Haus "Utopie Gesamtkunstwerk" ist ein Spiel mit der Distanz der Betrachter, ein Parcour aus Nah- und Fernsicht.

Das Enttarnen von Utopien ist, zumindest in der Kunstwelt, längst zum Breitensport avanciert. Wenn nun also der Begriff "Gesamtkunstwerk" aus dem Koffer geholt wird, darf man voraussetzen, dass jeglicher Mythenstaub bereits von ihm abgeputzt wurde: Eine nostalgische Rückkehr in eine einlullende, alle Sinne umgreifende Kunst-Seligkeit wird in der Ausstellung "Utopie Gesamtkunstwerk" im 21er Haus (bis 20. Mai) nicht geboten.

Was der ersten Themen-Schau im jüngst eröffneten Museumsbau aber ausnehmend gut gelingt, ist ein Spiel mit der Distanz der Betrachter: Der Hypnotiseur, der am Eingang in einem Video spricht, erfordert etwa eine ganz andere Bereitschaft, sich fallen zu lassen, als die in einer Vitrine gezeigten Dokumente der Beuys-Aktion "7000 Eichen" hinten im Saal.

Viele Ebenen

Dieser Parcours aus Nah- und Fernsicht, aus Einbindung und Belehrung funktioniert im 21er Haus maßgeblich durch die von der Künstlerin Esther Stocker konzipierte Ausstellungsarchitektur: Sie hat schwarze Boxen in den Raum gestellt, die teils als Stellwände, teils als höhlenartige Video-Boxen und teils als autonome Skulpturen genutzt werden. Die Schau folgt so dem Prinzip einer russischen Matrjoschka-Puppe: Ein Kunstwerk entpuppt sich als Hülle für ein anderes, der von Karl Schwanzer geplante Bau des 21er Hauses stellt die äußerste Hülle dar. Die Einbindung des Betrachters – zentrales Kriterium jedes Gesamtkunstwerks – gelingt so trotz einer distanzierten Haltung.

Das Kuratorenteam ( Harald Krejci, Bettina Steinbrügge) traute sich auch, in der Auswahl der Werke die Zeitebenen heftig zu durchmischen: Eine Installation von Hermann Nitsch steht etwa unweit von Jonathan Meeses Skulptur "Totaladler" (2007) und einem Relikt von Christoph Schlingensiefs letzter Burgtheater-Inszenierung. Im Obergeschoß stellen Fritz Wotrubas Bühnenbild-Modelle für den "Ring der Nibelungen" (1967) den direktesten Bezug zu Richard Wagners Gesamtkunstwerk-Idee her.

Sprunghaft

Das Nebeneinander von Jung und Alt, von Utopie und Ironie funktioniert überraschend gut, erfordert aber auch, gedanklich über viele Gräben zu springen. "Dass das geistige Anstrengungen mit sich bringt, denen sich das breite Publikum nur zögernd unterzieht", wusste schon der im Katalogtext von Werner Hofmann zitierte Alt-Kunsthistoriker Alois Riegl. Doch der Aufwand wird belohnt – mit einem anregenden Kunsterlebnis.

Weiterführende Links

Kommentare