Nick Cave im Film: Mythos, Poesie und viel Regen

Nick Cave schreibt auf der Schreibmaschine Songs. Er fährt im Jaguar durch Brighton und macht sich Gedanken über Kreativität: „20.000 Days on Earth“ läuft am 6.2. in Österreich an
Der innovative Nick-Cave-Film "20.000 Days on Earth" verbindet geschickt Fiktion und Dokumentation.

Nick Cave sitzt im Auto, kurvt durch die verregnete Landschaft um seinen Heimatort Brighton. Neben ihm Blixa Bargeld. Sie plaudern. Und mehr als zehn Jahre, nachdem Bargeld bei Caves Band The Bad Seeds ausgestiegen ist, fragt Cave ihn das erste Mal nach dem Grund.

Das ist nur einer von vielen intimen Momenten, die das Regisseur-Duo Jane Pollard und Iain Forsyth für den am Freitag in Österreich startenden "Doku-Fiktion"-Film "20.000 Days on Earth" eingefangen hat. "Wir wussten, dass es eine tiefe Liebe zwischen Nick und Blixa gibt. Aber auch, dass sie nie darüber gesprochen hatten, wie und warum ihre Zusammenarbeit enden musste", erzählt Jane Pollard im KURIER-Interview. "Wir hatten für die Szene weder Fragen noch ein Script vorgegeben. Aber wir dachten, wenn wir sie in diesem intimen, begrenzten Raum eines Autos zusammensetzen, könnte das Thema aufkommen."

Einfühlsam

Ähnlich lief es mit Kylie Minogue, mit der Cave seinen Hit "Where The Wild Roses Grow" aufgenommen hat: 20 Minuten im Auto, mit der Kamera draufhalten und darauf vertrauen, dass durch das gezielt gewählte Umfeld etwas Interessantes passiert.

Nick Cave im Film: Mythos, Poesie und viel Regen
20.000 Days On Earth, Filmdoku über Nick Cave
Einfühlsam verweben Pollard und Forsyth derart improvisierte Szenen mit inszenierten, für die Cave selbst das Script lieferte: Ein fiktiver Tag in seinem Leben vom Aufstehen bis zum Abendspaziergang. Dazwischen schreibt er in seinem Arbeitszimmer Songs, er trifft den langjährigen Mitstreiter Warren Ellis zum Aal-Essen, geht ins Studio und spielt ein Konzert. Und zu Bildern, die seinen Alltag zeigen, rezitiert er Texte, die in typischer Cave-Poesie seine Vision von Kunst und dem eigenen Schaffensprozess darlegen.

Es war genau dieser neue Ansatz, eine Dokumentation zu gestalten, die den anfangs skeptischen Cave überzeugte, "20.000 Days on Earth" zu machen.

"Wir kennen Nick schon lange, haben viele seiner Videos gedreht. Anfangs war er entsetzt über die Idee. Er schaut lieber nach vorne und denkt an das nächste Projekt. Er hatte Angst, dass er dafür sehr viel Zeit damit verbringen müsse, die Vergangenheit zu analysieren."

Mystisch

Aber Forsyth und Pollard dachten nicht an einen konventionellen Dokumentarfilm, der Caves Lebensgeschichte aufarbeitet: "Wir wollten nicht journalistisch seine ,wahre Persönlichkeit‘ suchen und zerpflücken, sondern mit seinem Intellekt und seinen Ideen arbeiten, dass die Zuseher Teil der mystischen Figur werden können, die er erschaffen hat. Und wir wollten zeigen, wie er geworden ist, wer er heute ist."

Dafür entwickelten Forsyth und Pollard Szenen, in denen Cave mit einem Psychiater über seinen Vater, die erste Liebe und die Kindheit spricht oder in einem fiktiven Cave-Archiv den Archivaren die Storys zu alten Fotos liefert.

Auf die Idee, den fingierten Tag als den zwanzigtausendsten Lebenstag zu titulieren, kamen Pollard und Forsyth aufgrund eines Eintrags in Caves Notizbuch. "Nick schreibt darin alle Song-Ideen auf und zeigte es uns, damit wir einen Eindruck davon bekommen , was ihn gerade beschäftigt."

Eine Song-Idee, die Cave darin notiert, aber nie fertig ausgeführt hatte, hieß "19.954 Days On Earth". "Das war eine Zahl, die er angenommen hatte", erklärt Forsyth. "Er ließ dann aber seine Sekretärin ausrechnen, wie viele Tage er schon auf der Erde verbracht hat. Dabei kam sie drauf, dass der Tag, an dem er das erste Mal für das Album ,Push The Sky Away‘ ins Studio geht, der Zwanzigtausendste ist. Wir fanden, dass das ein guter Titel ist, weil der Tag eine gewisse Signifikanz, andererseits aber auch keine wirklich wichtige Bedeutung hat."

Der Trailer zum Film

Kommentare